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Von der Stadt Ghanzi

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Später erzählen Abel und Kanta von Ghanzi, der einzigen Stadt der Gegend. Es können viele Worte über die einzige große Stadt in der Kalahari gesagt werden.

Nachdem die Worte eine Zeit lang zwischen den beiden hin und her gegangen sind, beginnt Kanta zu erzählen. Willie, der in Ghanzi lebt, sagt nichts. Wirkt seltsam uninteressiert. Aber er ist auch der Jüngste.

Anfangs gab es eine Hauptstraße, die so breit war, dass eine Gruppe Viehtreiber eine ganze Kuhherde durch die Straße treiben konnte, ohne dass sie an Gebäude stießen.

Das Volk änderte sich, Läden tauchten auf.

Es gab Wholesale und Ghanzi Traders. Es gab den Hardware Store und das Oasis. Das Hotel Kalahari Arms. Es war die Stadt der Weißen, Ghanzi. Die Stadt der Buren.

Unser Volk blieb oben auf dem Hügel hinter dem Hotel, wie es das noch heute tut und wie es das tat, bevor die Weißen und die Schwarzen kamen.

Dort war Wasser.

Jetzt lebt es davon, was der Tag ihm gibt. Eine andere Gruppe lebte am Weg nach Xanagas. Nach und nach, als die Schwarzen hinzukamen, wuchsen sie zur größten Gruppe an.

Weiter den Weg hinunter liegen die Zollgebäude und das Wildlifehaus mit den großen Knochen im Vorgarten. Es könnten ebenso Knochen von Tieren sein, die sie uns geklaut haben. Gegenüber den Büros des Bezirksrats, die Sanitätsstation. Das ist der Ort der Schwarzen. Der Schwarzen, die die Macht haben.

Der Unterschied ist leicht zu erkennen. Die Häuser der Weißen sind gelb getüncht, da die blauen Augen diese Farbe besser ertragen. Die Häuser der Schwarzen sind weiß mit blauen Türen und Fenstern. Der Sockel ist schwarz angemalt. Es sind die Farben der Flagge von Botswana.

Auf der anderen Seite des Weges lungern Kabakae herum, der schwarze Stadtteil, in dem der Großteil der Stadtbevölkerung lebt. Da unten liegt auch der Fußballplatz. In der Mitte ist eine kleine Senke. Manchmal steht in der Regenzeit so viel Wasser auf dem Platz, dass man schwimmen können sollte, um in der Mannschaft zu spielen. Lag die Stadt der Weißen still da, dann sickerte es in den Stadtteilen der Schwarzen wie in einem Ameisenhaufen.

Unten am Flugplatz wohnen Leute von uns, die in den Geschäften arbeiten, auf dem schmalen Grasfeld, das zwischen der Landebahn und dem Weg liegt.

Einige der Geschäfte waren mit blauem Wellblech gedeckt, und andere hatten hell gestrichene Fassaden, auf denen ihr Name stand. Erst wenn man hineinkam, merkte man, dass sie so viel Ware hatten, dass es in den Augen wehtat, alles auf einmal zu sehen. Alles wurde von Neonlicht beleuchtet, das die Menschen seltsam aussehen ließ, wie lebende Tote. Auf den Holzregalen waren all die Waren ordentlich angeordnet, die zu brauchen man sich vorstellen konnte oder die man plötzlich nicht entbehren konnte, weil man gesehen hatte, dass es sie gab.

Doch nach ein paar Jahren oder mehr waren die Regale von Jonker leer, da er sich verrechnet und in neue Sachen investiert hatte. In diesen Jahren ging die Entwicklung an Ghanzi vorbei.

Wenn man bei Hardware gegenüber dem Hotel drehte, an der Metzgerei Bottlestore und Potts auf der anderen Seite des Weges vorbeiging, der genauso breit wie die Hauptstraße war, kam man zum Oasis Store, dem einzigen Gebäude, das ochsenblutfarben gestrichen war. Die Buchstaben waren grün mit gelbweißen Schatten. Ein wenig tiefer auf der Wand stand Orange Pekoe Tee. Ich wusste nicht, was das war. Das sind die einzigen Buchstaben, die ich lesen konnte.

