Читать книгу In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber - Augustin Wibbelt - Страница 23
Aprilscherze
ОглавлениеSchnell herein, schnell herein in meine Klause! Da kommt schon wieder ein Schauer. April tut, was er will. Er ist ein wetterwendischer Herr. Hört ihr? Nun prasseln die Graupeln ans Fensterchen, dass es nur so klirrt, und man könnte meinen, der gestrenge Herr Winter habe das Regiment wieder genommen. Aber es ist nicht so. Herr Winter ist abgereist zum Nordpol, wo er sein Sommerschloss stehen hat, ganz aus blankem Eise erbaut. Dort fährt er auf dem Schnee spazieren, und zwei zottige Eisbären ziehen den Schlitten. Ich glaube aber, der junge Frühling ist ein wenig eingeschlafen, und nun treibt der April einen Schabernack.
Vielleicht hat der Frühling auch sein Pläsier an diesen Neckereien, der April ist nämlich ein Hofnarr. Ich weiß es sicher, denn ich bin ihm neulich begegnet. Er trug ein weißrotgestreiftes Kleid und eine Narrenkappe mit Schellen daran. Mit dem einen Auge weinte er, und mit dem anderen schaute er spitzbübisch blinzelnd in die Welt.
Ich war gerade aufgestanden und schaute gähnend durchs Fensterlein in den frischen Morgen. Es war mir noch etwas steif in den Gliedern, und ich musste niesen.
»Gesundheit!«, rief es draußen, und als ich um die Ecke schaute, da stand der närrische April da in seiner ganzen Fastnachtsherrlichkeit. »Danke schön!«, sagte ich höflich und nahm eine Prise und bot ihm auch eine an, denn auch ein alter Waldbruder zeigt noch gern, dass er Lebensart hat. Der April griff mit spitzen Fingern zu und schnupfte – und Hussa! Er nieste, dass die dunkle Wolke, die gerade über meiner Waldklause stand, kopfüber hinter die Bäume purzelte und der ganze blaue Himmel lachte.
»Starker Tabak, Waldbruder«, sagte der April, »so recht etwas für unsereinen. Wollt Ihr nicht ein bisschen spazieren gehen? Die Sonne scheint so prächtig, Ihr könnt den Mantel zu Hause lassen.« Dann machte er noch ein freundliches Kompliment und verschwand. Ich machte mich also auf den Weg. Aber ich war noch keine hundert Schritte gegangen, da prasselte mir ein kalter Regen um die Ohren, dass mir Hören und Sehen verging.
»Liebe Tante Tanne«, rief ich, »sei so gut und nimm mich unter deinen grünen Regenschirm!«
»Komm her, komm her!«, sagte die gute Tante und spannte so eilig ihren Schirm auf, dass sie mir mit den spitzen Nadeln fast die Augen ausstach.
Ich kauerte mich nieder, so gut es ging, und ehe ich mich versah, hatte ich einer Spitzmaus auf das Schwänzlein getreten. Es war mir sehr peinlich, denn Spitzmäuse sind feine Damen; sie sind nahe verwandt mit den Haselmäusen, und die sind schon vom Adel.
»Bitte sehr, mein Herr!«, piepte die Spitzmaus in aller Entrüstung.
»Exkusez, Madame«, sagte ich, so fein und zierlich, wie ich es nur herausbringen konnte.
Als sie hörte, dass ich Französisch sprach, wurde sie gnädig gestimmt und knüpfte ein gebildetes Gespräch mit mir an über die neueste Literatur. Sie schwärmte für den Dichter Waldemar Bonsels und fand ihn »himmlisch süß«.
»Er ist dem steifen Goethe bedeutend überlegen«, piepte sie. Es wurde mir etwas unbehaglich, und ich freute mich, als ein kleiner Sonnenstrahl hereintanzte und lachte wie ein Spitzbube.
»Das grelle Licht verdirbt die zarte Hautfarbe«, sagte die Spitzmaus und zog sich zurück.
Ich ging meiner Wege. Da stand der bunte Geck, der April, in den triefenden Sträuchern und lachte: »Wünsche, wohl geruht zu haben!«
»Du Schelm!«, drohte ich um und wandte ihm den Rücken. Da blies er mir mit vollen Backen einen Wind nach, dass meine Kutte sich aufblähte wie ein Ballon. Auf ein Haar wäre ich über alle Bäume geflogen. Für den Spott brauchte ich nicht zu sorgen.
Der rote Fuchs grinste über den Wall und schrie: »Waldbruder, was kommt Euch an? Wollt Ihr das Fliegen lernen?«
Im Augenblick war es wieder ruhig in der Luft, und Frau Sonne guckte durch ein Wolkenloch mit ihrem breiten Gesichte. Es wurde mir warm auf dem Rücken, und ich dachte: Es ist doch gut, dass ich den Mantel zu Hause gelassen habe!
Da – was war das? Prrrr – klirrte es mir um die Ohren, dass ich meine Kapuze nicht schnell genug hochziehen konnte. Ein Hagelschauer prasselte nieder, und die Eiskörnlein hüpften und sprangen um mich herum und riefen: »Fang mich! Fang mich!«
Ich stellte mich hinter einen dicken Eichenstamm und schnaufte vor Ärger.
»Na, na, was machst du da?«, kam eine tiefe Stimme von oben aus dem Wipfel. Ich schaute herauf. Wahrhaftig, da saß Großvater Rabe auf einem kahlen Ast und plusterte sich. Ich hatte ihn lange nicht mehr gesehen.
»Großvater«, rief ich erfreut, »lebst du noch? Wie bist du durch den Winter gekommen?«
»Recht und schlecht«, krächzte er und kraute sich mit einem Bein den ruppigen Kopf. »Wenn du einen alten Schinkenknochen hast, woran noch ein Happen Fleisch sitzt, dann wirf ihn mir heraus. Ich habe Hunger.«
»Soll geschehen, Großvater«, sagte ich und wollte fragen, wie es denn der Großmutter ginge. Da reckte er die Flügel, rief »Rab! Rab!« und flog weg.
Sieh, da war wieder das schöne Wetter. Man hätte schwören mögen, es sei Maitag. Richtig fing auch der Zaunkönig an zu singen: »Alles neu macht der Mai«, und ich wandelte weiter. O weh, ich ließ mich verleiten und ging zu weit. Im Handumdrehen fing es wieder an zu regnen, und ich wurde so gründlich durchgeweicht, dass ich spornstreichs zu meiner Klause zurücklief. Ich dachte: Das gibt einen fürchterlichen Schnupfen, und zündete ein Feuer an, um mich zu trocknen. Meine Kutte dampfte wie ein siedender Kessel.
Da klopft es an mein Fensterlein. Ich schaue auf und sehe den bunten Narren April draußen stehen im hellen Sonnenschein.
Er schüttelte die Narrenkappe, dass die Schellen klingelten, und rief: »Waldbruder, wollt Ihr nicht spazieren gehen? Die Sonne scheint prächtig.«
Ich habe ihm eine lange Nase gemacht, und da lachte er laut auf. So treibt der April seinen Schabernack mit eurem Waldbruder.