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I. Die sachliche Zuständigkeit in der ersten Instanz

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Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das GVG bestimmt, § 1 StPO. Dort wird festgelegt, auf welcher Stufe die Sache in der ersten Instanz beginnt: ob beim AG, LG oder OLG. Der BGH wird nie in erster Instanz tätig, sondern nur im Revisionsverfahren.

1. Das Amtsgericht

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Das AG ist nach § 24 Abs. 1 GVG zuständig

- wenn nicht die zwingende Zuständigkeit des LG oder OLG begründet ist (Nr. 1),
- nicht eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in Sicherungsverwahrung zu erwarten ist (Nr. 2), und
- nicht die StA wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen (v.a. aufgrund besonderer Belastungen, die mutmaßlich mit ihrer Vernehmung verbunden sein werden, vgl. Abs. 1 S. 2), oder wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung Anklage beim LG erhebt (Nr. 3). Fall 9: Bauunternehmer B ist der Bestechung in einem besonders schweren Fall nach §§ 334, 335 StGB hinreichend verdächtig. Der Fall hat dabei große Aufmerksamkeit in den Medien und der Öffentlichkeit erfahren. Obwohl keine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten ist, entschließt sich die StA deshalb, Anklage beim LG zu erheben. B hält dies für nicht zulässig: Die Bestimmung des gesetzlichen Richters dürfe sich nicht nach der „Sensationslust“ der Öffentlichkeit richten. Lösung: Nach h.M. verstößt die bewegliche Zuständigkeitsregelung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG nicht gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (BVerfGE 9, 223). Die StA verfügt hier über keinen Ermessensspielraum. Vielmehr ist sie bei Vorliegen eines besonderen Umfangs bzw. einer besonderen Bedeutung des Falls verpflichtet, Anklage beim LG zu erheben. Dabei ist die Entscheidung der StA gerichtlich voll überprüfbar und kann ggf. nach § 209 StPO korrigiert werden. Ein besonderer Umfang bzw. eine besondere Bedeutung kommt einem Fall zu, wenn er sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen aus der Masse der durchschnittlichen Strafsachen nach oben abhebt. Als Kriterien gelten hierbei: - das Ausmaß der Rechtsverletzung und die Auswirkungen der Straftat, - der Umfang und die Schwierigkeit der zu erwartenden Beweisaufnahme, - das Bedürfnis nach Klärung einer Grundsatzfrage durch den BGH, - das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit (vgl. BGHSt 44, 34, 36 f.). Angesichts des öffentlichen Interesses hat die StA im vorliegenden Fall daher zutreffend Anklage beim LG erhoben.

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Spruchkörper des AG sind der Strafrichter als Einzelrichter und das Schöffengericht, das aus einem Berufsrichter und zwei Schöffen (ehrenamtliche Richter, § 31 GVG) besteht, § 29 Abs. 1 GVG (bei besonders umfangreichen Sachen kann auf Antrag der StA ein zweiter Berufsrichter zugezogen werden, sog. erweitertes Schöffengericht, § 29 Abs. 2 GVG).

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Strafrichter: Der Strafrichter ist zuständig bei Vergehen, § 25 GVG - wenn sie im Wege der Privatklage verfolgt werden (Nr. 1), oder - wenn eine höhere Strafe als zwei Jahre Freiheitsstrafe nicht zu erwarten ist (Nr. 2). Fall 10: Gegen den Angeklagten A wird das Hauptverfahren vor dem Strafrichter eröffnet. Der Strafrichter hält nach Durchführung der Beweisaufnahme eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für tat- und schuldangemessen. Lösung: Stellt sich im Einzelfall die Straferwartung als falsch heraus, reicht die Strafgewalt des Einzelrichters bis zu Vierjahren Freiheitsstrafe, § 24 Abs. 2 GVG. Eine Verweisung an das Schöffengericht gem. § 270 StPO ist hier weder geboten noch zulässig (KK-Barthe, § 25 GVG Rn. 7).

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Schöffengericht: Das Schöffengericht urteilt über die Fälle der mittleren Kriminalität. Es ist zur Entscheidung aller in den Kompetenzbereich des AGs fallenden Strafsachen berufen, für die nicht der Strafrichter zuständig ist, § 28 GVG.

