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Die ersten Meter sind überwunden und Kylian weiß nicht, was er mit Alexa unternehmen soll. New York ist riesig, Ausflugsziele gibt es ohne Ende und sie hat kein Bestimmtes angegeben. Ihm reicht es aber völlig aus, nur in ihrer Nähe zu sein, denn noch nie hat er sich zu jemanden so hingezogen gefühlt. Das diese Freundschaft auf einen Mehrfachmord aufbaut, interessiert gerade nicht.

»Hast du irgendwelche besonderen Wünsche?« Versucht er es erneut aber Alexa ist nicht bei der Sache, total verträumt schaut sie durch die Gegend und nimmt alles in sich auf. Kylian kann ihr Verhalten natürlich nicht nachvollziehen.

»Alexa?« Fragt er ein weiteres Mal und hofft, ihre Aufmerksamkeit dadurch zu gewinnen.

»Was hast du gesagt?« Kommt endlich von ihr, sie ist aber immer noch nicht bei ihm angekommen.

»Was möchtest du dir gerne anschauen?«

»Ach Kylian, das ist mir völlig egal. Einfach nur durch die Straßen laufen, das würde mir schon ausreichen, Hauptsache wir sind dabei zusammen.«

Damit kann Kylian leider nichts anfangen, daher bleibt er stehen und schaut sie eindringlich an. Natürlich freut er sich über ihre Aussage, das »Hauptsache wir« hat sie sehr lieb gesagt.

»Die Stadt hat aber viel mehr zu bieten und diese schäbigen Straßen sind nichts für dich.«

»Das habe ich gelesen Kylian. Dann schlag doch etwas vor, ich passe mich einfach an.«

»Gelesen?«, wundert sich Kylian. »Warst du noch nie in New York?«

Alexa bleibt für ihn ein Rätsel, egal was er auch fragt, sie weicht immer geschickt aus.

»Doch ich war schon einmal hier, das ist aber lange her. Hör mal Kylian, können wir nicht einfach unsere Zeit genießen? Ich mag keine Fragen und ich kann dir auch nicht wirklich etwas sagen. Es tut mir leid, aber du musst mir vertrauen.«

Man sieht ihm sofort an, dass er das nicht provozieren wollte. Natürlich möchte er alles über die junge Frau Erfahren, aber nicht zu jedem Preis. Er kann es immer noch nicht verstehen, warum sie überhaupt wiedergekommen ist. Sie ist eine Ausgestoßene, er dürfte gar nicht mit ihr zusammen sein, aber er möchte sich gerade nicht woanders sehen. Gestern Abend war sie noch die starke Frau. Gefährlich, wie sie selber gesagt hatte, aber heute ist alles anders. Sie ist geschminkt und sie ist fröhlich. Wenn er nicht aufpasst, verliebt er sich noch in sie, wenn das nicht schon passiert ist.

»Es tut mir leid Alexa, das wollte ich nicht. Lass uns am besten einfach weiter gehen.«

Ein Lächeln überkommt das Mädchen und zwar ein so intensives, das es sein Herz erwärmt und durch die Gegend springen lässt. Sogar seine Knie werden weich. Er versucht das aber zu verstecken, sie darf das auf keinen Fall mit bekommen.

»Wie wäre es mit der Freiheitsstatue?« Fragt sie frei heraus. Seine Gedanken enden auf der Stelle und er konzentriert sich wieder auf die Gegenwart.

»Die Freiheitsstatue meinst du? Das halte ich für keine gute Idee, denn da stehen wir ewig an. Das wird den ganzen Tag verschlingen und ich weiß auch nicht, wie lange du bleiben kannst.«

Das Lächeln bei Alexa ist nicht verschwunden, es sieht fast so aus, als ob es verwachsen ist. Ihre Augen, mal wieder in brauner Farbe leuchten ihm entgegen.

»Ich kann bis heute Abend, also haben wir mehr als genug Zeit. Dann lassen wir das mit der Statue, aber du hast doch sicher auch noch Ideen.«

Diese Frau überfordert ihn und dieser wahnsinnige Blick ist bemerkenswert. Er verspürt gerade einen Riesen Drang, sie einfach zu küssen. Das wagt er aber nicht, schnell lenkt er seine Gedanken zurück auf die Stadt und hat einen Einfall.

»Wie wäre es, wenn wir über die Brooklyn Bridge nach Manhattan laufen? Dort angekommen fahren wir einfach mit der U-Bahn weiter und halten beim Empire State Building. Und dort zeige ich dir dann die Stadt von oben.«

Der verdutzte Blick von Alexa zeigt sofort, das sie nur die Hälfte verstanden hat.

»Okay«, sagt sie trotzdem und ihr heiterer Ausdruck kommt zurück.

