Читать книгу Dunkel ist die Finsternis - Ben Kossek - Страница 13
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„Was sagst du da, die Bullen waren bei dir?“ Gabriel Schoster sah den Mann, der ihm da gegenübersaß, durch schmale Augenschlitze an. „Und was wollten die?“ Die letzte Frage hatte einen scharfen Unterton, den man nicht überhören konnte.
Thom van Doorn war nervös. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl, der direkt vor Schosters Schreibtisch stand, hin und her, und hätte man ihn in diesem Moment danach gefragt, hätte er zugeben müssen, dass er sich gerade nicht sehr wohl fühlte. Aber er musste seinen Chef über den Besuch der drei Beamten informieren, die da vor genau einer Woche plötzlich vor der Tür des Nachtclubs gestanden hatten. Gabriel Schoster hatte ihn zum Geschäftsführer des ,Crazy Horse‘ gemacht, und er war seinem Chef gegenüber verantwortlich, dass dort alles nach Plan verlief. Und wenn dann unerwartet die Polizei auftauchte und nach seinem Chef fragte, musste er ihn schließlich warnen. Also hatte er Schoster noch am gleichen Tag angerufen. Der war jedoch zu diesem Zeitpunkt drüben in Deutschland. Deshalb hatte Schoster seinen Geschäftsführer erst heute in das Büro kommen lassen, damit dieser ihm Bericht erstatten konnte. Und nun saß Thom van Doorn hier und wäre viel lieber an einem anderen Ort.
„Sie haben nach dir gefragt, Gabriel. Sie sagten, sie hätten ein paar Fragen an dich. Reine Routine. Und jemand hätte ihnen gesagt, dass man dich im ,Crazy Horse‘ finden könnte. Frage mich nicht, wie die darauf kommen. Ich habe keine Ahnung, weshalb sie dich gerade dort gesucht haben.“
„Nun Thom, aber genau das hätte ich gerne von dir gewusst. Wer außer dir könnte mir sonst diese Frage beantworten? Du bist mein Geschäftsführer im ,Crazy Horse‘, also bist du dafür verantwortlich, wenn dort seltsame Fragen gestellt werden.“ Gabriel Schoster sah immer noch durch diese schmalen Augenschlitze, und je länger er das tat, umso unruhiger wurde Thom van Doorn. „Was ist nur mit dir los, Thom? Hast du etwa Angst? Du bist so nervös heute. Du hast dir doch nichts vorzuwerfen, oder?“
Schosters lauernder Blick ließ ihn nicht mehr los. Van Doorn spürte, wie er zu schwitzen begann. Jetzt nur ganz ruhig bleiben, sagte er sich. Denn er hatte sich tatsächlich nichts vorzuwerfen. Und er hoffte darauf, dass Gabriel Schoster das genauso sehen würde wie er. Aber noch klang es nicht danach.
„Nein, Gabriel“, erwiderte Thom nun. „Niemand von meinen Leuten hat etwas verlauten lassen, das schwöre ich. Und ich habe keine Ahnung, woher die verdammten Bullen diese Information hatten. Von uns jedenfalls nicht, auf keinen Fall!“
„Ganz ruhig, Thom. Ich glaube dir. Mich hat nur sehr stutzig gemacht, dass die gleich mit drei Mann bei dir angerückt sind. Die waren nicht nur darauf vorbereitet, mir ein paar ganz belanglose Fragen zu stellen. Die haben irgendetwas herausgefunden, haben etwas erfahren, und das muss ihnen jemand gesteckt haben. Das siehst du doch auch so, oder Thom?“
„Ja, ich glaube auch, dass die aus einem bestimmten Grund bei mir aufgekreuzt sind. Das war kein Zufall.“
„Gut, dann sind wir uns ja einig.“ Gabriel Schoster beugte sich leicht nach vorne, stützte die Ellbogen auf die Schreibtischplatte und formte mit Daumen und Zeigefinger seiner Hände eine Pyramide. „Und du wirst für mich herausfinden, wer dahintersteckt. Hast du mich verstanden? Und du wirst es schnell herausfinden, Thom.“
„Natürlich, ich kümmere mich sofort um die Sache. Du kannst dich auf mich verlassen.“ Thom van Doorn atmete hörbar aus, obwohl er sich fest vorgenommen hatte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Er hatte Angst, ja, natürlich hatte er die! Aber er wollte sich diese Blöße nicht geben, nicht vor seinem Chef. Gabriel Schoster erhob sich soeben hinter seinem Schreibtisch und ging hinüber zur Bar. Er nahm zwei Gläser. Thom van Doorn hörte, wie Eiswürfel in den Gläsern klirrten. Dann goss Schoster in jedes Glas einen kräftigen Schuss Bourbon. Er kam zurück zum Schreibtisch und reichte Thom van Doorn eines der Gläser, während er wieder hinter seinem Schreibtisch Platz nahm und ihm tief in die Augen sah.