2. Das Landgericht

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Das LG ist zuständig

- für die in § 74 Abs. 2 GVG ausdrücklich aufgeführten Verbrechen sowie
- für alle weiteren Verbrechen und Vergehen, die nicht in den Zuständigkeitsbereich des AG oder des OLG fallen, § 74 Abs. 1 GVG.

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Spruchkörper des LG ist die Strafkammer, § 60 GVG. Besetzt ist die Strafkammer in der ersten Instanz mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen – sog. große Strafkammer, § 76 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. GVG. Erscheint die Mitwirkung von drei Berufsrichtern nach Umfang oder Schwierigkeit der Sache nicht notwendig, beschließt die Kammer, in der Hauptverhandlung nur mit zwei Berufsrichtern zu tagen, § 76 Abs. 2 S. 3 Nr. 3, S. 4 GVG. Bleibt im Einzelfall zweifelhaft, welche Gerichtsbesetzung für die sachgerechte Verfahrensbehandlung geboten ist, gebührt der Dreierbesetzung wegen ihrer strukturellen Überlegenheit – sachgerechtere Aufteilung der Aufgaben, intensivere Würdigung des Tatsachenstoffes, bessere Bewältigung schwieriger Rechtsfragen – der Vorrang (BGH NJW 2010, 3045). Dauert die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage oder ist die große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer zuständig, darf von der Mitwirkung des dritten Berufsrichters in der Regel nicht abgesehen werden, § 76 Abs. 3 GVG. Eine begonnene Hauptverhandlung ist – abgesehen vom Ausnahmefall des § 76 Abs. 5 GVG – grds. in der einmal beschlossenen Besetzung zu Ende zu führen (BGH NStZ 2013, 181).

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Neben der allgemeinen Strafkammer gibt es noch besondere Strafkammern, die sich allerdings in Besetzung und Kompetenz nicht von jener unterscheiden. Zuständig sind:

- für die Kapitaldelikte des § 74 Abs. 2 GVG die große Strafkammer (zwingend mit drei Berufsrichtern, § 76 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 GVG) als Schwurgericht,
- für Wirtschaftsstrafsachen i. S. d. § 74c Abs. 1 GVG die Wirtschaftsstrafkammer, und
- für die Staatsschutzdelikte des § 74a GVG bei den Landgerichten, in deren Bezirk ein OLG seinen Sitz hat, die Staatsschutzkammer für den gesamten OLG-Bezirk. Sie entscheidet gem. § 100e Abs. 2 S. 1 StPO auch über die Online-Durchsuchung nach § 100b StPO und den „großen Lauschangriff“ nach § 100c StPO.
- Ferner kann eine Jugendschutzkammer gebildet werden, § 74b GVG. Fall 11: Die StA möchte den A wegen Totschlags anklagen. Im Rahmen der Ermittlungen hat sich zudem ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich einer – mit dem Tötungsdelikt in keinem Zusammenhang stehenden – einfachen Nötigung ergeben. Lösung: Für den Totschlag ist die Zuständigkeit des Schwurgerichts beim LG gegeben, § 74 Abs. 2 Nr. 5 GVG; für die Nötigung wäre hingegen an sich (wohl) der Strafrichter beim AG zuständig, § 25 Nr. 2 GVG. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 StPO können allerdings zusammenhängende Straftaten, die einzeln zur Zuständigkeit von Gerichten verschiedener Ordnung gehören würden, verbunden beim Gericht mit der höheren Zuständigkeit anhängig gemacht werden. Ein solcher Zusammenhang besteht u.a., wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird, § 3 StPO. Die StA kann somit hier sowohl den Totschlag als auch die Nötigung beim LG anklagen.

3. Das Oberlandesgericht

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Das OLG ist zuständig für die in § 120 Abs. 1 GVG genannten Staatsschutzdelikte, des Weiteren für die in § 120 Abs. 2 GVG aufgeführten Straftaten, sofern der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt, und gem. § 120b GVG bei Bestechung/Bestechlichkeit von Mandatsträgern.

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Spruchkörper des OLG ist der Strafsenat, § 116 GVG. Er entscheidet über die Eröffnung des Hauptverfahrens mit fünf Berufsrichtern. Bei Eröffnung beschließt er, dass er in der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern besetzt ist, sofern nicht nach Umfang und Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung zweier weiterer Richter erforderlich erscheint, § 122 Abs. 2 GVG.

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