Читать книгу The Sixth Birthday - Arnd Frenzel - Страница 36
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Sie kann mit dem Lachen nicht aufhören und Alex und Kylian schauen sie betroffen an, aber jeder mit seinen eigenen Gedanken. Ihr vermeintlicher Bruder holt sich sein Glas zurück und trinkt es leer. Seine nächsten Schritte sind gewagt, aber gut überlegt. Mit einer Hand packt er sich in eines seiner Augen und holt eine Kontaktlinse heraus, danach ist das andere an der Reihe. Die junge Frau auf der Couch unterbricht ihren Anfall und wird nachdenklich still, dieser Typ hat tatsächlich lila Augen. Genau wie sie hatte er Kontaktlinsen getragen, nur seine waren blau. Mit einem leichten, dafür aber weiten Sprung landet Alex neben der Couch und hebt diese ohne Kraftaufwand an. Die beiden Gäste sitzen oben auf und halten sich fest.
Danach ist die Vorstellung zu Ende, Alex kippt sich ein weiteres Glas ein und steht lächelnd im Zimmer. Kylian hat seinen Schock als Erster überwunden und wendet sein Wort an ihn.
»Du bist ein Ausgestoßener?« Er kann seine Fassung kaum halten.
»So ist es, mein Junge, ich bin genau wie deine Freundin andersartig. Nur bin ich nicht wie sie aufgewachsen, daher nicht wirklich ein Ausgestoßener.«
»Das heißt aber, du jagst und tötest deine eigenen Leute?« Kylian ist mittlerweile aufgestanden und ballt seine Hände zu Fäusten.
»Was verstehst du unter eigene Leute? Tötet ihr nicht auch andere Menschen? Wo ist da der Unterschied?«
Endlich regt sich auch Alexa, aber sie kann es immer noch nicht begreifen. Einer ihrer Feinde ist wie sie, von gleicher Abstammung.
»Du kommst aus einem Labor?« Ihre Frage bezieht sich nicht direkt auf seine Herkunft, er hat sie aber verstanden.
»Natürlich, genau wie du hatte auch ich keine glückliche Kindheit. Mit 6 wurde ich von meinen Eltern getrennt und in einem Labor untersucht. Danach wurde ich ausgebildet und arbeite jetzt für das FOPE.«
Die Gäste haben ihre Plätze getauscht, Kylian befindet sich wieder auf der Couch und Alexa steht im Raum. Sie geht Alex sogar entgegen, ihren Mut hat sie nicht verloren, oder ist es die Neugierde, die sie jetzt lockt?
»Du kannst nicht mein Bruder sein, denn ich habe in der Schule aufgepasst. Es ist biologisch gar nicht möglich, also kannst du dir deine Lügen sparen.«
»Doch Alexa, ich bin dein Bruder und ich kenne die Geschichten. Jede Frau kann nur einen Andersartigen gebären, jedes weitere Kind ist ausnahmslos ein normales. Das ist auch der Grund, warum du allen entwischt bist. Niemand hat damit gerechnet, das unsere Mutter nach ihrer erneuten Schwangerschaft noch so ein Kind bekommt. Es hatte dich keiner auf dem Radar und als das alles aufflog, warst du schon verschwunden.«
»Ich kann dir das alles nicht glauben, du versuchst mich nur zu manipulieren.«
Für Alexa ist die Sache hier beendet, dieser Typ, der sogar für das FOPE arbeitet, entpuppt sich nicht nur als Andersartiger, sondern auch noch als Lügner. Es ist kein Fall bekannt, wo eine Frau mehr als einen von dieser Sorte geboren hat. Ein Blick zu Kylian signalisiert, das es an der Zeit ist, zu gehen, aber der rührt sich keinen Millimeter.
»Warte Alexa, ich habe Beweise für meine Worte.« Ihr sogenannter Bruder versucht wirklich alles, um sie hier zu halten. Nur Gewalt wendet er nicht an, aber fürs Erste bekommt er ihre Aufmerksamkeit zurück.