Es war Jim, der einen ganzen Vormittag damit verbrachte, es mir beizubringen. Es kostete mich zwei Flaschen Clubman und einen Maismehlsack mit getrocknetem Elenfleisch. Zuerst ging er die Buchstaben einen nach dem anderen durch, damit ich sie in den Kopf bekam. Glücklicherweise waren mehrere gleich. Schließlich, kurz bevor sie mittags schlossen, konnte ich die Worte Orange Pekoe Tee lesen.

»Jetzt«, sagte ich zu ihm, »jetzt musst du mir nur noch sagen, was das bedeutet.«

»Bist du verrückt, du dummer Buschmann? Ich habe nicht die geringste Ahnung.«

»Hör auf, mich einen dummen Buschmann zu nennen. Du hast den ganzen Morgen nichts anderes getan, als mich so zu nennen. Du bist doch kein bisschen besser als ich. Nur weil du lesen kannst und von dem Missionar in D’kar fromm gemacht worden bist.«

Es gab einmal einen kleinen Ort, eine Farm ungefähr vierzig Kilometer vor Ghanzi, auf der eine Missionsstation eingerichtet worden war. Aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt ist sie zu einem christlichen Handelszentrum geworden.

Ich wollte nur wissen, was da stand, nachdem ich herausgefunden hatte, dass die Zeichen etwas bedeuteten. Und der einzige Grund für mein Interesse war der, dass die grünen Buchstaben mit den weißen Schatten schön aussahen, wie sie dort an der Wand herunterhingen.

Erst da wollte ich es Buchstabe für Buchstabe wissen. Ansonsten mache ich mir nichts daraus, lesen zu können, denn es entfernt mich von dem, was ich bin. Und dann bricht alles über mir zusammen. Aber diese drei Worte, Orange Pekoe Tee, der Klang dieser drei Worte tat mir unglaublich gut. Die Stöße in den Lauten unterschieden sich von denen, die es in unserer Sprache gab. Orange Pekoe Tee. Das ist so viele Jahre her. Trotzdem gehe ich noch immer dorthin und sehe mir die Worte an und spreche sie aus. Wenn niemand in der Nähe ist, spreche ich sie laut aus. Sonst flüstere ich sie nur vor mich hin. Orange Pekoe Tee.

In der Bar erzählte jemand, dass man ihn einst in Stangen kaufen konnte und dass er weit her aus China kam. Ich habe es nicht selbst gesehen und weiß also nicht, ob es stimmt.

Schräg gegenüber von Hardware lag das Hotel, wie ich bereits gesagt habe. Viele Jahre lang stand ein Schild mitten auf dem Weg vor dem Kalahari Arms. Wie eine Insel in dem Wegemeer aus Staub. Es knackte laut, wenn der Wind drehte, sodass man Bescheid wusste, wenn man drinnen saß.

Es war ein Ort des weißen Mannes, Leute unseres Schlags kamen höchstens hintenherum bis in die Küche. Wenn wir Glück hatten, arbeiteten einige von uns, nein, nicht in der Küche, sondern als Müllmänner und Gärtner. Die meisten, die auf den Farmen lebten, waren ja Buren, sodass wir ein bisschen Afrikaans lernten. Damit kamen wir zurecht, wenn es sein musste. Sie waren es, die das Hotel führten.

Für die Weißen begann Ghanzi wie ein Gebäude, nur ein Zementgebäude, und eine Flagge, die englische Flagge, und ein weißer Mann, ein Polizist. Dort waren einst die Kamele gewesen. So wie es immer der Ort des roten Volkes gewesen ist, und wir sind noch immer hier.

Während ich bei dem alten Johnsston war, kam ich immer mit in das Hotel hinein.

Dann stand ich hinter ihm.

»Wenn sie nicht so dumm wären, könntest du dich setzen«, sagte er zu mir.

Er meinte die Weißen, die das Hotel im Namen der anderen Buren leiteten. Das war viele Jahre, nachdem er selbst Farmer und reich an Vieh geworden war. Er hatte so viele Kühe, dass er noch immer zu viele gehabt hätte, um sie ohne Hilfe an einem Tag zu zählen, wenn er die Hälfte weggegeben hätte.

Die Böden im Hotel waren aus einem Material, das sie braun, glatt und glänzend machte, und außerdem waren sie kalt. Wenn du an einem heißen Tag die Wange gegen den Boden legtest, kühlte er so stark, als ob du Fieber hättest. Aber ich wollte von der Stadt erzählen.

