Читать книгу In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber - Augustin Wibbelt - Страница 36

Mondnacht

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Diesmal habe ich ein kurioses Abenteuer zu erzählen! Setzt euch dort in den Schatten, die Sonne brennt schon recht tüchtig.

Halt! Der kleine Junge da trinkt zu hastig aus der kalten Quelle, das tut nicht gut. Trinkt nicht aus der Mütze, sondern aus der hohlen Hand. Dann ist das Wasser etwas angewärmt, und ihr trinkt nicht zu schnell. Nun gebt Acht!

Gestern Nacht wurde ich plötzlich wach. Als ich die Augen aufschlug, sah ich dem Monde gerade in das große, weiße Gesicht. Und als ich noch genauer hinschaute, merkte ich, dass der Mond nicht droben am Himmel stand, sondern unmittelbar vor meinem Fensterlein.

So nahe stand er, dass er ordentlich seine Nase plattdrückte an der Scheibe.

Ich erhob mich von meinem Strohsack, um diese kuriose Sache etwas näher zu untersuchen.

Der Mond nickte mir freundlich zu und sagte: »Schönen guten Abend! Eigentlich sollte ich sagen gute Nacht, denn es hat schon zwölf geschlagen.«

Ich war etwas verblüfft, denn ich hatte den Mond noch nie so nahe gesehen. »Guter Mond«, stotterte ich, »was willst du hier?«

Er kniff ein Auge zu und antwortete: »Ach, Waldbruder, es wurde mir so langweilig da oben. Mit den Sternen kann sich ein vernünftiger Mann nicht unterhalten, sie sind so klein und schwätzen lauter kindisches Zeug. Komm, wir wollen einen Spaziergang zusammen machen.«

Es war eine stille, wunderwarme Nacht, und da mir der Schlaf doch vergangen war, sagte ich gern zu. Ich sah, dass der Mond ein paar große, schwarze Flecken im Gesicht hatte, und fragte, ob er sich vielleicht erst das Gesicht waschen wolle.

Er zog die Stirn kraus: »Warum?«

»Oh, ich dachte nur so«, sagte ich, »weil du ein klein bisschen schmutzig bist.«

»Einbildung!«, schnarrte er, »pure Einbildung! Es sind bloß Schatten. Übrigens bin ich viel sauberer rasiert als du mit deinem wirren Barte.«

»Das mag wohl stimmen«, begütigte ich ihn und trat ins Freie.

Ei, wie hell war es draußen! Und wie fein war der Mond mit seinem silbernen Mantel! Ich schämte mich fast mit meiner rauen, groben Kutte. Aber er war gar nicht stolz, sondern nahm mich vertraulich am Arm und spazierte mit mir den Waldweg hinunter. Die Bäume glotzten uns verwundert nach, und Herr Hase, der uns gerade entgegenkam, schlug zwei Purzelbäume hintereinander.

»Du hast aber eine weite Reise gemacht«, sagte ich.

Der Mond lächelte. »Das geht ganz schnell«, belehrte er mich, »ich bin einfach die Milchstraße heruntergefahren, und am Ende brauchte ich nur noch einen Katzensprung zu machen bis in den nächsten Baum. Ich habe es drollig getroffen, denn ich bin gerade in das Nest des alten Bussard gesprungen.«

Ich meinte, da würde der alte Herr wohl sehr zornig geworden sein. Herr Bussard hat nämlich Generalsrang und lässt nicht mit sich spaßen.

»Ach«, lachte der Mond, »der Herr General war nicht zu Hause, aber die Frau General hat mir gründlich den Marsch geblasen. Schau mich mal an! Siehst du nichts?«

Da sah ich, dass er ein schiefes Gesicht hatte, die linke Backe war geschwollen.

»Da hat sie mir eine Ohrfeige hingefegt«, lachte der Mond, »aber das macht nichts. Vornehmen Damen muss man schon etwas zugutehalten.«

Unterdessen waren wir auf eine Lichtung hinausgetreten und setzten uns auf einem Baumstamm nieder. Mein Begleiter ließ seinen ganzen Mondschein über die Fläche gleiten, es war fast taghell.

»Gib Acht«, flüsterte er, »gleich kommt er. Wir wollen ihn mal belauern.«

»Wer kommt?«, fragte ich.

»Still – Reineke!«, war die Antwort, »er hat nebenan seinen Bau.«

Richtig, da kam der alte, rote Fuchs langsam und vorsichtig, spähend und witternd auf die Lichtung geschlichen. Er schnüffelte bedenklich nach uns herüber, beruhigte sich aber und fing an zu kichern. Auf dies Zeichen kam die Frau Füchsin mit einer braunen Haube und drei jungen Füchslein. Zwei trugen die ersten Höslein, eins hatte noch ein Kleidchen an, aus dem hinten das Schwänzlein drollig hervor sah. Die beiden Alten setzten sich auf einen Baumstumpf, Mutter Füchsin zog einen Strickstrumpf hervor, und Papa Fuchs zündete sich ein Stummelpfeifchen an. Die Jungen sprangen und tollten herum wie die Affen.

Wir schwiegen mäuschenstille. Da fing der alte Fuchs an zu plaudern. »Mutter«, sagte er, »ich bin die Mäuse jetzt gründlich satt. Es ist kein gutes Fressen für einen ordentlichen Fuchs. Du musst besser kochen.«

Frau Füchsin kratzte sich mit der Stricknadel unter der Haube und sagte: »Dann schaff mir etwas Besseres in die Küche. Übrigens, vorgestern haben wir doch noch ein junges Feldhuhn gehabt, das war delikat.«

Papa Fuchs spuckte aus: »Ich habe bloß ein paar Knochen davon bekommen. Du steckst alles den kleinen Bälgern ins Maul.«

»Wie kannst du so sprechen?«, rief die Füchsin, »die lieben Kleinen wollen doch auch leben.«

Papa Fuchs zog einige dicke Rauchwolken aus seinem Stummel.

»Mutter«, fing er nach einer Weile wieder an, »ich probiere es wieder auf dem Weidenhofe. Da ist ein Brett lose am Hühnerstall, und ich denke, die Küken sind jetzt gut herangewachsen und stichfett.« Er schmatzte ordentlich vor Lust.

»Nimm dich in Acht vor dem bösen Hund«, warnte Frau Füchsin.

»Oh, der liegt an einer Kette«, grinste der Rote und zeigte dabei alle seine weißen Zähne.

Frau Füchsin schaute sich unruhig um: »Was ist dahinten los?«

Der Fuchs stand auf und schaute gespannt herüber. »Hat nichts zu sagen«, sagte er dann, »das verrückte Volk treibt wieder sein Unwesen.«

»Wer?«, fragte die Füchsin. »Ach – die Elfen!«, murrte er.

Da sah ich ein merkwürdiges Schauspiel. Erst meinte ich, ein weißer Nebelstreif schwebe über der Lichtung, aber bald erkannte ich lustige Frauengestalten in langen Schleiern. Sie hielten sich an der Hand und tanzten einen seltsamen Reigen, und ich vergaß alles im Zuschauen. So wunderschön war es.

Als ich wieder zu mir kam, war die Fuchsfamilie verschwunden, und der Mond – wo war der Mond? Der stand wahrhaftig oben hoch am Himmel. Ich schlich in meine Klause zurück.

In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber

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