Читать книгу "Alles schaukelt, der ganze Bunker schaukelt" - Barbara Halstenberg - Страница 8

Bombenkrieg »Ich höre Geräusche, das Knirschen der Trümmer über mir.« Winfried L.

Оглавление

(Geboren 1938 in Berlin, Malermeister)

Ich erinnere mich an das erste Mal, wie ich als Kind mitbekam, was Krieg bedeutet. Ich hatte eine Spielkameradin. Meine kleine Freundin Ilse und ich waren unzertrennlich, wir waren den ganzen Tag zusammen. Sie wohnte mit ihrem Opa zwei Häuser weiter. Bei Luftalarm konnte es der Opa nicht ertragen, in den Keller zu gehen, weil er im Ersten Weltkrieg in einem Graben verschüttet gewesen war. Deswegen blieb er mit Ilse in der Wohnung. Wäre ich mit meiner Familie in der Wohnung geblieben, wäre uns kein Haar gekrümmt worden. Bei Ilse war das anders. Das Haus wurde getroffen. Der Opa und Ilse stürzten mit der ganzen Wohnung in den Keller. Dann war Ilse nicht mehr da. Einfach nicht mehr da.

In den letzten Kriegstagen wohnten wir quasi im Keller. Zu der Zeit war das nichts Außergewöhnliches. Es ging Millionen anderen auch so. Neben unserem Mietshaus lag ein öffentlicher Luftschutzkeller, der bei Alarm oft überfüllt war. Deswegen suchten wir Hausbewohner in der Krypta unter dem Altarraum der angrenzenden Kirche Schutz. Dort hatte jede Familie, auch wir, ihren eigenen, aber engen Platz sicher.

Es war Ende April 1945. Wegen der heftigen Straßenkämpfe hatten wir die Krypta seit Tagen nicht mehr verlassen. Tag und Nacht saßen wir dort unten mit etwa 70–80 Menschen in der Dunkelheit zusammen. Es war ein Halbdunkel. In meiner Erinnerung ist nur schwaches Kerzenlicht, das die Krypta etwas erhellte. Oft hörten wir in dichter Folge intensive Detonationsgeräusche. Wir spürten jede Bombe und jeden Granateinschlag. Schlugen sie in der Nähe ein, bebte der Boden unter den Füßen, es wackelte und vibrierte. Viele Erwachsene weinten dann leise oder stierten abwesend vor sich hin. Ich beobachtete sie. Bei heftigen Angriffen flehten einige von ihnen den Pfarrer und die Ordensschwestern an, die mit uns in der Krypta saßen: »Beten Sie doch mit uns! Singen Sie was mit uns!« Und dann beteten alle laut mit. Damals konnten die Menschen die Gebete noch auswendig. Heute ist das nicht mehr so, manche wissen gar nicht mehr, was ein Gebet ist … Zusammen sangen wir Marienlieder und auch christliche Lieder, die die Evangelischen mitsingen konnten. Während sie sangen, vergaßen die Menschen für ein paar Minuten, was um sie herum passierte. Sie fanden ihren Trost in den Gebeten und den Gesängen. In Erinnerung ist mir noch ein altes Ehepaar. Beide hatten furchtbar geschimpft, ihren ganzen Frust rausgelassen, wie der Herrgott so einen Krieg zulassen kann! Sie wollten von der Kirche überhaupt nichts wissen. Aber mit einem Mal beteten sie mit, richtig laut! Daran erinnere ich mich.

Wir waren ungefähr zehn Kinder in der Krypta. Manchmal spielten die Schwestern mit uns. Dann lenkten sie uns ab von der Angst, der Verzweiflung und der Passivität, die wir Kinder bei den Erwachsenen förmlich spüren konnten und die sich auf uns übertrug. Mutter bewachte und beruhigte uns unten in der Krypta, aber ich konnte ihr die Sorge und Anspannung ansehen. Es muss eine unendliche Enge dort unten gewesen sein. Ich bekomme jetzt noch Platzangst, wenn ich daran denke. Damals kam mir alles so groß vor. Die Luft war schlecht. Ab und zu wurden die beiden Türen hoch zum Kirchenraum geöffnet, um die klare Luft aus der Kirche reinzulassen. Erst dann konnten wir an dem durch die Kirchenfenster eindringenden Licht erkennen, ob es draußen Tag oder Nacht war. Aber dann sahen wir auch das Aufblitzen der Explosionen, und die Kampfgeräusche waren deutlich lauter zu hören. Das verstärkte unsere Angst. Rausgehen sollte keiner, niemand durfte die Luftschutzräume verlassen.

