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Kapitel 1 | Good News

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Only bad news are good news« heißt das Motto der modernen Medienwelt, ein Motto, das so kurzsichtig wie unwahr ist. Mehr denn je brauchen wir die Kraft der guten Nachricht als gesellschaftliches Bindemittel, als Kitt für unsere Gesellschaft. Diese immer wieder achtsam und geduldig aufzuspüren, auch gegen Widerstände, ist eine große Herausforderung.

Ich war vor einigen Jahren eingeladen, an der Kinderuni in Wien eine Vorlesung für Volksschüler zu halten. Ich wählte das Thema »Gute Nachrichten« für diese Stunden und gab den sechs- bis zehnjährigen Kindern die Aufgabe, aus Tageszeitungen und bunten Magazinen gute Nachrichten auszuschneiden. Eine harte Aufgabe! Im Sportteil wurden wir fündig, dort gab es einige Erfolgsmeldungen von siegreichen Sportlern, schließlich fanden wir noch ein paar kleine Meldungen von Lebensrettern, eine erfolgreiche Fünflingsgeburt, das war es aber auch schon! Die Kinder hatten allerdings ihre eigene Art, die Aufgabe zu lösen, und brachten, feinsäuberlich ausgeschnitten, zahlreiche Werbeinserate. Zunächst war ich darüber sehr erstaunt, doch sie erklärten mir ganz logisch, dass die Nachricht »Minus 10 Prozent« oder »Bestpreis« doch eindeutig eine gute Nachricht sei! Ja, jede Zeit hat ihre Kinder, und die haben ihre eigene Art und Weise, auf die Welt zu blicken!

Die Kriterien einer Welt, die von Ökonomisierung in allen Lebensbereichen geprägt ist, haben sich tief in unser Denken und Fühlen hineingefressen …

Was ist nun die »gute Nachricht«? Und was ist die Aufgabe eines Journalisten? Journalistische Verantwortung heißt für mich, nicht nur herauszufinden, was passiert ist. Unseren Zuschauern und Lesern muss durch unsere Arbeit wichtig werden, was da überall passiert! Wir wissen von Elend, Not, Krieg, Armut, Ungerechtigkeit auf der ganzen Welt und bei uns. Aber Fakten und Zahlen und Tatsachen bewegen uns nicht. Wir Menschen sind für persönliche Beziehungen, für unmittelbare Erfahrungen in unserer kleinen Welt geschaffen. Damit Ideen Kraft entfalten, müssen wir sie sehen, spüren. Es müssen Bilder in unseren Köpfen entstehen, wir müssen Beziehungen entwerfen. Dazu ist es wichtig, immer wieder Geschichten von Menschen zu erzählen, die menschlich sind, Gutes tun, verantwortlich handeln, Solidarität leben, um Gerechtigkeit kämpfen.

Der Dalai Lama gibt Journalisten folgenden Rat: »Autoren und Journalisten haben großen Einfluss auf die Gesellschaft. (…) Sie haben indirekt die Macht, Millionen von Menschen Glück und Unglück zu bringen. (…) Journalisten sollten die positiven Seiten des Menschen stärker in den Vordergrund rücken. Im Allgemeinen interessieren sie sich für brandaktuelle Ereignisse, vor allem wenn es sich um Horrormeldungen handelt. Andererseits erscheint es uns nicht der Rede wert zu sein, dass wir unsere Kinder erziehen, uns um die Alten kümmern oder Kranke pflegen.«

Durch eine solche einseitige Berichterstattung besteht die Gefahr, dass wir die Welt eines Tages als Ort voller Gewalt und Schrecken wahrnehmen, denen wir ohnmächtig gegenüberstehen. Wenn jegliche Hoffnung auf eine mögliche Veränderung verloren ist, wozu überhaupt den Versuch unternehmen? Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sind Berichte über gute Taten und Ereignisse von immenser Bedeutung.3

Auch Papst Franziskus betont die wichtige Aufgabe von Journalisten in diesen Tagen. Es gebe, so der Papst, wenige Berufe, die so viel Einfluss auf die Gesellschaft haben wie der Journalismus. Journalisten hätten eine wichtige Rolle und seien auch im digitalen Wandel der Medienwelt eine tragende Säule. Umso größer sei ihre Verantwortung für einen konstruktiven Beitrag zur Verbesserung der Gesellschaft. Dafür müssten Journalisten und Medienmacher im hektischen Arbeitsalltag auch einmal innehalten und sich auf drei wesentliche Dinge besinnen: die Wahrheit lieben, mit Professionalität leben und die menschliche Würde achten. Im ununterbrochenen Fluss der Kommunikation, die 24 Stunden sieben Tage die Woche laufe, sei es nicht immer einfach, die Wahrheit zu finden, sagte Papst Franziskus bei einer Audienz zu Journalisten. In den Grauzonen und dem Für und Wider politischer Debatten sei es die Aufgabe und Mission der Journalisten, Klarheit zu schaffen, der Wahrheit so nah wie möglich zu kommen. Die Professionalität eines Journalisten bestehe vor allem darin, die eigene Arbeit nicht den Interessen von Wirtschaft und Politik zu unterstellen. »Es sollte uns zum Nachdenken bringen, dass die Diktaturen jeder Richtung und Couleur im Laufe der Geschichte nicht nur immer versucht haben, sich der Kommunikationsmittel zu bemächtigen, sondern dem Beruf der Journalisten auch neue Regeln auferlegt haben.«

