Читать книгу Tour der Erkenntnis - Antonio De Matteis - Страница 29
Оглавление15. April 2006 Samstag
Tag 21
Ich wache früh auf und beginne sofort mit der Vorbereitung des Frühstücks. Das erste dieser Reise. Ich fülle etwas Wasser in den kleinen Aluminiumtopf ein und stelle ihn vorsichtig auf die Flamme des Gaskochers. In den Becher kommt etwas Zucker und löslicher Kaffee herein. Anschließend bestreiche ich mein erstes Brötchen mit dem kalorienreichen Nussnougat. Das alles ist nicht außergewöhnlich, werdet ihr euch sagen. Aber hier, jetzt und für mich, der seit zwanzig Tage nur selten ein Frühstück zu sich genommen hat, ist es was ganz Besonderes. Glaubt mir! Endlich kann ich gleich nach dem Aufwachen einen heißen Kaffee genießen, ohne zwei oder gar drei Stunden darauf warten zu müssen, bis ich was gefunden habe. Das ist quasi das Frühstück am Bett - und das lasse ich mir schmecken. Auf diese Weise beginnt der Tag ganz anders.
Erholt und gut gestärkt fahre ich über einen Pass in Richtung La Ciotat. Nachdem es nur kurz runter geht, überwinde ich einen zweiten Hügel. Die Auffahrt ist circa 15 km lang. Das ist richtig anstrengend, aber die wundervolle Aussicht hier oben ist unbezahlbar und lässt mich die Strapazen sofort vergessen. Nach einer entspannten Verschnaufpause trete ich die wohlverdiente Fahrt über das lange Gefälle bis nach Roquefort la Bedoule an. Ich staune nicht schlecht, als ich die Stadt wieder verlasse. Eine dritte Steigung ist zu bewältigen und irgendwie habe ich das Gefühl, dass diese immer länger wird. In Gedanken und die Zähne zusammenbeißend wiederhole ich mir immer wieder: „Was dich nicht umbringt, das macht dich stark“.
Irgendwann aber befahre ich zum Glück auch mal ebenes Terrain auf einem Radweg mehr oder weniger parallel zur Hauptstraße. Es geht durch bewohntes Gebiet, sowie durch Parks und kleinere Wälder bis zu den Vororten von Marseilles. „Super!“ Denke ich schon siegessicher. „Das Schlimmste ist für den heutigen Tag überstanden!“ Allerdings hatte ich mir die Durchquerung der südfranzösischen Hafenstadt nicht so schwierig vorgestellt. Ohne einen Fetzen von einer Stadtkarte (Damals gab es kein Smartphone.) ist es schier unmöglich, den richtigen Weg durch das urbane Labyrinth zu finden. Wie anfangs in Italien schon erwähnt, sind die Verkehrsschilder meist für größeren Hubraum gedacht, als für den meines Fahrrads, und hier ist es auch nicht anders als in Italien.
Rechts oder links, geradeaus oder nicht, an einem bestimmten Ich-weiß-nicht-mehr-wo-ich-bin-Punkt, verliere ich den roten Faden der Orientierung. Da ich ein Mann bin, frage ich auch nicht gleich jemanden nach dem Weg! Mein Instinkt aber sagt mir, dass die eingeschlagene Richtung nicht stimmen kann. Mein Schlaumeier-Bauchgefühl hat sich ganz aus der Affäre gezogen und nun bin ich gezwungen, diesen Knoten allein mit meinem Verstand zu lösen. Das kann heiter werden! Ich bin in ein Ghetto geraten, in ein sehr unsicheres Gebiet! Selbst nur anzuhalten kann gefährlich werden, geschweige denn, einen von diesen dunklen Gestalten nach dem Weg zu fragen. Es ist so, als steckte ich im Treibsand. Je mehr ich versuche rauszukommen, desto tiefer zieht es mich runter. Absolute Priorität ist jetzt, hier rauszufinden, ohne aufzufallen. Also improvisiere ich eine erbärmliche Strategie. Ich verstelle mich und benehme mich so, als sei ich von hier. Ich halte kurz an einer Bushaltestelle an, um vorzutäuschen, als wolle ich nur den Fahrplan studieren. So hoffe ich, etwas an Zeit zu gewinnen, um nachzudenken. Just in dem Moment, entdecke ich einen Umgebungsplan, der an jeder Haltestelle zu finden ist. Was für ein Glück! Warum bin ich nicht selber draufgekommen? Nur gut, dass es den Herrn Zufall gibt, der mir die Lösung des Problems vor die Augen führt! Nach mehreren Bushaltestellenbesuchen und einigen intensiven Plan-Studien finde ich endlich den richtigen Weg, der mich aus dem Sumpf der Metropole herausholt. Nächste Zielrichtung ist jetzt Chateaneuf, ich strample nur noch über den kleinen Pass von La Rove und dann habe ich einen weiten Blick auf die Ebene der Camargue. Vor mir liegt die Stadt Marignane am Etang de Berre.
Es tröpfelt ein wenig, deshalb beeile ich mich. Ich möchte heute auf einem Campingplatz übernachten, um meine Klamotten zu waschen. Eine anständige Körperpflege ist auch nötig! Einige Kilometer weiter treffe ich auf einen kleinen familienbetriebenen Platz, die Leute sind nett und der Anlage fehlt es an nichts. Während ich meine Wäsche zum Trocknen aufhänge, treffe ich auf Michael aus Deutschland. Er berichtet mir, dass er zum ersten Mal in seinem Leben zeltet. Ich merke ihm gleich an, dass es ihm an Erfahrung fehlt, wie man das Zelt aufbaut und biete ihm deshalb meine Hilfe an. „Ich bin spontan mit meinem Motorrad in Richtung Toskana losgefahren. Meine Arbeit als Schuldirektor ist sehr stressig, deshalb brauche ich etwas Entspannung. Diese Reise ist schon immer mein Traum gewesen.“ erzählt er mir. Nach dem Aufbau lässt er mich mit seiner Maschine als Dankeschön eine Runde drehen.
„Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.“
(Jean-Jacques Rousseau)
Heute bin ich 83 km weit gekommen, gesamt 1898 km.
Abb.5 - Tierische Begegnung in der Camargue.