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6. April 2006 Donnerstag

Tag 12

In aller Frische und voller Energie fahre ich wie gewohnt früh ab. Der Wind ist etwas abgeflacht und hat seine Richtung geändert. Nun kommt er meist von hinten und schiebt mich nach vorn. Das ist toll, denn es kommt selten vor, dass der Wind beim Radeln mithilft. Zumindest hat man das Gefühl, dass es so ist. Wie auch immer, ich nutze die Gunst der Stunde und fahre wie von einer Tarantel gestochen auf der autobahnähnlichen Staatsstraße SS1 gen Norden. Sie trägt den Namen Aurelia nach ihrem Erbauer Aurelius. Zur Römerzeit ist sie europaweit die erste befestigte Straße gewesen. Sie führt entlang der Küste durch die Regionen Latium, Toskana, Ligurien und durch Südfrankreich bis nach Arles. Das ist für die nächsten Tage meine Fahrtstrecke.

Der Himmel ist bewölkt und die Luft bleibt unter zwanzig Grad angenehm kühl. Also beste Voraussetzungen, um zügig vorwärts zu kommen. Mein Kilometerzähler läuft wie geschmiert durch Grosseto, Castiglione della Pescaia bis nach Follonica. Hier suche ich zuerst nach einem Übernachtungsplatz. Eine Pineta in Stadtnähe bietet sich hierfür an. Ich baue das Zelt jedoch nicht gleich auf, da ich vorher noch etwas Warmes essen möchte. In einer Tavola calda kann ich günstig meinen Magen zufriedenstellen. Die Angestellten dort sind Rumänen. Einer von ihnen erläutert mir in gebrochenem Italienisch die verschiedenen Akzeptanz- und Anpassungsprobleme, mit denen sie als Ausländer täglich zu kämpfen haben. Auch wir Süditaliener waren und sind eigentlich immer noch ein Emigrantenvolk. Ich habe das, was er aufzählt, vor einigen Jahrzehnten schon selbst erlebt. Als ich damals Anfang der 70-er Jahre aus meiner Heimat nach Deutschland in die Grundschule kam, waren italienische Gastarbeiter (So wurden die Emigranten zu dieser Zeit genannt.) noch nicht so stark vertreten wie heute. Für die Einheimischen waren wir Leute, die anders waren – man kannte uns und unsere Kultur damals kaum. Auch wir hatten es schwer, selbst wenn man sich das heute gar nicht mehr vorstellen kann. Ich weiß, wovon er redet und kann ihn gut verstehen. Alles, was ich tun kann, ist, ihm von meinen eigenen Erfahrungen zu erzählen und zur Geduld zu raten.

Danach baue ich an einer abgeschiedenen Stelle mein Nachtlager auf. Mir gehen immer noch Gedanken an früher vor fast vierzig Jahren durch den Kopf. Alles wiederholt sich, denke ich - nur an einem anderen Ort, in einer anderen Zeit. Was ist von damals geblieben und was ist heute anders? Was ist neu?

Gegen 22.00 Uhr begebe ich mich in das Land der Träume – und auch mit diesem Tag kann ich zufrieden sein.

„Alle Revolutionen haben bisher nur eines bewiesen, nämlich, dass sich vieles ändern lässt, bloß nicht die Menschen.

(Karl Marx)

Ich bin heute 122 km auf meinem Weg vorangekommen, gesamt sind es 1122 km.

Tour der Erkenntnis

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