Zuletzt gelte es für Journalisten, die menschliche Würde zu beachten. Geschwätz bezeichnet Franziskus als eine Form von Terrorismus. »Heute erscheint ein Artikel, morgen wieder ein anderer. Aber das Leben eines Menschen, der zu Unrecht diffamiert wird, kann damit für immer zerstört werden«, warnte der Papst. Der Journalismus dürfe nicht zu einer »Waffe der Zerstörung« einzelner Personen oder ganzer Völker werden. Er sollte auch nicht die Ängste schüren vor Veränderungen und Phänomenen wie Migration, Krieg und Hunger. Vielmehr müsse der Journalismus »Instrument des Aufbaus« werden, Versöhnungsprozesse beschleunigen, eine Kultur der Begegnung fördern. »Ihr Journalisten könnt jeden Tag alle daran erinnern, dass es keinen Konflikt gibt, der nicht gelöst werden kann von Frauen und Männern guten Willens.«4

Es gilt demnach, immer wieder zu überprüfen, was wir in den Mittelpunkt unserer Berichte stellen, worauf wir die Scheinwerfer richten: Höher, schneller, weiter, schöner, besser ist meistens die Devise. Kürzlich sah ich Marcel Hirscher am Cover einer Zeitung, ein erfolgreicher, gut aussehender junger Mann – aber das reicht nicht, das Foto wurde zusätzlich retuschiert! Noch schöner, noch besser, noch glatter, noch jünger, noch erfolgreicher. Wir schaffen uns perfekte Ikonen, um dann selbst nicht mehr zu genügen. Eine absurde Entwicklung!

Aber: Kennen Sie die Namen der reichsten Menschen der Welt, der »Miss World«, der letzten Nobelpreisträger oder Oscar-Gewinner? Wohl kaum. Beifall verhallt! Medaillenglanz ermattet. Die Sieger werden vergessen. Aber den Lehrer, der Ihren Bildungsweg beeinflusst hat, der Freund, der da war, als es Ihnen schlecht ging – diese Namen werden Sie sich merken, Ihr ganzes Leben lang. Diese Menschen machen den Unterschied, können lebenswichtig, ja sogar lebensentscheidend sein. Also hören wir die Leisen, schauen wir auf die angeblich Hässlichen, stützen wir die Schwachen. Seien wir menschlich, und das heißt immer auch, mit Fehlern behaftet. Wie schön, wenn ein Experte, ein Gelehrter, ein Politiker eine Frage einmal nicht beantworten kann. Wie gut tut uns allen ein ehrliches: Ich weiß es nicht.

Bei den täglichen Nachrichten fragen sich viele von uns: Wie kann man das überhaupt noch aushalten? Die Faszination des Grauens ist längst purer Niedergeschlagenheit gewichen. Was ist bloß los mit unserer Welt? Wie kann man je wieder Freude empfinden, an das Schöne und Gute glauben, Trost spenden, Mut machen, Menschen vertrauen? Vielleicht hilft ein kurzer Blick in die griechische Mythologie: Pandora erhält von Zeus eine Büchse geschenkt, die mit allem Unheilbringenden gefüllt ist. Bis dahin hat die Menschheit kein Übel, nichts Schlechtes gekannt. Pandora missachtet den Rat, die Büchse niemals zu öffnen. Kaum hebt sie den Deckel, kommt das Böse heraus und verbreitet sich in aller Welt. Mich faszinierte schon immer das optimistische Ende dieser Geschichte: Denn ganz unten, in den Tiefen der Büchse – und das dürfen wir nie vergessen – wartet: die Hoffnung. Ohne die Hoffnung könnten wir den Rest nicht ertragen.

Welche gute Nachricht habe ich heute

wahrgenommen?

Wann war ich zuletzt selbst der

Überbringer einer guten Nachricht?

Welche gute Nachricht würde ich

gerne als Schlagzeile formulieren und

veröffentlichen?

Was wirklich zählt

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