»Unsere Namen. Mich haben sie Alex genannt. Ich blieb aber verschollen, daher haben sie dich Alexa getauft. Unser Nachname lautet Manson, du heißt also Alexa Manson.«
Auch dieses überzeugt das Mädchen nicht im Geringsten und die Namensähnlichkeit könnte purer Zufall sein. Dieses Manson hört sich auch nicht real an, es ist nichts weiter als eine Täuschung, um sie zu locken.
Den abwertenden Blick von ihr hat Alex natürlich verstanden. Er grinst, geht zu einem Schrank, öffnet dort eine Schublade und kommt mit einem kleinen Umschlag zurück. Den Inhalt kippt er auf den Tisch, es handelt sich um ältere Fotos und Alexa schaut sie sich alle an. Auf den meisten befindet sich ein kleiner Junge mit schwarzen Haaren. Hin und wieder sind auch Erwachsene zu sehen, die sie aber nicht zuordnen kann. Alex kommt an ihre Seite und nimmt ihr die Bilder aus der Hand.
»Das bin ich, also der kleine Junge und das hier sind unsere Eltern. Schau sie dir genauer an, du musst dich doch erinnern. Mit sechs bist du gegangen, da sollte etwas hängen geblieben sein.«
Alexa kann sich aber nicht erinnern, weiterhin hört sie nur den Schrei ihrer Mutter und mehr ist in ihrem Gedächtnis nicht vorhanden. Der große Blonde, der nach eigener Aussage gefärbte Haare hat, lächelt weiter. Er hat noch etwas in der Hinterhand, aus seiner Jogginghose zaubert er ein weiteres Foto und reicht es zu Alexa herüber. Seine Augen sind durchgehend auf die Ausgestoßene gerichtet, als ob er jetzt etwas erwartet. Das Bild ist ein wenig neuer und in der Mitte befindet sich ein kleines Mädchen mit schwarzen Haaren. An beiden Seiten steht jeweils ein Erwachsener und es sind die gleichen wie auf den Fotos zuvor. Ein Mann und eine Frau, nur sind sie auf diesem älter und das Mädchen ist Alexa.
»Es tut mir leid Alexa, es war das einzige Foto, was ich finden konnte, aber vielleicht gab es auch nur dieses.«
Traurigkeit mischt sich unter seine Stimme, die Entschuldigung kam ehrlich herüber.
Die Augen von Alexa werden nass, sie schaut weiterhin auf das Foto und kann es nicht begreifen. Das sind wirklich ihre Eltern, denn das Kind ist zweifellos sie. Zu dem Schrei bildet sich langsam ein Gesicht und ihre Mutter kommt zum Vorschein. Dieser komische Typ spricht die Wahrheit, aber wie kann das alles sein?
»Das ist doch eine ganz krumme Geschichte.« Kylian hat sich gefangen und kommt auch näher. »Du versuchst Alexa doch nur auf deine Seite zu ziehen, aber was versprichst du dir davon?«
Trotz das der junge Mann ziemlich impulsiv herüber kommt, ändert sich an Alex seinem Verhalten nichts. Er wendet sich dem Jungen zu und versucht ihn zu beruhigen.
»Ich kann dir deine Zweifel nicht nehmen, aber sei bitte unbesorgt, ich will dir deine Freundin nicht nehmen. Sie ist meine Schwester und daran kann niemand etwas ändern.«
»STOP«, schreit Alexa und die beiden zucken zusammen. »Lass es gut sein Kylian, ich glaube ihm. Ich kann mich an alles erinnern. An meine Mutter, an meinen Vater, die Bilder sind echt.«
Ihr Bruder atmet hörbar aus, das war ein hartes Stück Arbeit. Er bittet die beiden, sich wieder zu setzen und fragt auch nach neuen Getränken. Ein wenig später gehen die Gespräche weiter.
»Alexa, eines sollte dir aber klar sein. Dich dürfte es normal nicht geben, du bist etwas Besonderes, ein Einzelfall.«
Sie fühlt sich aber nicht besonders und so etwas darf es auch nicht geben, alle sind gleich, niemand ist besser. Ihr Bruder, da ist sie sich nun sicher, hat komplett andere Ansichten vom Leben. Aber die entscheidende Frage bleibt weiterhin offen, was will er eigentlich von ihr? Es geht hier sicher nicht um eine Familienzusammenführung…