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1.

Frederik Mortensen starrte Simon Faltum mit entsetztem Blick an. Dann starrte er auf die Kaffeetasse auf seinem Schreibtisch, die noch halbvoll war. Der Kaffee war allerdings inzwischen kalt. Zuerst wollte er seinen Ohren nicht trauen, aber die Nachricht, die sein Leibwächter und zweiter Mann ihm gerade eben überbracht hatte, war alles andere als erfreulich! Über ihren Spitzel im Präsidium, einen durchaus angesehenen Polizisten, den sie wegen seiner Spielschulden in der Hand hatten, hatte Simon soeben erfahren, dass die Polizei in Amsterdam Hendrik Mulders verhaftet hatte! Und dass bereits vor nahezu einer Woche! Mortensen stieß einen ungehobelten Fluch aus und ließ sich wütend in den wuchtigen Bürosessel hinter seinem Schreibtisch fallen. Er starrte vor sich hin, bevor er plötzlich mit geballter Faust auf die Schreibtischplatte schlug, als wolle er seiner unbändigen Wut über Mulders Verhaftung noch einmal besonderen Ausdruck verleihen. Die Kaffeetasse schepperte auf dem Unterteller und kämpfte kurz ums Gleichgewicht, ohne jedoch ihren abgestandenen Inhalt auf dem Schreibtisch zu verteilen.

Simon Faltum, Mortensens Leibwächter und rechte Hand, sah ausgesprochen gelassen aus. Er kannte die Wutausbrüche seines Chefs, die nicht selten darin gipfelten, dass ein halbvolles Glas Bourbon an die Wand flog. Dann musste man nur schnell ausweichen können, denn in seinem Zorn achtete Mortensen nicht darauf, ob zufällig jemand in der Schusslinie stand. Faltum kannte ihn schon lange, war von Anfang an mit dabei. Er kannte die Firma und ihre Geschäfte so gut wie sein Chef, und er erinnerte sich noch genau, wie sich alle damals das Maul über Mortensen zerrissen hatten, als sie beide damit begannen, ein Netzwerk aufzubauen. Dieser ungeliebte Außenseiter, der sich hier in Kopenhagen breit machen wollte. Sie würden ihm schon zeigen, wo es lang ging und wo die Grenzen waren. Heute redeten sie immer noch über ihn, allerdings jetzt mit großem Respekt, und das war das Einzige, was am Ende zählte. Ja, Frederik Mortensen hatte sich Respekt verschafft!

Aber im Augenblick war der Chef wütend, sehr wütend. Dann sah er plötzlich zu Simon Faltum auf, mit diesem ganz bestimmten Blick in den Augen, und Simon wusste sehr genau, was nun kommen würde. Er kannte diesen Blick, der eine nicht zu erschütternde Entschlossenheit in sich barg. Und eine Hartnäckigkeit, mit der man sich nicht anlegen konnte!

„Wir müssen etwas unternehmen, Simon! Ich war froh, dass Hendrik endlich zu uns kommen würde, nachdem Steelmans das Zeitliche gesegnet hat. Wir brauchen so einen wie Mulders. Und jetzt sitzt er im Knast! Und das können wir nicht so einfach hinnehmen, verdammt!“

Simon Faltum wartete darauf, dass sein Chef noch etwas sagen würde, doch der starrte ihn gerade nur an und neigte den Kopf leicht zur Seite. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als selbst nachzufragen.

„Und was hast Du vor?“

„Das einzig Vernünftige, Simon, das einzig Vernünftige! Wir fahren rüber nach Amsterdam und holen ihn da raus!“ Der eisige Blick, den Mortensen ihm nun zuwarf, ließ keinen Zweifel daran, dass nicht einmal eine Naturkatastrophe ihn von diesem Gedanken würde abbringen können. Er meinte es genauso, wie er es gesagt hatte – wir holen ihn da raus! Simon Faltum hatte es geahnt, aber er wusste auch, dass es nicht einmal ansatzweise einen Plan geschweige denn eine Idee gab, wie so etwas umzusetzen war. Nur den Entschluss, den gab es, und der stand unwiderruflich fest. Sie würden diesen Hendrik Mulders da rausholen!