Einmal nutzte ich die Lüftungspause und schlich die Treppen hoch zum Altar. Für mich Siebenjährigen war das ein heiliger Ort. Ich sehe den riesigen Altar noch heute vor mir. Er war aus Marmor und glitzerte golden – so schön und wunderbar. Ich kniete mich vor den Altar. Von draußen hörte ich Kampflärm und Detonationen, doch in diesem Augenblick fühlte ich keinerlei Angst. Ich war fest davon überzeugt: Hier bist du sicher. Hier kann dir nichts passieren. Vor dem Altar fand ich einen Frieden. (Er spricht mit brüchiger Stimme.) Das ist wirklich so! Ein paar Wochen vorher hatte ich dort meine Erstkommunion empfangen. Das war ungewöhnlich früh, aber die Schwestern hatten sich wahrscheinlich gedacht: Wer weiß, ob er seine Erstkommunion sonst überhaupt noch erleben kann?

Ich glaubte fest daran, dass Gott in dem Tabernakel auf dem Hochaltar wohnen würde. Vor dem riesigen Altar kniend dachte ich: ›Mit sieben haste ja noch keine Sünde begangen, nichts angestellt, da kannste ja schon mal mit dem lieben Gott ein Gespräch führen, warum er das alles so macht.‹ Mit flüsternder Stimme bat ich ihn, den Krieg bitte, bitte ganz schnell zu beenden und uns alle, auch unseren Vater, gesund wieder nach Hause zu schicken. Danach dachte ich: ›So, nun haste es ihm aber mal gegeben, das muss er sich mal anhören, der liebe Gott, warum er sowas macht.‹

Mutter bemerkte mein Fehlen und holte mich wieder zurück in den Keller. Und dann, ein paar Tage später, am 26. April passierte es.

Durch einen unbeschreiblichen Lärm wache ich auf. Im Halbschlaf nehme ich wahr, dass mein Körper plötzlich eingeengt ist und ich mich nicht mehr bewegen kann. Ich kriege kaum Luft! Es schießt mir durch den Kopf: Jetzt ist dir das Gleiche passiert wie der Ilse und ihrem Opa! Zugleich bin ich mir sicher, dass mich meine Mutter vermissen und mich schnellstens rausholen wird. Jemand trampelt auf mir rum. Ich weiß gar nicht, was auf einmal los ist. Ich kriege kaum Luft! Und wieder kommt einer und läuft über mich hinweg. Ich höre Geräusche, das Knirschen von den Trümmern. Wieder nähert sich jemand. Und richtig, zack, wieder läuft einer über mich rüber …

Es muss nach Mitternacht gewesen sein, als eine Fliegerbombe durch das Kirchendach flog und im Bereich des Altars explodierte. Der Altar stürzte in sich zusammen und schlug die ganze Decke über der Krypta ein. Alle, die unten saßen, wurden begraben.

Ich weiß nicht, wer mich rausgezogen hat. Vielleicht die Schwestern, vielleicht Leute, die geholfen haben. Die Schwestern gruben mit ihren Händen in den Trümmern. Das habe ich in einem Jubiläumsband der Kirche gelesen, als ich sie vor zwei Jahren das erste Mal wieder besucht habe. Eine Schwester hat damals notiert, dass ich unter den Trümmern lag und die Leute auf mir rumtrampelten. Als ich das gelesen habe, war es mir wieder eingefallen. Es stimmte!