Unten gegenüber dem Oasis lag die Stadt, die ein Teil von Kabake war. Dort wohnten viele verschiedene Menschen, einige von uns in Zelthütten. Dort gab es Schuppen, die mit Kartonpappe und mit Plastiksäcken überzogen waren, denn Blechplatten waren schlecht bei einem Regensturm. Aber die Pappe war so oft nass geworden, dass man nicht glaubte, so nass werden zu können, es sei denn, man purzelte in die Senke, wenn sie voll Wasser lief. Weiter hinten lag wieder flaches Grasland, das sie jetzt ganz asphaltiert haben, sodass es kurz nach dem Regen, wenn die Sonne wieder zu scheinen beginnt, einem schwarzen See ähnelt. Die Tausende von kleinen Seen in den Asphaltlöchern funkeln um die Wette, dass man glaubt, es sei ein großer See, aber es sind die kleinen Löcher. Ich bin selbst da gewesen, um es mir anzusehen. Dann ist da der Flughafen, wenn sie mit ihren Flugzeugen kommen, die wie Blätter hereinwirbeln. Ja, halb Blätter, halb Vogel, aber sie landen besser. Da ist ein Sack, der anzeigt, woher der Wind bläst.

Vor zehn Jahren haben sie ein Telefonhäuschen gegenüber dem Hotel aufgestellt, auf derselben Straßenseite wie der Hardwareshop und Barclays Bank, an der Hauptstraße, ja, dort haben sie es aufgestellt. Da stand es. Es war sehr schön, es war ganz neu. Aber niemand konnte es benutzen. Es dauerte ein Jahr, bevor sie neben dem Hotel auf dem Weg zum Krankenhaus die Tankstelle aufmachten.

Wir sind alle hingegangen und haben es uns angesehen, das Telefon, das da drinnen stand. Wir konnten den Hörer abnehmen, wir konnten nur uns selbst atmen und husten hören, das war phantastisch. Einige wollten nicht hingehen und hören. Es war auch nur schön anzusehen. Ein Jahr dauerte es noch, bevor man von dort aus telefonieren konnte. Wen sollten wir auch anrufen? Doch die Entwicklung kehrte sich tatsächlich von dem Augenblick an um, in dem sie das Telefon aufstellten. Von diesem Augenblick an begann die Welt der Schwarzen über uns hereinzubrechen. Anstatt uns zu fragen, machten sie die ganze Stadt zu einer schwarzen Stadt, und wir konnten uns auf den Farmen aufhalten, hier draußen in Xade, oder hinter dem Hotel oder am Flughafen und dort unten hinter dem Wald zum Arbeitsgebäude.

Im Laufe dieser Jahre verloren wir das Land, das uns noch geblieben war. Sie nahmen es einfach, und wir waren zu höflich, deshalb ließen wir es zu.

Das Postamt und der Zoll liegen auch an diesem Weg, der nach Karakubis führt.

Trotzdem gingen wir ins Krankenhaus, die von uns, die daran glaubten. In langen Reihen saßen wir da mit Tuberkulose, Malaria. Wir husteten und rotzten und bekamen Aspirin. Das heilte offenbar alles, denn die Ärzte waren mit wichtigen Dingen beschäftigt und hatten keine Zeit, nach uns zu sehen.

Wärt ihr wie ein Habicht hoch oben über alles geflogen und das hundert Jahre lang, hättet ihr sehen können, wie wir Roten umherwimmelten. Alle, das Sandgesicht und die Tiere und die Menschen lebten miteinander, alles hing miteinander zusammen. Wir jagten die Tiere und bekamen ihr Fleisch. Wir brannten das Gras auf den Jagdgründen ab, damit die Früchte besser wuchsen und die Tiere zu fressen hatten. Das, was für den einen schlecht war, war für den anderen gut. Tiere oder Menschen, Pflanzen oder Erde. Alle hatten etwas beizutragen, alle hatten etwas zu verlieren. Der Schmerz eines Menschen wurde zur Freude eines anderen Tiers. Und im Tanz hielten wir das Ganze zusammen.

Mitten in all das kamen die Weißen mit ihren schweren Ochsengespannen, so viele Ochsen bekamen schiefe Zungen vom Ziehen der Holzkarren durch den schweren Sand. Diese Leute kannten nicht den Wert des Reisens mit nur dem, was man brauchte. Sie hatten Eisenöfen und Kleiderschränke, Betten, die man ebenso gut als Wagen hätte brauchen können. Nur eine Zugvorrichtung und Räder hätte man anbringen müssen.

