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Der weiße Mann und sein Tanz Vom Hass auf Weiße und Schwarze

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Vielleicht sind bereits Tage vergangen, nun jedenfalls ist es Abend. Die Leute haben Tee getrunken, um warm zu werden, und einige haben Decken geholt, die sie sich um die steifen Schultern legen können. Eine Stimme erhebt sich in der Dämmerung, gereizt und heftig, aus Mutlosigkeit über einen Streit: »Ich hasse die Schwarzen.«

Die Worte fallen mitten in das übliche Gemurmel, das um das Feuer zu hören ist. Wo über alles und nichts geredet wird. Wo das Gesagte manchmal gehört werden soll und manchmal wie überflüssiges Gerede vorbeizieht.

Aber Abel hört es und protestiert. Zugegebenermaßen gibt es Schwarze, die man hassen kann, wenn man es unbedingt will, manche sind wirklich unleidlich. Mit uns ist es nicht anders. Von den Weißen könnte man das Gleiche sagen. Aber bestimmt gibt es auch einige gute. Er jedenfalls hat einen weißen Farmer gekannt.

»Er war schon ein komischer Kauz. Du hast ihn doch auch gekannt, Willie. Du bist doch mit seinem Sohn in die Schule gegangen, nicht wahr?«

»Ja«, sagte Willie. »Da war irgendwas mit der Familie!«

»Wer ist dieser Farmer? Ich kenne niemanden, der nicht versucht hat, so viel wie möglich aus uns herauszuholen, ohne etwas dafür zu bezahlen. Lass uns hören.«

Abel beginnt von seinem ersten Treffen mit ihm zu erzählen.

Ich war fast schon erwachsen. Ich kann mich erinnern, dass ich gerade meinen ersten Gämsbock geschossen hatte. Der Pfeil gehörte jedenfalls mir. Oh ja, der Gämsbock war alt und zäh. Wäre er nicht direkt in meinen Pfeil hineingetorkelt, wäre er bestimmt vor Altersschwäche umgefallen. Aber es war ein Gämsbock.

Wir hörten von ihm, als wir von der Jagd zurückkamen. Und waren sofort neugierig, wie er aussah.

Zu dem Zeitpunkt, als wir auftauchten, um ein wachsames Auge auf ihn zu haben, war nichts anderes zu sehen als die seltsame wehende Hütte. Wie Kinder es tun können, wenn sie etwas Neues, Fremdes sehen, beschlossen wir, zu bleiben und mit ausreichendem Abstand und gut versteckt zu sehen, ob wir etwas entdeckten, das wir noch nie zuvor erlebt hatten.

Also blieben wir.

Als der weiße Mann am Nachmittag aus seiner Stoffhütte auftauchte, kamen einige seltsame Laute mit ihm heraus. Nicht er machte die Laute, die traurig in unsere Ohren drangen.

Langsam begann der Mann zu tanzen. Ja, er verharrte fast ganz still in einigen sonderbaren vogelartigen Bewegungen. So stand er mehrere Minuten da. Er tanzte eigentümliche, erstarrte Figuren, als hinge er in der Bewegung fest und könnte sich nicht befreien. Auf dem Gesicht des Mannes lag ein seltsam verzückter Ausdruck. Als würde der Laut ihn an der Nase herumführen. Es spielte keine Rolle, wo er war. In der Bewegung. Ob er allein war oder in einem Raum an einem Ort mit vielen Menschen. Denn ab und zu schüttelte er den Kopf und sprach sehr schnell mit einigen, die dort waren, wo er war. Die nur er sehen konnte. In Wirklichkeit war er allein. Die Wirklichkeit. Zuerst war die Stoffhütte da, und nachdem sie ziemlich lange dagestanden hatte, kamen die seltsamen Laute und der weiße Mann heraus.