»Es sind aber noch ein paar Blocks bis zur Brücke, bist du sicher, das du das schaffst?«

Die Frage war natürlich lächerlich. Alexa ist die Sportlichkeit in Person, alleine durch ihre Fähigkeiten könnte sie den Weg in ein paar Sekunden überbrücken.

»Ich könnte dich auch einfach tragen und wir würden nur ein paar Sekunden brauchen, aber das würde sicher komisch aussehen.«

Darauf findet Kylian keine Antwort und er versucht es einfach mit einem Lachen. Er ist sich den Eigenschaften der Ausgestoßenen bewusst. Den gestrigen Abend hat er damit verbracht, nach Antworten zu suchen und das Internet hat ihm alles verraten, was man über diese Andersartigen wissen muss.

Also nimmt er ihre Hand und zieht sie leicht nach vorne. Was erst als Geste für ein Weiterkommen gemeint ist, entwickelt sich schnell zu einer festen Verbindung. Der Kontakt bleibt erhalten und ihr Griff verstärkt sich sogar noch. In dieser Konstellation kommen sie wie ein verliebtes Pärchen bei der Brücke an und niemand wird die wahre Gestalt von Alexa erkennen. Solange sie natürlich selber aufpasst und sich nicht durch einen Fehler verrät.

Der Weg über die Brücke verläuft ohne einen Zwischenfall und der East River hat es Alexa ehrlich angetan. So viele kleine und große Schiffe, die unter ihnen hindurchfahren, erfreuen sie wie ein kleines Kind. Aber wie das Leben so spielt, geht auch dieser Ausflug zu Ende, denn der Übergang ist nicht unendlich. Der nächste Weg führt sie zur U-Bahn Station, aber kurz vor dem Abstieg bleibt Alexa stehen und verändert ihren Ausdruck.

»Müssen wir wirklich dort herunter?« Fragt Alexa leise, aber Kylian hat es trotzdem verstanden.

»Das ist der schnellste Weg zum Ziel. Bist du noch nie mit der Bahn gefahren?«

»Nein bin ich nicht, aber mich zieht es wirklich nicht in den Untergrund. Das kannst du jetzt nicht verstehen Kylian, das ist eine längere Geschichte.«

Kylian bemerkt die Angst in ihrer Stimme, sie meint das wirklich Ernst. Sie möchte nicht mit der U-Bahn fahren. Also gibt es doch etwas, wovor dieses Mädchen Angst hat, auch wenn er daran nicht geglaubt hätte.

»Wir könnten auch den Bus nehmen, das dauert aber länger«, sagt er endlich und befreit das Mädchen aus ihrer misslichen Lage.

Sofort kommt ihre gute Laune zurück, denn die neue Idee findet einen großen Anklang. Sie nickt kurz und die beiden bewegen sich weiter. Zurück bleibt der dunkele Eingang in den Untergrund.

Mit dem Bus erreichen sie aber auch ihr Ziel und wieder ist Alexa von allem sehr angetan. Die großen Gebäude, der ganze Verkehr und natürlich die vielen Menschen, das ist richtig aufregend. Der Traum, den sie schon immer hatte, ist tatsächlich wahr geworden, nur darf sie dabei ihren Auftrag nicht vergessen.

Nach der Busfahrt führt Kylian seine Begleiterin direkt zum Empire State Building, einem alten großen Gebäude mit einer langen Geschichte. Es ist zwar nicht mehr das Höchste der Stadt, dafür eins der interessantesten. Der junge Mann möchte gerade anfangen, etwas über das Bauwerk zu erzählen, als Alexa ihn sanft unterbricht.

»Danke Kylian, aber ich kenne die Geschichten von New York. Du musst mir also nichts erzählen, finde das aber verdammt süß von dir.«

Die nächste Überraschung schlägt über Kylian ein und eine Antwort findet er darauf nicht. Er greift nach ihrer Hand und geht mit ihr zum Eingang. Dort bezahlt er mit seinem Geld den Eintritt und denkt keine Sekunde darüber nach, das er damit eigentlich etwas anderes kaufen wollte. Für diese Frau würde er sein letztes Hemd geben und heute ist ihm alles egal.

Nach einer kleinen Wartezeit fahren sie mit einem Aufzug nach oben und halten in der 86. Etage. Dort geht es hinaus auf eine Aussichtsplattform, von der die beiden ganz New York überblicken können. Für Kylian ist das nichts Neues, aber Alexa steht mit geöffneten Mund am Geländer und kann ihre Überraschung nicht verstecken. Der Anblick ist so bezaubernd, dass sie alles andere vergisst. Sie nimmt die Hand von Kylian, zieht in leicht zu sich herüber und küsst ihn einfach…

The Sixth Birthday

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