Ich muss in einer Nische gelegen haben, darum bin ich nicht erstickt. Vielleicht war da ein großer Stein. Das weiß ich alles nicht mehr. Schon als Kind habe ich meistens in Bauchlage geschlafen. Das hat mir damals möglicherweise das Leben gerettet. Ich bin wohl unverletzt aus den Trümmern gezogen worden. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich etwas gebrochen hatte oder blutete. Vielleicht war ich der Einzige, der unverletzt war. Das kann ich nicht mehr sagen.

Es war stockdunkel. Wegen des Verdunkelungsgebots durfte auch während der Rettungsarbeiten kein Licht gemacht werden. Wer Licht machte, konnte schwer bestraft werden. Aber vielleicht wäre es mit Licht auch noch schlimmer geworden. Jedes Licht wäre durch das große Loch im Kirchendach und durch die Kirchenfenster nach draußen gedrungen und hätte möglicherweise weitere Angriffe folgen lassen. In dieser Dunkelheit konnten bloß eine Handvoll Leute ausgegraben werden. Einer davon war ich. Wie viele es wirklich waren, habe ich nie erfahren.

Dann setzt meine Erinnerung aus. Ich erinnere mich erst wieder an das Morgengrauen. Man hatte mich in den unzerstörten öffentlichen Luftschutzkeller gebracht und dort zwischen zwei Ordensschwestern auf eine Holzbank gesetzt. Seit Stunden waren keine Schüsse mehr zu hören gewesen, deutsche Soldaten waren nicht mehr zu sehen. Einige Frauen aus dem Keller hatten die Feuerpause genutzt und aus einem unbewachten Proviantlager der Nazis Ölsardinen ergattert. Sie drückten mir eine davon in die Hand. Nun hatte ich etwas zu essen! Eine ganze Dose mit Ölsardinen für mich ganz allein! Wir hatten alle unsere knappen Reserven aufgebraucht – es herrschte Hunger. Noch heute weckt der Duft einer gerade geöffneten Dose Ölsardinen in mir Erinnerungen an diesen Tag. Obwohl ich sie eher selten esse, lagern stets einige Dosen davon in meinem Lebensmittelvorrat.

Viele Leute hatten am Morgen die Kellerräume verlassen, waren auf den Hof gegangen oder unterstützten die Bergungsarbeiten. Plötzlich stürmten alle wieder in den Keller, mit dem Ruf: »Die Russen kommen!« Vier oder fünf fremdartig aussehende Soldaten in verschmutzten Uniformen mit Kalaschnikows in den Händen kamen die Kellertreppe runter. Zwei blieben am Kellereingang stehen, die anderen gingen durch die Räume und musterten jede einzelne Person eingehend. An den Kindern und Nonnen gingen sie wortlos vorbei. Nachdem alle Personen kontrolliert waren, teilte einer der Russen in gebrochenem Deutsch mit, dass der Krieg zu Ende sei und wir nun alle wieder in unsere Wohnungen zurückkehren könnten.

Oben im Hof sah ich zu, wie im Tageslicht in den Trümmern weiter nach Überlebenden gesucht wurde. Soweit ich weiß, fanden sie noch ein oder zwei Verletzte. Ansonsten fanden sie nur Leichen oder Teile davon.

Als Kind war ich nicht in der Lage, nach meiner Familie zu fragen. Ich hatte überlebt, aber ich sah diese Person nicht mehr und auch diese nicht mehr. Ja, dann waren die nicht mehr da. Meine Mutter war nicht mehr da, meine Geschwister waren nicht mehr da … (Die Stimme versagt ihm.) Die sind alle umgekommen.

Ich erinnere mich, wie die Suchenden Leichenteile in Bettlaken und Tischdecken einwickelten. Oben machten sie einen Knoten in die Bündel, damit die keiner sehen musste. Es war nicht so wie heute: Man ruft die Feuerwehr, und die kommt gleich. Es gab nur noch Zivilisten, die dafür nicht ausgebildet waren. Sie legten die Leichen am Rande des Hofes auf die Erde, damit sie identifiziert werden konnten. Die Erwachsenen versuchten, mich von der Suche wegzuhalten, aber das klappte nicht. Wie sollten sie es auch machen? Alles war zerstört. Es konnte mich keiner die ganze Zeit an der Hand halten. Der Hof war ja mein Zuhause. Jedes Mal, wenn ich wieder in den Hof kam, lagen neue Leichen aufgereiht. Sie waren voller Dreck und Staub und mussten erst abgefegt werden, damit die Angehörigen sie erkennen konnten. Ich erinnere mich noch an die Gespräche im Hof.

