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11. April 2006 Dienstag

Tag 17

Es ist 9.00 Uhr, als ich den Campingplatz frisch und etwas erholt verlasse. Ich biege links auf die Staatsstraße ab – wie gehabt entlang der Küste. Kaum einen halben Kilometer weiter knalle ich mit meinem Fahrrad nahezu ungebremst gegen eine plötzlich aufgerissene Autotür. Das Fahrzeug ist auf der rechten Straßenseite geparkt und der Fahrer hatte die Tür schlagartig in dem Moment geöffnet, als ich vorbeikam, so dass ein Zusammenstoß unausweichlich war. Ich falle auf den Asphalt und nach einer Kapriole bleibe ich mitten auf der rechten Fahrbahn liegen. Etwas benebelt versuche ich zu verstehen, was gerade mit mir passiert ist. Ich möchte wieder auf die Beine kommen, wobei mir der Mann, der den Unfall verursacht hat, hilft. Mein Rad liegt seitlich am Boden und die Seitentaschen haben sich ausgehängt. Der Mann entschuldigt sich unaufhörlich. Er habe nicht in den Rückspiegel geschaut und mich deshalb nicht kommen sehen und das tue ihm leid, erklärt er mir. Es ist verkehrstechnisch ruhig – das war mein Glück. Hinter mir befand sich kein Fahrzeug und es kam mir auch keins entgegen. Glück im Unglück denke ich, während ich nachschaue, ob noch alle Körperteile unversehrt geblieben sind. Außer ein paar leichten Prellungen und Schürfwunden ist auf den ersten Blick alles in Ordnung. Na Gott sei Dank! Nun schaue ich nach meinem Drahtesel. Akkurat teste ich alle wichtigen Funktionen, hänge die Taschen wieder ein - und es scheint tatsächlich alles unbeschadet zu sein. Wir sind also beide hart im Nehmen. Das wird von zwei Abenteurern erwartet. Also kann es weitergehen und auch der Mann ist über den Ausgang sichtlich erleichtert.

Heute habe ich mit etwas Gegenwind zu kämpfen und die Temperatur ist ein paar Grad frischer als gestern. Meine heutige Strecke geht zum größten Teil auf einem Fahrradweg entlang, der sehr schön am Ufer der italienischen Riviera verläuft. Die Trasse ist eine ehemalige Bahnstrecke, die nun auf fast 100 km Länge für Fußgänger und Radfahrer ausgebaut wurde und sehr gut ausgestattet ist. Sie ist sicher und hat nur minimale Steigungen. Es sind auch viele beleuchtete Tunnel vorhanden. So durchfahre ich die Ortschaften Spotorno, Finale Ligure, Albenga, Alassio, Diano Marina und Imperia.

Am frühen Nachmittag treffe ich auf einen spanischen Pilger. Ich erfahre von ihm, dass er zu Fuß aus Castillon della Plana kommt und nach Rom zum Vatikan will. Den Grund für seine Reise verrät er mir nicht. Das ist auch sein gutes Recht. Er heißt Ignazio und es scheint ihm gut zu gehen. Zudem sieht er ziemlich glücklich und zufrieden aus. Das Einzige, was an ihm etwas merkwürdig erscheint, ist der Trolly. Er zieht ihn hinter sich her, als ob er die Reise nicht geplant hat, sondern spontan aufgebrochen ist. Jedenfalls wünschen wir uns gegenseitig Glück und gute Reise.

Ein abgeschiedenes Nachtlager finde ich dann in Santo Stefano, einem kleinen, niedlichen Ort. Neben einem Gewächshaus auf der Wiese im hohen Gras baue ich mein Zelt auf, im Beisammensein mit etwa eineinhalb Millionen blutdürstigen kleinen fiesen Mücken – meinen ständigen Begleitern, meiner Fangemeinde. Ich schlüpfe ins Zeltinnere und, nachdem ich die, die sich mit mir eingeschmuggelt haben, rausgeworfen habe, esse ich eine Kleinigkeit zu Abend und schreibe anschließend die Eindrücke des Tages in mein Tagebuch.

„Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.

(Georg Christoph Lichtenberg)

Heute 90 km, gesamt 1549 km.

Tour der Erkenntnis

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