Als er sich einige Zeit wie ein Vogel zu der Musik bewegt hatte, veränderten die Musik und er die Geschwindigkeit. Er drehte sich, so schnell er konnte. Mit den Augen suchte er einen Gleichgesinnten, aber es war niemand da. Es wurde schlimmer und schlimmer. Der Sand flog um seine Füße, erhob sich wie eine kleine Wolke. Er lachte aus vollem Hals. Und der Tanz wurde wilder und schneller. Ganz plötzlich blieb er stehen, ganz aufrecht, dass man sehen konnte, wie groß er war.

Dann kam die Stille zurück.

Zuerst stand sie still wie er, und man hörte nichts. Dann kamen sie langsam zurück. Die Laute. Die dünne Rettungsleine des Liedes der Zikaden. Der gleitende Pfiff der Vögel, wenn sie vorbeischnellten. Oder die langen Töne anderer Vögel, die blau waren, wenn man genau hinsah. Der Mistkäfer brummte wieder davon auf der Suche nach Dreck.

Dann ging ihm die Luft aus, und er fiel in den Sand und lag da, als hätte er ein schnell wirkendes Gift genommen. Meine Augen sahen ihn, aber er wusste nicht, dass ich da war. Vielleicht hatte ich mich, was den weißen Mann betraf, geirrt, ich wusste nicht, weshalb er da war.

Später versuchte ich zu Hause am Feuer genauso zu tanzen wie er, was sehr schwer war, vor allem, da die Laute nicht da waren. Und als ich endlich umfiel, wie er, lachten alle anderen. Natürlich wusste ich, dass er etwas ganz anderes wollte, der weiße Mann.

Er kam zusammen mit vier Männern, ein paar Schwarze und ein paar Weiße. Sie hatten ein Ochsengespann vor dem Wagen, der seine Habseligkeiten transportierte. Später fand ich heraus, dass er Polizist sein sollte. Ich weiß nicht, was die anderen Weißen davon hielten, dass jemand kam, der sie im Zaum halten sollte.

Ich sah, wie sie den Wagen entluden. Zuerst die Maschine, die die seltsamen Laute machte, nach denen er tanzte. Wenn sie keine Laute spielen sollte, die er auf ein paar runden schwarzen Scheiben hatte, stand sie mit ihrem großen schwarzen Ohr da, als hörte sie alles. Zuerst glaubte ich, dass sie vielleicht auch unsere Musik spielen könnte, wenn sie ihr nur lange genug mit ihrem großen Ohr zugehört hatte. Aber das war falsch. Sie konnte nur die Laute spielen, die aus den schwarzen Scheiben kamen. Besonders diese eine Scheibe war es, die ihn ganz wild machen konnte.

Er ließ sich auf dem Hügel nieder, auf dem wir lange Zeit unsere Wintersiedlung neben dem Wasserloch aufgeschlagen hatten. Er wollte wohl auch gerne in der Nähe des Wassers sein.

Erst viel später konnte er einige Brocken unserer Sprache. Es war ein komisches Durcheinander, das er sprach. Viele Worte waren Afrikaans. Andere Englisch. Einige hatte er selbst erfunden. Und dann waren da die Worte, die aus unserer Sprache kamen. Wir sprachen auch all die ausländischen Brocken, die wir konnten. Auch die Bakgalagadi lieferten uns einige brauchbare Worte. Als Gegenleistung bekamen sie einige unserer Worte. Doch als er endlich unsere Sprache so weit gelernt hatte, dass er uns fragen konnte, ob er sich eine Frau nehmen durfte, fragte er nur zum Schein, denn er hatte sich schon längst ein Mädchen genommen. Obwohl in Wirklichkeit sie ihn gewählt hatte.