»Na, wen haben wir denn da gefunden?«

»Na Frau sowieso.«

»Ach Gott, die auch … und die Tochter auch noch …«

Ich bekam schnell mit, dass meine Mutter und meine Geschwister tot waren. Die Mutter war nicht mehr da, die Geschwister waren nicht mehr da … Aber hier (er zeigt auf den Kopf) ist das nicht angekommen. Ich sah meine Mutter dann auf dem Hof liegen. Ich erkannte ihr Kleid, ein helles Kleid mit einem Muster von kleinen Karos in Grün- und Blautönen. Jemand, der da lag, hatte dieses Kleid an, also war das meine Mutter … Die Menschen hatten im Keller meistens ihre guten Kleider getragen, die sie retten wollten, das neueste Kleid oder den besten Anzug. Und im Koffer hatten sie nur das Allerwertvollste runtergetragen. Meine Mutter hatte für meine Erstkommunion über Bezugskarten das neue Kleid mit dem Karomuster bekommen. Daran erinnerte ich mich auf dem Hof sofort, als ich sie dort liegen sah. Von meinen Geschwistern sah ich nichts. Später erfuhr ich von den Nachbarskindern mehr. Kinder haben ja immer solche Ohren und erzählen sich alles untereinander weiter, was sie von den Erwachsenen aufschnappen. Meine kleine Schwester Monika war wohl mit dem Kinderwagen umgekippt, in dem sie geschlafen hatte. Sie war völlig unverletzt gewesen und muss erstickt sein. Meine Mutter war zwischen Trümmern eingeklemmt gewesen und konnte sich nicht befreien. Von meinem Bruder weiß ich nichts. Das kann so stimmen, muss aber nicht.

Auf dem Pfarrhof wurde später eine Grube ausgehoben, in der alle Toten beerdigt wurden. Ich erinnere mich, dass die Leute noch Wochen in den Trümmern wühlten. Von Zeit zu Zeit wurde das Grab wieder geöffnet und wieder ein Bündel mit Leichenteilen beerdigt. Es waren dann nur noch Leichenteile – Arme und Beine –, richtige Menschen fanden sie nicht mehr. Einmal hatte ich in den Trümmern die Überreste eines beigefarbenen Kinderwagens gesehen. Erst viel später wurde mir bewusst, dass es sich um den Wagen gehandelt haben musste, in dem meine kleine Schwester gestorben war, denn es gab nur den einen Kinderwagen in der Krypta.

Als Siebenjähriger machte ich mir Gedanken: ›Haste denn da nun was entheiligt? Hättste da gar nicht zum Altar hochgehen dürfen? Das ist ja dem Pfarrer oder der Geistlichkeit vorbehalten, und du bist einfach da hingegangen, wo du nichts zu suchen hast! Mensch, das hättste nicht machen sollen, jetzt ist der liebe Gott vielleicht ganz böse, dass du da rumgeklettert bist.‹ Als Kind deutete ich das Ereignis ganz anders. Es ist aber auch eine Gnade, dass man in dem Alter noch nicht alles begreifen kann – mit sieben Jahren …

Irgendwann kam der Alltag wieder. Inzwischen war es Mai. Die ersten Vögel saßen in den grünen Laubbäumen im Pfarrhof und zwitscherten. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass einer nicht begriffen hat, wie die Welt einfach so weitergehen konnte … (Er weint.) Jetzt muss ich sagen, es war so. Die Vögel zwitscherten, und wir Kinder spielten wieder auf dem Hof. Trotzdem war für mich nichts mehr wie vorher.