„Darauf, dass ich dir vertrauen kann. Du weißt ja, Vertrauen ist immer das Allerwichtigste in unserem gefährlichen Geschäft. Ohne Vertrauen bricht alles zusammen wie ein Kartenhaus. Du weißt, Thom, dass ich mich auf dich verlasse, stimmts? Du hast es nicht vergessen.“
„Ja, das weiß ich. Ich habe es nicht vergessen, Gabriel. Du kannst dich auf mich jederzeit verlassen. Hundertprozentig. Ich werde mich sofort darum kümmern.“ Thom van Doorn spürte das kühle Glas in seinen Händen.
Schoster hob sein Glas und leerte es mit einem Zug. Thom van Doorn tat es ihm gleich. Er kannte Gabriel Schoster schon einige Jahre lang, er kannte ihn sogar verdammt gut. Und er fürchtete seine erbarmungslose Art, mit Leuten umzugehen, die in seinen Augen einen Fehler gemacht hatten. Schoster war kein Mann von ungezügelten Wutausbrüchen. Er war so leise wie eine lauernde Katze, und genau das machte ihn so unberechenbar und gefährlich. Er verzieh nie, und eine solche Unterredung wie die heute hier in seinem Büro sollte ihm, Thom van Doorn, klarmachen, dass er gerade eine letzte Chance bekommen hatte, denjenigen zu finden, der geplaudert hatte. Eine allerletzte Chance.
Thom van Doorn hatte allerdings nicht vor, seinem Chef jetzt schon zu verraten, dass er einen begründeten Verdacht hatte. Er würde heute hier aus diesem Büro gehen und Schoster am Abend anrufen und ihm mitteilen, dass er den Schuldigen, den Verräter, gefunden hatte. Er würde ihm ein schnelles Ergebnis liefern und ihm damit zeigen, dass sein Chef sich auf ihn verlassen und ihm vertrauen konnte.
Aber nicht jetzt und hier. Van Doorn wusste sehr genau, dass er nur wenige Trümpfe im Ärmel hatte, die er sehr überlegt und vorsichtig ausspielen musste. Wenn diese Trümpfe nicht stachen, wäre das die letzte Unterredung mit Bourbon gewesen, die er in diesem Büro mit Gabriel Schoster geführt hatte. Da machte er sich nichts vor, dessen war er sich bewusst.
Schoster sah den Geschäftsführer des ,Crazy Horse‘ scharf an, als er die nächste Frage stellte.
„Ist dir sonst noch irgendetwas aufgefallen. Haben die Bullen gezielt nach etwas gefragt oder eine seltsame Bemerkung fallenlassen? Versuche, dich zu erinnern!“
„Nein, aber einer der Bullen hat mir seine Karte dagelassen für den Fall, dass ich etwas hören sollte über Gabriel Schoster.“ Van Doorn legte die Visitenkarte Luuk van der Beeks auf den Schreibtisch, „Das ist der, der gefragt hat. Die anderen hielten sich die ganze Zeit über im Hintergrund. Die haben sich nur etwas zu neugierig umgesehen.“
„Luuk van der Beek?“ Schoster betrachtete nachdenklich die Visitenkarte. „Den Namen habe ich schon mal gehört. Das ist doch der Bulle, der hinter diesem Waffenschieber her war. Dieser Steelmans, der erschossen wurde. Gut, Thom, du weißt Bescheid. Ich erwarte schnellstens ein Ergebnis von dir.“ Schoster sah noch einmal sehr nachdenklich auf die Visitenkarte und schüttelte den Kopf. Van Doorn war sich nicht sicher, ob die Audienz bereits beendet war. Deshalb blieb er einfach sitzen. Gabriel Schoster sah kurz auf und sagte:
„Und jetzt habe ich zu tun.“
Thom erhob sich sofort und verließ mit einem kurzen Kopfnicken das Büro seines Chefs. Schoster sah immer noch auf die Visitenkarte. Wie kamen die Scheißbullen jetzt gerade auf ihn? Bevor Thom van Doorn hier aufgetaucht war, hatte er schon mit Joris Rijkaard telefoniert. Joris hatte ihn darüber informiert, dass zwei deutsche Bullen, die Teil einer Ermittlungsgruppe hier in Amsterdam waren, an seiner alten Wirkungsstätte in Heinsberg über ihn diverse Erkundigungen einziehen wollten. Aber diese Ermittlungsgruppe war doch wegen Claudius Steelmans zusammengestellt worden, diesem verdammten und neunmal verfluchten Waffenschieber. Wo war er da nur reingeraten? Wo war der Zusammenhang, der sie auf seine Spur gebracht hatte? Zwischen ihm und Steelmans gab es keine Verbindungen, weder persönlich noch geschäftlich! Solange er auch grübelte, Gabriel Schoster konnte sich keinen Reim darauf machen.
Er beschloss, sich über die Bullenärsche in der Ermittlungsgruppe näher zu informieren. Rijkaard hatte da seine speziellen Beziehungen, die er sich zunutze machen konnte. Dann würde er sehen, ob es einen Zusammenhang gab.
Er stand auf, ging zur Bar und genehmigte sich noch einen zweiten Bourbon, diesmal ohne Eis.