Читать книгу Die Geierkrieger - Arthur Krasilnikoff - Страница 12
Jetzt muss Kanta sich kurz selbst in die Geschichte einbringen
ОглавлениеDen ersten Menschen, die ich sah, nachdem ich ganz geworden war, wagte ich mich nicht zu nähern. Ich musste so weit von der Siedlung wegkommen, dass niemand, den ich eventuell um Hilfe bitten würde, auf die Idee kommen konnte, ich sei einer, der nicht überlebt haben dürfte. So weit musste ich wegkommen, dass niemand, den ich traf, von demselben Stamm sein konnte.
Ich konnte nicht wissen, ob sie Geierkrieger waren. Überhaupt weiß ein Kind nichts von dem, was es erst als Erwachsener wissen soll. Es gab niemanden, der mir davon erzählen konnte. Die, die mir davon hätten erzählen können, waren alle tot.
Doch wusste ich immerhin so viel, dass jemand gegen ein Gesetz verstoßen hatte und dass sie sterben mussten, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Und alle in ihrer Nähe müssen sterben, ungeachtet was sie getan haben oder nicht. Ob das so ist, damit niemand mehr übrig ist, der von den Morden erzählen kann. Oder ob die Menschen auch Verbrecher sind, ohne es zu wissen, Mitschuldige, das weiß ich nicht. Und ich war noch nicht alt genug, um mir darüber im Klaren zu sein, dass wir alle im Lager gegen ein Gesetz verstoßen hatten. Dass wir ein schlechter Stamm waren, der keine Daseinsberechtigung mehr hatte. Das weiß keiner.
Wie das passiert? Wie man versteht, dass der, der gegen ein Gesetz verstößt, das Kommen der Geierkrieger heraufbeschwört, das weiß ich nicht. Aber ich bin einer der wenigen, der überlebt und die Geierkrieger bei der Arbeit gesehen hat. Danach verschwinden sie, werden zu Dampf, zu Gras, zu Bäumen, als hätten sie nie existiert. Vielleicht sind es Geier, die einen kurzen Augenblick Menschengestalt annehmen und im nächsten Augenblick weg sind. Vielleicht sind sie im Nebel, entstehen wie Wassertropfen und verschwinden mit dem Nebel. Der einzige sichtbare Beweis für ihre Existenz sind die Menschen, die sie ermordet haben.
Lange Zeit ging ich umher und sah in ihre Gesichter. In die Gesichter der Alten, ob sie Geierfedern und Knochenpfeifen getragen haben könnten, aber ich konnte nichts sehen. Sie konnten sich verwandeln, die lächelnden Menschen und lieben Gesichter, die mich und euch ansahen und mochten, sie waren plötzlich Mörder, die so selten wie der Nebel waren.
Vielleicht hatten es die Schwarzen getan oder welche von uns, die sich so mit ihnen gemischt hatten, dass sie solche Gepflogenheiten zu uns brachten.
Vielleicht hatte es diese Gepflogenheit immer gegeben, und niemand hatte lange genug gelebt, um davon zu erzählen. Und wenn man überlebte wie ich, tat man, als sei nichts gewesen. Nie auch nur ein einziges Wort. Aber irgendwo lauerte eine Tat, die jeder von uns begehen konnte und die diese mordenden Krieger herbeirief. Allein das Zusammensein mit so einem Gesetzesbrecher, sein Kind oder mit ihm verwandt zu sein, konnte eines Tages, eines frühen Morgens, die Geierkrieger mit einer tödlichen Unerbittlichkeit in unsere Welt bringen.