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Austern auf Endivien

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Ein wunderschönes Exemplar, sagte der Baron, und sah uns ergriffen an. Er stammt in gerader Linie von der Urmutter dieser Rasse ab. Seit dem 15. Jahrhundert kann man sie auf Bildern mit dem Weimarer Adel sehen: 65 cm bis zum Widerrist, Fell dicht und silbergrau wie der Mond über Thüringen. Das »wunderschöne Exemplar« sah aus seinem goldenen Rahmen auf uns herab, die Augen wie aus Glas, der Körper in höchster Muskelspannung, einen Vorderlauf angehoben. Dieses Bild stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert, fuhr unser Gastgeber fort, mein Großvater ließ es anfertigen, um den Führer seiner Jagdmeute zu ehren, der sowohl als Apportierals auch als Spürhund Bedeutendes leistete. Wieder pathetisches Schweigen. Mein Vater war 1897 einer der Gründer des »Vereins zur Reinzucht des silbergrauen Weimaraner-Vorstehhundes« gewesen. Wir müssen die Weimaraner bewahren.

Er wurde etwas lauter: Aber gewiss retten wir in jedem Fall die Reinheit dieser Rasse, in Erwartung die Deutschen vor dem Bolschewismus zu bewahren! Hans’ Hände ballten sich zu Fäusten, Martin war auf einen Schlag bleich geworden, Peter sah den Baron hart an und murmelte, man sei nicht hier, um Porträts adliger Hunde zu bewundern. Greta rettete die Situation mit Bravour. Sie hakte sich bei Baron W. von H. ein und schlug vor, nun nach unten zu gehen, um sich die Kühlkammern anzusehen.

Wir befanden uns im Salon des »Weimarer Jagdzirkels«, um den Empfang nach einem Konzert zu besprechen. Sonst ließ man das immer vom »Russischen Hof« organisieren, aber diesmal hatten wir den Zuschlag bekommen – eine Gelegenheit, auf die wir lange gewartet hatten. Die Jungs betrachteten mit Begierde die Waffenschränke, in denen Kriegs- und Jagdgewehre aufgereiht waren, manche sogar mit Zielfernrohr. Die Waffen holt man sich dort, wo unsere Feinde sie aufbewahren, hatte Hans verkündet, so kommt man auch einfach an Munitionsnachschub. Das Waffendepot in der Kaserne der Wilhelmsallee war leider schon geplündert worden, nichts davon war noch greifbar, und so waren wir auf den Jagdzirkel gekommen.

Darüber dachte ich nach, als endlich die Lichter des Salons verlöschten. Der Rest des Gebäudes lag schon im Dunkeln. Seit fast zwei Stunden lagen wir versteckt im Gebüsch. Und obwohl wir seit mehr als einem Monat auf diesen Moment gewartet hatten, waren wir jetzt nur noch ungeduldiger, erregter, ängstlicher. Die Nacht war kalt und böig. Ich hatte mich an einen Baum angelehnt, meine Jacke hatte mich vor der feuchten und pieksenden Rinde nicht schützen können. Auf ein Zeichen von Martin zogen wir unsere schwarzen Kapuzen tief ins Gesicht, schwarz war auch der Rest unserer Kleidung. Fluchtwege und Alarmanlage hatten wir genau ausgekundschaftet. Wir schlichen zu einem Fenster. Hans öffnete es mit Glasschneider und Saugnapf, zündete eine Kerze an und stieg lautlos ein. Der Rest war Konsequenz, wie Wilhelm immer sagt.

Dieses Abenteuer hatte noch ein Nachspiel: Ein Wachmann des Zirkels hatte uns gesehen. Am nächsten Morgen gingen wir zu ihm. Er verstand sofort, was wir getan und warum wir es getan hatten. Das haben sie sich verdient, sagte er. Die verbreiten nichts als Elend. Ihr dagegen kämpft für eine Sache, die viele für die richtige halten. Jedenfalls – und er sah uns allen in die Augen – hoffe ich das.

Man rechnet mit fünf Austern pro Gedeck. Öffnen, Fleisch und Flüssigkeit entnehmen und in eine tiefe Pfanne geben, zusammen mit einer fein geschnittenen Schalotte und zwei Kelchen Champagner erhitzen, das Muschelfleisch warmstellen. In meinem Kochbuch steht es so, wir nehmen heute aber einen aromatischen Weißwein, zum Beispiel einen Traminer aus dem Rheingau. Den Fond jedenfalls um ein Drittel reduzieren, ein Glas frischen Rahm und 50 g cremig geschlagene Butter beigeben. Mit Zitronensaft und frischen, fein gewiegten Zwiebeln aromatisieren. Die Sauce darf nicht kochen! Nun die Austern jeweils auf ein gewaschenes und abgetrocknetes Endivienblatt setzen, fünf davon sternenförmig auf jedem Teller anrichten und mit der warmen Sauce benetzen. Das ist eine Lieblingsvorspeise von Gropius, der in uns ein Beispiel sieht für den Künstler-Handwerker. Martin hingegen hasst das Gericht und kann nicht umhin, beim Servieren vor sich hin zu murmeln: Austern, ruft ihr, und Fasanen her! Fresst nur: Für Euch, Bürger, gibts kein Morgen mehr.

Die rote Köchin

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