Danach kamen die Schwarzen in Autos, Lastwagen, mit Eseln und Pferden, und die ganze Zeit wimmelten wir umher.

Aber jetzt ist es langsam genug. Wir waren es, von denen sie immer glaubten, wir hätten nichts anderes zu tun, als im Gras herumzuhüpfen. Sie haben nie verstanden, wer wir waren. So, jetzt müsst ihr lernen, ihre Sprache zu sprechen, damit sie nicht unsere lernen müssen. Ich werde dem nie zustimmen, auch wenn sie noch so oft sagen, dass wir so besser miteinander reden können. Der Preis ist zu hoch.

Ja, an dem Tag, an dem wir wissen, wie wir sie uns vom Leibe halten können, können wir ihre Sprache lernen und Lesen lernen. Solange sie uns Rote nur ausquetschen, will ich das nicht. Lieber laufe ich weg. Ich weiß nicht, wie oft ich das mit Qose durchgesprochen habe. Denn sie ist schuld, dass ihr eine Schule habt. Sie war es, die zu dem alten Jankie gegangen ist und ihn um die Schule gebeten hat. Sie sieht die Dinge anders als ich. Mathilda und Willie sind wie harte Samen in ihrem Kampf. Einst konnten wir teilen. Das wollen die Schwarzen offenbar nicht, nachdem sie uns alles genommen haben.

Zuerst trieben sie das Vieh durch Ghanzi, sodass die Hauptstraße breit genug für die Riesenherden sein musste. Dann kamen das Telefonhäuschen und das Licht und zehn Jahre später der Asphaltweg. Nichts mehr mit Festsitzen im Sand. Polizisten auf Motorrädern, während sie früher auf Kamelen ritten. Und jetzt standen wir Schlange, um an den Ladentisch zu kommen, um Hähnchenschenkel und fatcakes zu kaufen. Tomaten und Kartoffeln, Sardinen, Thunfisch. Alles in der Dose, vorgekocht, fast essfertig, und braune Bohnen. Und wenn man davon genug hat, kauft man sich ein Soft-Eis. Im Oasis. Dort drüben im bottlestore.

Haben wir uns noch nicht zu Tode gefressen, können wir uns sinnlos betrinken. So satt wie unsere Augen und Bäuche sind, ist noch nie jemand von uns gewesen. Trotzdem sterben wir, sterben endlos, bis wir sterben. Vielleicht möchte man wie Mathilda lieber die neuen Geschäfte begaffen, die aus dem Boden geschossen sind. Den Cash Bazar und die Fast-Food-Läden, die von Indern und Libanesen geführt werden.

Die Kinder sind nicht länger diejenigen, die die Stadt regieren.

Denn draußen um die Stadt liegen die Farmen. Die der Buren und die der Engländer. Alle sprechen Afrikaans. Die Weißen, die Schwarzen, die Roten. Am weitesten draußen liegen die Farmen der Schwarzen. Die größte Farm ist die des Präsidenten. Alle stehen auf dem Land, auf dem wir gelebt haben. Duitwé, kannst du dich daran erinnern? An damals, als es weder Schwarze noch Weiße gab?

»Mmm«, sagte sie zwischen zwei Pfeifenzügen. »Damals gab es nichts, das Xade oder Ghanzi hieß oder Botswana. Wir waren wir.«

Manchmal muss man sich aus der Wirklichkeit wegtrinken, damit man in ihr leben kann, weil sie gespalten ist, dass man selbst im Kopf gespalten davon wird, denn wo sind wir? Ihr braucht es mir nicht zu sagen, ich weiß es genau.

Das tut so weh, dass wir untereinander wegsterben, und niemand hilft uns, uns gegen das zu wehren, was mit uns geschieht. Denn wir haben nicht mehr die Kraft, die man dazu braucht.

Deshalb haben sie die Frau hinter dem Hotel aufgeschnitten. Sie aufgeschnitten und ihre Eingeweide herausgeholt, Magen, Leber, Herz, Lunge und Niere, und ihr Geschlecht abgeschnitten. Die Schwarzen haben das getan. Einige von uns sagen, dass es Herero gewesen sind. Sie sagen, es waren Bakgalagadi. Und andere behaupten, es waren Bangwato aus Gaborone. Kurz und gut, es waren Schwarze, wie immer sie sich genannt haben. Und die Polizei wollte nichts wissen.

