Читать книгу In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber - Augustin Wibbelt - Страница 42

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Unterdessen hielt die gnädige Frau Fasan eine lange, wohlgesetzte Rede und sie zitierte sogar den Dichter Schiller:

»Dann geendigt nach langem, verderblichem Streit

War die kaiserlose, die schreckliche Zeit,

Und ein Richter war wieder auf Erden.«

Es blieb nun nichts übrig, als meine Zusage zu geben. Ich machte mein feierlichstes Gesicht und versicherte, ich würde die Sache unverzüglich in die Wege leiten.

Nur ein Bedenken hatte ich: »Wenn aber Reineke die Ladung vor Gericht in den Wind schlägt und nicht erscheint?«

Da trat Meister Igel vor: »Dann rücke ich ihm auf den Pelz und piesacke ihn so lange mit meinen Stacheln, bis er aus seinem Bau herausrückt.«

Gut, ich sagte, ich wolle die Sache sofort besprechen mit Meister Kuckuck und Frau Eule, und Frau Eule solle alle Gesetzbücher mitbringen. Da zogen sie mit Dank von dannen.

Meister Kuckuck war Feuer und Flamme und wollte die Ladung an Reineke übernehmen.

»Ich will ihm die Ohren schon vollschreien«, sagte er. Frau Eule war auch bereit. Sie wollte das Protokoll führen, sie kann nämlich gut mit der Feder umgehen.

»Aber«, sagte sie, »nicht vor der Dämmerung, damit man ordentlich sehen kann. Bis dahin kann ich auch die Paragrafen noch einmal durchstudieren.«

Ich überlegte, wen ich wohl als Beisitzer des Gerichts ernennen solle. Der Kuckuck meinte, ich solle den Junker Marder nehmen, das sein ein schneidiger Herr.

»Hat er nicht auch etwas auf dem Kerbholz?«, fragte ich, »mir ist etwas zu Ohren gekommen.« Frau Eule bemerkte, Herr Baummarder sei ziemlich stark belastet, aber seinen Vetter, Herrn Steinmarder, könne ich ruhig wählen, der sei noch nicht vorbestraft.

»Gut«, sagte ich, »und dann nehme ich Frau Hornisse als zweite Beisitzerin.«

»Sehr gut«, riefen die beiden, »Frau Hornisse ist eine schneidige Person und hat auch Courage.«

Nun ging die Sache ihren Lauf. Es war ungeheuer feierlich. Das Gericht wurde am Ufer des Waldteichs abgehalten, damit die Frösche auch teilnehmen könnten und der dicke Großvater Karpfen, der sehr klug ist, auch wenn er sehr wenig spricht. Der Platz hat etwas Gruseliges und passt gut für die ernste Verhandlung.

Der ganze Wald war versammelt, und Meister Reineke war tatsächlich gekommen. Er tat sehr zuversichtlich und rauchte sein Mutzpfeifchen, gerade als wenn alles nur Spaß wäre. Ich gebot ihm, sein Pfeifchen wegzustecken, und als er es nicht gleich tat, piesackte ihn der Igel. Der Igel war nämlich als Gerichtsdiener bestellt worden.

Frau Eule verlas die Klageschrift und mischte viele Paragrafen hinein. Die Anklage lautete auf sechsfachen vorsätzlichen Mord, auf fünffachen Diebstahl, dreimal auf Einbruch, auf zwei räuberische Überfälle und eine Plünderung bei der gnädigen Frau Fasan, verbunden mit Eieraussaufen.

Hier unterbrach der Angeklagte die Vorlesung mit dem Zwischenruf: »Das hat der Marder getan.«

Mein Beisitzer, Junker Steinmarder, sprang wütend auf und strich drohend seinen Schnauzbart. Ich hatte Mühe, ihn zurückzuhalten und die Ruhe wiederherzustellen. Dann folgten noch unzählige Beleidigungsklagen.

Ich fragte nun den Angeklagten, ob er seine Schandtaten eingestehen wolle.

Er grinste mir frech ins Gesicht mit allen seinen weißen Zähnen und sagte: »Ich lehne das Gericht ab als befangen.«

Ein Schrei der Entrüstung erhob sich, und der Igel wollte Reineke wieder piesacken, aber ich wies ihn zur Ruhe.

»Warum befangen?«, fragte ich.

»Weil ich dem Marder Konkurrenz mache«, antwortete Reineke, »und nicht bloß befangen ist das Gericht, es ist anrüchig.« Das war eine starke Beleidigung, und ich fürchtete mit Recht, dass ich die Versammlung nicht bändigen könne in ihrer Wut. Da trat eine Katastrophe ein. Bums – fiel ein Schuss.

Alles stob auseinander. Als der Pulverrauch sich verzogen hatte, stand der Jäger da, und Reineke lag in seinem Blute. Jägers Waldmann biss ihm zum Überfluss noch durch die Kehle. Das Gericht war zu Ende, ehe es recht angefangen hatte.

Ich nahm den Jäger mit in meine Waldklause und ließ ihn sein Pfeifchen stopfen mit meinem selbstgezogenen Tabak. Er lobte das Kraut sehr, tat bloß drei Züge aus der Pfeife, weil er einen Katarrh hatte, wie er sagte.

In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber

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