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8. April 2006 Samstag

Tag 14

Um 8.00 Uhr bin ich bereit, meine Reise fortzusetzen. Die Sonne versteckt sich hinter den Wolken und es ist etwas frischer als gestern. Ich radle entlang des Flusses Arno, der mich direkt ins Zentrum von Pisa führen wird.

Ich habe kein GPS oder ähnliches, meinen Weg durch Europa finde ich lediglich Dank eines einfachen Autoatlas und meinem Bauchgefühl folgend. Zudem besitze ich zum Glück einen hervorragenden Orientierungssinn. Das Ganze natürlich untermauert durch meine langjährige Erfahrung als Fahrer im internationalen Fernverkehr. Als Fahrer eines Fahrrads folgt man selbstverständlich nicht den gleichen Verkehrsschildern - da man sonst auf der Autobahn landen würde - aber sie können sehr brauchbar sein, wenn man sie zumindest richtungsweisend betrachtet. Außerdem kann man als letzte Option auch die Einheimischen nach dem Weg fragen – auch als Mann.

Fast ohne es zu merken, gelange ich in die sehr schöne Innenstadt mit den tollen farbenfrohen und aufwendig verzierten Palazzi (Gebäuden). Auf der Piazza dei cavalieri befinden sich mehrere Marktverkaufsstände. Es ist Wochenmarkt, aber der Platz ist noch nicht zu sehr mit Menschen überfüllt. Die Stimmung ist sehr gelassen. Es ist so leise, dass man sogar die Schwalben zwitschern hören kann. Ab und zu schreit ein Verkäufer, der für seine Ware wirbt. Einer von ihnen, ein älterer Herr, wünscht mir unvermittelt und lautstark eine gute Reise, so dass viele Leute auf mich aufmerksam werden. Dann unterhalten sich einige mit mir. Sie wollen erfahren, wohin mein Weg führt und weshalb ich unterwegs bin, wo ich übernachte, wie ich die Reise finanziere oder ob sie gesponsert wird. Eine Obstverkäuferin schenkt mir etwas von ihrem Obst und jemand macht andauernd Fotos vom Geschehen. Das war ein angenehmer Zwischenstopp, der mich noch mehr motiviert und der mir guttat. Durch ein paar Gassen komme ich anschließend zum Campanile, besser bekannt als der Schiefe Turm von Pisa. Hier tummeln sich jetzt schon hunderte, vielleicht auch tausende, knipshungrige Touristen aus aller Herren Länder. Ich bin kein Freund großer Menschenansammlungen, mir fehlt hier irgendwie die Luft, weshalb ich es vorziehe, weiterzufahren. Mein Weg führt nun durch große Badeorte, Hafenstädte und bekannte Marmorabbaugebiete der Versilia wie Viareggio, Forte dei marmi, Massa Carrara, Ameglia und Sarzana. Die Strecke ist eben, verkehrsreich, laut - aber auch interessant. Gegen 15.30 Uhr erreiche ich die Hafenstadt La Spezia. Am Stadtrand erwartet mich mein Onkel Mimmo. Er ist Rentner und lebt hier mit seiner Familie schon seit vielen Jahrzehnten. Er hat in dieser Stadt eine lange Zeit dem italienischen Staat als Carabiniere gedient. Nun freuen wir uns, uns nach vielen Jahren wiederzusehen. Wir haben heute früh miteinander telefoniert und ein Treffen vereinbart. Ich werde heute bei ihm und meiner Tante Carla übernachten. Ich freue mich auf die Kochkünste meiner Tante, die keine Wünsche übriglassen. Mein Onkel und ich werden heute Abend ihre Leckereien bis zum Geht-nicht-mehr genießen. Doch davor halten wir bei der regionalen Tageszeitung „La Nazione“ an, da mein Onkel meint, dass mein „Fall“ einen Artikel wert ist. Tatsächlich zeigt sich der Redakteur dort an meiner Erzählung interessiert. Er arrangiert kurzerhand ein Interview und meint dann, dass der Artikel morgen früh erscheinen wird. Zu Hause angekommen – und nach der mittlerweile kostbaren Dusche – verbringen wir gemeinsam den Abend mit erzählen, essen, lachen und sich-gutgehenlassen. Für alle Beteiligten ist es eine willkommene Abwechslung, die mir seelisch und körperlich auch noch guttut. Irgendwann spät abends darf ich sanft meinen malträtierten Körper auf das weiche Bett meines Cousins legen, der leider für einige Tage auf Reisen ist und heute nicht hier sein konnte.

„Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.“

(Augustinus Aurelius)

Heute 87 km, gesamt 1301 km.

Tour der Erkenntnis

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