Sie brachten sie ins Krankenhaus, und dort in dem Raum, der genau wie Potts Metzgerei nur aus blanken Stahltabletts zu bestehen scheint, zeigten sie sie der Familie. Sie sahen ihr Gesicht.

»Ja«, sagten Sohn und Tochter. »Das ist Mutter.«

Sie lag auf einem Tisch mit einem bis zum Kinn hochgezogenen Laken. Aber mehr durften sie nicht von ihr sehen. Die Polizei hatte ja gesagt, dass sie an einem Messerstich in die Lunge gestorben sei.

Sie wurde begraben. Draußen in Groot Lagte, wo sie herkam. Sie war eine Kauxei. Viele Menschen kamen. Ich denke, es wurden Fragen gestellt. Die Polizei wollte nichts mehr unternehmen. Es sei denn, sie bekam den Befehl dazu. Aber wer sollte die Macht haben, das zu befehlen, und gleichzeitig dafür sorgen, dass wir unser Recht bekamen? In meiner Lebenszeit findet sich so ein Wesen wahrscheinlich nicht.

Jetzt, drei Tage später, zog sich ihr Sohn die Sachen aus und hängte sie ordentlich über die Äste eines kleinen Baums, der neben ihrem Grab stand. Dann legte er sich auf das Grab und schnitt sich die Kehle durch, dass das Blut schreiend in die Erde lief. Dieser Baum ist zu jung, um all den Schmerz zu erleben. Er ist nicht zu fassen, weder für einen Baum noch für einen Menschen.

So ist die Stadt, Ghanzi, die einmal der Ort war, zu dem unser Volk ging, wenn es vom Durst geplagt wurde. Jetzt plagt uns der Durst, weil wir dorthin gegangen sind. Gegenüber von Potts Metzgerei führt ein Kiesweg zu den neuen Häusern hinauf, zu der Kirche, der Kirche der Weißen. Dorthin eilen die Buren und sitzen andächtig da. Man kann sie singen hören, es klingt genau wie das Meckern der Ziegen. Dort berauschen sie sich an Psalmengesang und christlichen Worten, während wir uns schon mit Clubman zu fünf Pula die Flasche betrunken haben. Jeder von uns nähert sich seinem Himmelreich auf seine Weise.

Der Missionar war auch hier. Der alte Abel ist doch bei ihm gewesen, um predigen zu lernen. Noch heute ist er der beste Schamane, der je mit uns getanzt hat, aber das weiß der Missionar nicht. Schwester Mary aus Lands End, die zwar Krankenschwester, aber auch Missionarin ist, es aber nicht gegen uns verwendet, hat ihn überredet, das Vaterunser in unserer Sprache zu beten.

Es macht nichts, wenn er es betet. Denn die Worte bleiben bei ihm und laufen nicht Amok zwischen uns. Wir können hoch in die Schule kommen, wenn er bei Treffen und Ähnlichem betet, und uns auf die Schulbänke setzen, in schönen Reihen, in unseren besten Kleidern, später kommen dann unsere Kinder und singen im Chor schöne Lieder auf Setswana. Das hört sich nicht so schlecht an, auch wenn wir kein Wort verstehen. Bis auf die, die in der Mine in Selebe Pikwe oder in einer ähnlichen Mine gearbeitet haben, aber wir merken, dass wir nicht länger unsere eigenen Herren sind. Wenn umgekehrt Gäste aus der Hauptstadt kommen, hören sie unsere Lieder in unserer Sprache. Das ist schon eine seltsam verkehrte Welt.

Aber vielleicht wollen sie nur beweisen, dass es nicht so schlecht um uns steht. Wir können ja in die Schule gehen und auf Setswana singen. Obendrein haben wir noch eine Kgotla bekommen, wo wir uns versammeln können, und einen Baum, wo die Leute ausgepeitscht werden. Wir haben wirklich Fortschritte gemacht, aber wir gehen daran zu Grunde.

Willie, er ist sehr viel kritischer. Er trägt einen Zorn in sich, der ihn in den Dingen bohren lässt, über die wir anderen nur sprechen, wenn uns nichts anderes einfällt. Sonst tut es zu weh. Wir müssen darüber lachen, um es aushalten zu können.

