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Lieben – ein Stufenweg

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Liebe trägt viele Gesichter. Im griechischen Götterhimmel verkörperten gleich drei Götter und Göttinnen die Liebe: Eros, Philia und Agape. Im Christlichen kennen wir die Caritas und jene Kraft, mit der das Christentum so große Probleme hat, dass es sie tendenziell verteufelt hat, den Sexus. Was also ist Liebe und wie kommt man dazu zu lieben?

Erich Fromm29 nennt sie eine Kunst, die es zu erlernen gilt. Darin trifft er sich mit anderen, die den Weg des Menschen zu Gott, der Liebe ist, als einen Weg der Stufen, Erfahrungen und Prüfungen begreifen. Theresa von Avila benutzt die Metapher der Seelenburg, in deren innerstem Zimmer Gott / das Herz wohnt30. Wer dorthin gelangen will, muss alle Arten von Prüfungen bestehen, bis er in die Ekstase des innigen Einsseins mit Gott eintauchen darf.


Abbildung 2: Die Seelenburg nach Therese v. Avila (© Barbara v. Meibom)

Auch Jack Hawley, ehemals US-amerikanischer Unternehmensberater und inzwischen Autor spiritueller Bücher, hat sich dem Thema Liebe zugewendet und ein herausforderndes Buch über Dharmisches Management geschrieben31. Er unterscheidet zwischen sechs Landschaften/Stufen der Liebe. Sie stehen jeweils für eine andere Ebene, mit der sich das Bewusstsein identifiziert.

Die erste Stufe verdient den Namen Liebe nicht zu Recht, denn es ist eigentlich Verlangen (desire), der Wunsch, etwas zu besitzen. Doch dieser Wunsch entspringt nicht der Fülle des Herzens zu geben, sondern dem Empfinden des Mangels. Es ist ein Verlangen, geboren aus der Furcht, nicht genug zu bekommen, getrennt oder isoliert zu sein. Um dieses Gefühl zu überwinden, versucht der Mensch, alle möglichen Dinge (materiell wie immateriell) zu haben oder sich einzuverleiben: Besitztümer, Nahrung, Drogen aller Art, Zuneigung, Anerkennung, Auszeichnung. Es ist die Haltung des Habenwollens, die nie zur Befriedigung führt, denn hinter jedem erfüllen Wunsch taucht der nächste auf, der nach Erfüllung verlangt. Der Weg zur Entfaltung der Liebeskraft fordert daher auf, aus dem Bewusstsein des Mangels zu treten, die Fülle des Lebens wahr- und anzunehmen und die Wünsche loszulassen. In Gesellschaften wie der unsrigen, in denen das ganze Industriesystem auf der kontinuierlichen Erzeugung von Wünschen aufbaut und dies mit suggestiven werblichen Maßnahmen unterstützt, ist die Überwindung der ersten Stufe auf dem Weg zur Entfaltung der eigenen Liebeskraft besonders schwierig.

Die zweite Stufe deckt sich mit dem, was viele Menschen als Liebe erleben und begreifen: Liebe als Gefühl. Wenn wir Liebe spüren, wenn wir uns intensiv zu einem Menschen, einer Landschaft, einer Pflanze, einem Tier oder auch zu Gott hingezogen fühlen, so treten wir ein in einen Zustand der Hochstimmung, in der jeder Nerv, jeder Moment mit zusätzlicher Gefühlsenergie geladen zu sein scheint. Weil wir das Gefühl kennen und um seine Köstlichkeit wissen, sehnen wir uns danach, es zu erleben – wieder und wieder. Dabei vergessen wir oft, dass zu lieben wichtiger ist, als geliebt zu werden: Das Gefühl zu lieben, ist das, was uns im wahrsten Sinne des Wortes erhebt, hoch stimmt.

Landschaften/Stufen der Liebe (Hawley)


(nach Jack Hawley, Reawakening the Spirit in Work (1993), S. 59-71, in: B. Mettler-v.Meibom, Die kommunikative Kraft der Liebe (2000))

Auf der dritten Stufe wird Liebe sichtbar, denn sie äußert sich als eine Handlung des Gebens. Bezogen auf ein anderes Wesen – Mensch, Pflanze, Tier – schenken wir Aufmerksamkeit, Zuwendung, Fürsorge, Hilfe oder Unterstützung. Hier finden wir alle Arten von tätiger Nächstenliebe, Fürsorglichkeit, Hilfe für Familien-angehörige, Nachbarn, Freunde oder Kollegen, den Einsatz für Tiere und die bedrohte Natur.

Auf der vierten Stufe wird diese Fähigkeit, Liebe auszudrücken, um eine besondere Dimension bereichert, um die Kraft, keinerlei Lohn für die geschenkte Liebe empfangen zu wollen. Es ist die selbstlose Liebe, die gibt um des Gebens willen. Es ist die Weise zu lieben, für die gilt: „Liebe ist sich selbst genug“; sie fragt nicht nach Lohn, sie braucht keinen Dank, sie verströmt sich, weil das Herz voll ist. Als ich mir eines Tages gewahr wurde, dass ich Dank als Antwort auf meine Zeichen der Liebe erwartete und mich intensiv fragte, was mich an einer bedingungslosen Liebe hindert, erhielt ich eine überraschende Antwort: Es war und ist mangelndes Gottvertrauen. Wenn ich aus reinem Herzen und freien Stücken etwas schenke und es ganz Gott überlasse, wie dieses Geschenk aufgenommen wird und was daraus wird, dann brauche ich auch keinen Dank mehr. Dann kann ich bedingungslos schenken, so wie wir dies in reinster Form von der Mutterliebe oder von Gott erwarten und erhoffen. Doch in dem Moment, in dem ich mir die Ergebnisse meines Geschenks zurechnen möchte, erwarte ich etwas zurück, und wenn es nur ein Dank ist.

Auf der fünften Stufe ist Liebe als bewegende Kraft spürbar. Es ist die Kraft, die uns dazu drängt, uns selbst zu vervollkommnen, die Kraft, die uns antreibt, anfeuert, uns mit der Liebesenergie in uns und in unserem Umfeld, ja im Universum zu verbinden. Liebe ist hier der Beweger hin zur Einheit, aus der wir gekommen sind. Und zugleich wird hier die Energie spürbar, die die drei vorangehenden Äußerungsweisen der Liebe antreibt; sie bewegt uns, Liebe auszudrücken. Diese Liebe ist Self-Empowerment und verfügt über die Kraft des Empowerment von anderen. Solche Kraft hilft, zu „werden, was wir sind“. Sie ermöglicht eine Potenzialentfaltung aus der eigenen Mitte, dem Raum der Stille, dem Raum der inneren Weisheit, des höchsten Wissens.

Auf der sechsten und letzten Stufe schließlich finden wir die absolute Liebe, die Liebe, aus der wir hervorgegangen sind: Die Namen hierfür sind vielfältig: Spirit, Atman, Gott, Tao, Großer Geist, Urgrund des Seins. Wer die Gnade dieser Liebeskraft in sich entdecken kann, wird zum Ausdruck Gottes in der Welt. Für diesen Menschen gilt der Satz des Augustinus: „Liebe und tue, was du willst.“

Spirituelles Selbstmanagement

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