Die Russen hatten mittlerweile mit ihren Ponys in unserem Hof Station gemacht. Der ganze Hof war voller Pferdeäpfel. Wir Kinder wollten die Ponys streicheln, aber das durften wir nicht. Anscheinend waren sie bissig oder an Kinder nicht gewöhnt. Wir Kinder spielten wieder auf dem Hof. Der Alltag musste losgehen, um über das Schlimme hinwegzukommen, das hatten wir begriffen. In den Schuttbergen suchten wir nach den goldenen Mosaiksteinchen, mit denen die Kirchenkuppel verziert gewesen war. Der Bombeneinschlag hatte auch das Mosaik zerstört. Auf dem Schuttberg glitzerten die Steinchen in der Frühlingssonne. Goldene, blaue und grüne Steinchen – wunderschöne Steine, die mir heute noch gefallen würden. Wir Kinder erfanden damit ein Spiel. Wer die schönsten Steine oder die meisten von den goldenen hatte. Die roten und die grünen Steinchen waren selten, von den goldenen gab es am meisten. Wir tauschten sie untereinander. Mit diesen Spielen lenkten wir uns ab. Das kann sich heute keiner mehr vorstellen. Kein Kind würde sich dafür interessieren. Aber damals war das eine Attraktion.

Meine Tante hatte mit meinem Cousin im öffentlichen Luftschutzraum überlebt und wohnte nun in unserer Wohnung. Nachdem ich einige Zeit bei den Schwestern gewohnt hatte, zog ich zu dieser Tante in unsere Wohnung zurück. Ich kannte sie gar nicht, sie war aus dem Osten nach Berlin geflüchtet. Ich hatte sie vorher noch nie gesehen.

Alle, die überlebt hatten, hatten mit sich selbst zu tun. Es war nicht so: »Ach, da ist ja der kleine Winfried, den werden wa mal zu uns nehmen!« Ich wäre auch bloß eine Belastung gewesen. Wenn die Schwestern nicht gewesen wären, die das vielleicht von Beruf aus so machen, dann wäre es mir wahrscheinlich ganz schön mies ergangen damals. Die Schwestern hatten viel zu tun. Sie pflegten die vielen Verletzten und mussten die Organisation der Pfarrei übernehmen. Der Pfarrer, ein Kaplan und sechs Schwestern waren bei dem Einsturz gestorben, die ganze Leitung war nicht mehr da.

Irgendwann im Sommer kam mein Vater zurück. Er war in der Flugzeugindustrie dienstverpflichtet gewesen. Nun waren wir eben beide alleine … bis er eine neue Frau kennenlernte und eine neue Familie gründete. Ich habe keine leiblichen Geschwister mehr, aber Halbgeschwister und Stiefgeschwister, da machen wir überhaupt keinen Unterschied.

Als ich vor zwei Jahren das erste Mal wieder den Kirchhof betrat und die Grabinschriften las, erinnerte ich mich an einige Namen wie den von Herrn Seeliger. Er hatte damals seine 18-jährige Tochter und seine Frau bei dem Einsturz verloren. Er war als Einziger übrig geblieben. Er hat sie selber ausgegraben. In der Nacht hatte er noch immer geglaubt, er fände sie lebend.

Da ist noch vieles zu erzählen. Ich denke zum Beispiel an den Bruder von meinem Spielkameraden. Der Conrad muss bei Kriegsende ungefähr fünfzehn gewesen sein. Seine Mutter hatte ihn in den letzten Kriegsmonaten vor den Nazis versteckt. Ich weiß nicht, ob Sie davon gehört haben? Zum Schluss liefen die Nazis mit einer Armbinde durch alle Luftschutzkeller und suchten nach wehrfähigen Männern. Egal ob alt oder jung, sie mussten alle zum Volkssturm, und meist hat man nie wieder etwas von ihnen gehört. Wir Kinder wussten nicht, wo der Conrad versteckt war, denn wenn wir das rausgeplappert hätten, wäre er wahrscheinlich wer weiß wohin gekommen. In den letzten Kriegstagen hatte ihn seine Mutter mit zu uns in die Krypta genommen und dort in einer Ecke versteckt. Vorm Volkssturm hat sie ihn bewahrt, und in der Krypta ist er umgekommen – mit seiner Mutter zusammen. So wie meine Mutter und meine Geschwister …



Подняться наверх