Ich glaube, es sind die zwei kleinen Kinder, die er verloren hat. Und dass sie ein Troll, ein Hexenmeister, aus dem Grab gestohlen hat. Man sagt, er hat sie aus dem Sand schweben lassen, die kleinen Holzkisten durchbrechen lassen, und gleich hinunter in seinen Sack hat er sie gesteckt. Willie hat es mir gezeigt. Die kleine Einzäunung, wo die beiden begraben worden sind, und noch nach so langer Zeit sieht man die Fußspuren. Willie hat viel verloren.

Er hasst ihre Heuchlerei. Nicht jeden Einzelnen, aber das ganze schwarze Pack, das ihn in den Schmutz gezogen hat. Ihr ganzes Gerede von Bürgerschaft, wie können sie von einer gleichwertigen Gesellschaft sprechen, wenn sie uns alles genommen haben. Ja, gut, die Weißen haben genauso mitgeholfen. Wenn sie uns wie Gleichgestellte behandelten, wir wissen etwas, das sie nicht wissen und umgekehrt, könnten wir gemeinsam besser und klüger werden. Doch wie sollte das gehen, es ist ja noch nicht lange her, dass sie uns für Tiere hielten, die nur im Gras herumhüpften.

Ja, Mathilda hat mir am Feuer vorgelesen, was sie für uns getan haben.

Wir können uns nicht länger aufführen wie Kronendukker. Wir müssen selbst an die Arbeit gehen, um so zu uns selbst zu finden, wie wir es wollen.

Wir müssen an unserer Sprache festhalten. Sonst geht unsere Welt verloren.

Und ihr Jungen werdet wie die anderen sein, da ihr keine Lust mehr habt, wie wir zu sein. Da ihr so Möglichkeiten habt, besser zu leben. Glaubt nicht, dass ich das nicht sehe. Abel, du bist doch der Missionar. Sag was.

»Und was sollte das sein?«

Nun, ich musste daran denken, als du vom Kalahari Arms gesprochen hast. Das ist kein Ort für uns. Es sei denn, du arbeitest dort. Aber ich bin ein paar Mal da gewesen. Es ist ja nicht mehr wie in den alten Tagen, wo wir in die Stadt hinuntergingen, wenn wir etwas zu trinken haben wollten. Ich kann mich nicht erinnern, wann der erste bottlestore aufgemacht hat, aber oh Gott, wie hat unser Volk diesen Laden unterstützt. Ich höre sehr wohl, wie das klingt. Aber ich bin nicht der Auffassung, dass wir ein Volk aus üblen Trinkern sind. Wenn wir trinken, ist leicht zu erraten warum.

Wo ich herkomme? Ach ja, aus dem Gefängnis. Ich wünschte, es wäre nicht da, dann müsste ich nicht davon erzählen. Aber es ist da. Was soll ich darüber sagen?

Dass es der beste Ort ist, sich die Haare schneiden zu lassen, falls man zu viel Geld und zu lange Haare hat, dass sie dort gutes Gemüse züchten. Wer dort gesessen hat, weiß das am besten. Viele, zu viele Rote sind eingesperrt worden. Es ist ein Ort des Schmerzes. Es liegt im anderen Teil der Stadt genau wie das Krankenhaus. Aber dort kann man den Schmerz behandeln. Über den ersten Ort kann man nicht mehr erzählen.

Lasst mich stattdessen am Gefängnis vorbeigehen, dann kommen wir zur Bibliothek, dem Haus der Bücher. Dort war es, wo Willie so viele Nachmittage verbracht hat.

Abel mischt sich ein, nachdem er mit seinem einsamen Zeigefinger gewunken hat. Er ist sich der Bedeutung seiner Hand als Wirkungsmittel sehr wohl bewusst. Er braucht sie nur zu heben, um die Aufmerksamkeit der Leute zu erhaschen.

»Dieses Gefängnis ist eine schlechte Erfindung. Man lernt es früh genug kennen. Aber da ist dieser andere Ort. Das Arms.«

Abel sucht nach dem Tabak, bevor er weiter erzählt.

»Das Hotel«, wiederholt Abel. »Nicht dass ich oft dort gewesen bin. Es gab zwei Gelegenheiten, zu denen man dort hinkam, Willie wird schon dafür sorgen, dass du auch die Chance bekommst, Khuuo, wenn ihr nach Ghanzi kommt.«

Die Geierkrieger

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