Oh, war sie nicht wunderschön. Sie bewegte sich anmutig wie der Wind. Kein Tier und kein Mensch bewegte sich wie sie. Sie gehen zu sehen war so, als ob man sie zu einer Musik tanzen sähe, die wir anderen nicht hören konnten. Sie gehörte zu den jungen Frauen unter uns, die sangen und tanzten, dass es sich herumsprach. Und Männer kamen von weit oben aus dem Norden, aus dem Kauxeivolk, um mit ihr zusammen zu tanzen. Es finden sich keine Worte, um sie zu beschreiben. Aber ich kann sie vor meinem inneren Auge sehen, wie sie damals zwischen uns umherging. Die jungen Männer bekamen einen steifen Nacken davon, sie anzusehen. Aber sie sah nicht zu uns hin, als sie erst entdeckt hatte, dass der lange weiße Trottel sie mochte. Sie würde uns nie ansehen, selbst wenn sie mit uns redete. Ich glaube, er verliebte sich in sie, weil sie ihn ansah. Von Anfang an hatte sie ihn gewollt, obwohl sie erst noch ein Kind war. Jetzt, als sie ihre Augen auf ihn richtete, war sie längst erwachsen. Damit kam er nicht zurecht.

Er musste ja leben wie wir. Auch wenn er zwischendurch Pakete bekam, von weit her. Er baute sich Häuser aus Baumstämmen, die wir ihm zu fällen halfen. Und dann kam das Vieh. Es war schwer, diesen Teil unseres Lebens zusammenzuhalten. Er wurde ein reicher Mann auf dem Land. Aber er sorgte für uns. Wir lernten Tee und Brot kennen. Der Tee war das Beste, und wir konnten an Tabak kommen, den wir vorher nicht gekannt hatten. Als Pfeife diente ihm ein seltsamer hohler Stock, in den er den Tabak stopfte. Er ähnelte unseren nicht. Er war ziemlich kurz und steckte immer fest in seinem Mund.

Er war anders als die Manfieldfamilie oder die Appeldoornfamilie. Sie bauten ihre Farmen oben auf dem Sandgesicht ohne Rücksicht darauf, dass schon Menschen vor ihnen dort waren. Sie machten sie zu ihren Sklaven. Das Volk war ja freundlich und fand sich mit vielem ab, doch wenn es zu hart wurde, gingen sie, wenn sie nicht vorher erschossen wurden. Man konnte ja immer jemand Neuen finden.

Willies Vater war auch einer von denen, die sich eine Frau aus unserem Volk nahmen. Damals war es üblich, dass die Weißen mit uns zusammenlebten und von uns das Überleben lernen mussten. Doch als sie plötzlich Geld für das Vieh bekamen, vergaßen einige der Farmer, wer ihnen geholfen hatte. So gesehen war es egal, ob es Buren oder Engländer waren.

Einige der Weißen glaubten nicht, dass wir Menschen waren, sie hielten uns für merkwürdige Tiere, die durch das Gras hüpften und wie Springböcke lebten. Andere meinten, wir wären wie Kinder, und es wäre am besten für uns, wenn wir solche blieben. Es kann sein, dass einige vorher gekommen waren, aber sie waren nicht anders. Wir merkten zu spät, dass sie unsere schlimmsten Feinde waren. Ich glaube, Leroux und Jonker kamen zuerst. Sie haben immer noch Schwierigkeiten zu verstehen, dass wir nur Menschen sind.

Sonst schufteten wir zusammen mit den weißen Farmern und lehrten sie, mit uns zu reden. Wir lehrten sie, hier zu leben. Wir teilten alles mit ihnen. Sie hatten nichts damals.

Es war wohl der Anfang vom Ende, dass wir sie lehrten, auf dem Sandgesicht zu leben. Zuerst die Schwarzen, dann die Weißen. Wir blieben bei unserem weißen Mann, und anfangs lachten wir, wenn er die Platte auflegte. Später konnte er sich so viel er wollte auf dem Boden wälzen, denn jetzt wussten wir, dass er so war.

Aber die Laute blieben seltsam.

Abel unterstreicht die Sätze mit dem Zeigefinger, der mit der Zeit krumm und schief geworden ist, weil er keinen Mittelfinger hat, an den er sich anlehnen kann.

Die Geierkrieger

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