Читать книгу In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber - Augustin Wibbelt - Страница 22

Das Geheimnis des Osterhasen

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Als ich noch in der Welt war, liebe Kinder, habe ich mir oft den Kopf zerbrochen über das Geheimnis des Osterhasen. Ich konnte es nicht recht glauben, dass ein Hase Eier legen könne und dazu so schöne bunte. Jetzt, da ich im lieben Walde wohne und mit den lieben Tierlein so vertraut bin, wollte ich gern dahinterkommen und das Geheimnis ergründen. Zuerst wandte ich mich an die Frau Häsin, denn ihr traute ich das Eierlegen noch eher zu als dem Meister Lampe, ihrem Manne.

Eines Morgens, als sie gerade den Kohl in meinem Gärtchen besichtigte, ging ich zu ihr hinaus. »Guten Morgen, Frau Häsin«, sprach ich sie an, »hat Ihr gut geschlafen?«

Sie legte die langen Löffel auf den Rücken, wischte sich mit der Pfote durch die Augen und seufzte: »Ach, Waldbruder, ich kann es immer noch nicht vergessen, dass Reineke zu Fasnacht meine beiden Kinderchen abgemurkst hat. Wir haben ja eine zahlreiche Familie, und es wird schon wieder Nachwuchs kommen, aber diese beiden waren so allerliebst und auch so begabt. Das eine hieß Mümmelpeter und das andere Hoppelfritz. Die Klugheit hatten sie von dem Papa und die Schönheit von mir.«

Ich tröstete sie, so gut es ging, und kam dann auf die Ostereier zu sprechen.

»Damit habe ich nichts zu tun«, sagte sie kurz. Ich fragte, ob Meister Lampe, ihr Mann, vielleicht die Ostereier lege. Sie strich ihren Schnurrbart, denn beim Hasengeschlecht haben auch die Damen einen Schnurrbart, aber einen kleinen, feinen, der sehr niedlich aussieht.

»Dass er sie selbst legt, glaube ich nicht«, antwortete Frau Häsin, »im Übrigen ist das sein Geheimnis. Ich habe ihn einmal danach gefragt, und da hat er mir einen hinter die Löffel gehauen. Fragt ihn selbst, Waldbruder!«

Damit hoppelte sie in den Wald. Sie hatte ihre Schürze voll Kohl und wahrscheinlich ihr Bäuchlein auch. Ich hörte sie noch seufzen: »Ach, Mümmelpeterchen, ach, Hoppelfritzchen!« Und sie war verschwunden.

Meister Lampe wollte ich lieber gar nicht fragen. Ich suchte Frau Elster auf, die über alles Bescheid weiß, was im Walde passiert.

»Waldbruder«, plapperte sie in ihrer geschwätzigen Art, »er hat damit etwas zu tun, das ist sicher, aber ich kann ihm noch nicht hinter die Schliche kommen. Dass er die Ostereier selbst legt, glaube ich nie und nimmer. Dazu sind die Mannsleute viel zu dumm. Vielleicht stiehlt er sie. Was gebt Ihr mir, wenn ich es herausbringe?«

Ich versprach ihr ein Stück Speck.

»Gut«, sagte sie, »legt noch eine dicke Käserinde dazu, dann will ich’s versuchen.«

»Es gilt«, antwortete ich, und sie flog plappernd und schnatternd in den Wald.

Am anderen Morgen pickte sie an mein Fensterlein.

»Den Speck her, Waldbruder!«, rief sie, »ich weiß es jetzt.«

»Erst das Geheimnis«, sagte ich.

»Nein, erst den Speck«, und sie hackte gleich hinein.

»Er ist ein bisschen ranzig«, bemerkte sie, »und wo ist die Käserinde?«

»Nichts da, Frau Elster«, sagte ich. »Ihr wollt mich betrügen, Ihr wisst nichts.«

Da wippte sie feierlich mit dem langen Schwanz und flüsterte geheimnisvoll: »Nun, dann passt gut auf. In dem Wall hinter dem Waldteich ist ein großes Loch. Da hat Meister Lampe sein Lager. Es ist ganz voll von Ostereiern, und es sind richtige Eier, ich habe selbst eins probiert. Nun aber erst die Käserinde!«

Ich holte sie. Frau Elster griff danach und flog auf den nächsten Baum. »Holla«, rief ich, »wo kriegt er die Ostereier denn her?«

»Fragt ihn selbst«, lachte sie und flog weiter.

Frau Elster ist eine unzuverlässige Person, aber etwas wusste ich nun doch. Ich beschloss, selbst nachzuforschen, und ging in der Abenddämmerung zum Waldteich. Ich fand das Loch erst nach langem Suchen, denn es lag gut versteckt unter Farnkräutern. Verwundert schlug ich die Hände zusammen, denn da lagen wohl an die hundert Ostereier, schön bemalt in allen Farben, rot und gelb und blau. Gerade kam Frau Elster heran, um wieder eins zu probieren, aber ich trieb sie fort, so viel sie auch schimpfte. Dann versteckte ich mich hinter einem Wacholderstrauch und wartete. Nicht lange, da kam Meister Lampe leise herbeigehuscht. Er stutzte und schnüffelte herum.

»Da ist einer gewesen«, murmelte er, »na, wahrscheinlich ist der Waldbruder hier vorbeigetrampelt mit seinen plumpen Füßen.« Dann fing er an, die Eier zu zählen, und er war noch nicht damit fertig, als ein heller Schein durch den Wald flog. Meister Lampe setzte sich auf die Hinterfüße und machte ein artiges Männchen. Zwei wunderschöne, schneeweiße Engel kamen von oben durch die Wipfel und trugen einen großen Korb zwischen sich, der ganz voll war von bunten Ostereiern.

»Langsam«, rief der eine, »sonst fallen die Eier heraus.«

»Der Korb ist so schwer«, sagte der andere, »der Arm wird mir ganz lahm.«

Da lachte der erste: »Ach, Bruder, er ist doch lange nicht so schwer wie der große Stein, den wir damals vom Grabe weggewälzt haben.«

Ich merkte nun, dass es die beiden Osterengel waren, die bei der Auferstehung erschienen, und dachte, wo sie die Eier wohl herhätten.

»Meister Lampe«, rief der eine wieder, »jetzt hast du wohl bald genug. Mutter Annas Hühner legen ja fleißig, aber die heilige Martha hat Pech gehabt, sie hat so viele Hähne bei der letzten Brut gehabt.«

Meister Lampe verneigte sich artig und sagte: »Ein paar Dutzend muss ich doch noch haben, sonst komme ich nicht aus.«

Sie packten die bunten Eier aus. Dann sagte der zweite Engel: »Gut, wie bringen morgen noch einen Korb voll. Dann ist es genug. Wir haben schon seit acht Tagen keinen Eierkuchen mehr bekommen im Himmel. Die kleinen Engel wollen schon verdrießlich werden.«

Dann befahlen sie ihm, die Eier ganz vorsichtig wegzutragen und in den Gärten zu verstecken. »Aber bloß, wo artige Kinder sind. Bedenke wohl, wenn du keins zerbrichst, dann wird dich das ganze Jahr kein Jäger treffen mit seinem Mordgewehr.«

Husch, weg waren sie mit dem leeren Korb. Meister Lampe bog vorsichtig das Farnkraut über die Höhle und hoppelte nach Hause. Nun wusste ich Bescheid, und ihr wisst es auch, aber sagt es nicht weiter. Sonst bin ich euch böse, ich, euer Waldbruder.

In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber

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