„Was wissen wir über seine Verhaftung?“, fragte Mortensen.

„Wir wissen, dass er auf einer Raststätte gemeinsam mit seinem Freund, diesem Waldner, eine Frau in ihrem Wagen entführt hat und dass sie sich anschließend mit der Entführten in einer alten Fabrikhalle versteckt hielten. Aber irgendwie sind die Bullen dahintergekommen und haben sie dort in ihrem Versteck gestellt. Es gab wohl eine heftige Schießerei, bei der Waldner ums Leben gekommen ist. Er wurde von einem Beamten des Einsatzkommandos erschossen. Hendrik Mulders wurde verletzt, aber nicht ernstlich. Lag einige Tage im Krankenhaus und ist heute Morgen ins Gefängnis überführt worden.“

„Und wer hat ihn festgenommen?“, fragte Frederik Mortensen mit düsterem Blick.

„Es waren wohl Leute von dieser Ermittlungsgruppe, die dort neu aufgebaut wurde. Van der Beek und Huisman sind dabei, und die haben neuerdings die Unterstützung von drei Deutschen. Sollen angeblich drei Kommissare aus Köln sein, die zuvor schon diesen Claudius Steelmans im Visier hatten. Eine Frau befindet sich auch unter ihnen.“

„Haben wir Namen von denen?“

„Leider nein, aber unser Spitzel versucht, das gerade herauszubekommen. Ich denke, dass wir da schon sehr bald mehr über die Ermittlungsgruppe wissen.“

Mortensen erhob sich hinter seinem Schreibtisch und begann, tief in Gedanken versunken, in seinem Büro unruhig hin und her zu laufen, bis ihn sein Weg am Ende zur Bar führte, wo er wie abwesend zwei Gläser hervorholte, um sie dann mit Bourbon zu füllen. Eines reichte er Simon Faltum.

„Der Kerl soll sich gefälligst beeilen. Wir brauchen dringend noch mehr Informationen über diese Gruppe.“ Sein von Natur aus äußerst kurzer Geduldsfaden schien schon vor geraumer Zeit gerissen zu sein, was den Spitzel betraf. „Mach‘ ihm ordentlich Beine, Simon, er hat schließlich einiges gutzumachen. Ich will vor allem wissen, wer die Deutschen sind. Er soll alles in Erfahrung bringen, was die Aktion mit Mulders betrifft. Sag‘ ihm das. Wenn er ordentliche Informationen liefert, sind seine Schulden damit zum größten Teil abgetragen. Aber wir brauchen ihn jetzt.“

„Kein Problem. Er freut sich sowieso jedes Mal, wenn er mich sieht oder von mir hört.“ Ein süffisantes Grinsen begleitete Simon Faltums Worte, bevor er seinen Bourbon mit einem Zug leerte. Plötzlich fragte Mortensen:

„In welches Gefängnis haben sie Mulders gebracht?“

„Almere, soviel ich weiß.“

„Almere also. Das wird kein leichtes Spiel. Wer von unseren Leuten kann Niederländisch?“

„Nur Jesper Sonnesen.“

„Der Neue?“

„Ja. Ist ein guter Mann. Hat auch schon in Almere gesessen, zwei Jahre wegen schwerer Körperverletzung. Wurde damals in Amsterdam verhaftet und verurteilt. Hatte einen Streifenpolizisten vermöbelt, als der ihn nach Drogen durchsuchen wollte. Das Ganze ist aber schon eine Weile her, aber Jesper dürfte sich dort noch gut auskennen.“

„In Ordnung. Nimm‘ ihn und Jonstrup. Ihr drei fahrt morgen rüber und seht euch dieses Gefängnis in Almere mal genauer an. Findet einen Weg, welche Möglichkeiten wir haben, um Mulders rauszuholen. Ihr habt zwei Tage, mehr nicht. Verstanden?“

„Alles klar.“ Simon Faltum stellte sein leeres Glas neben die Kaffeetasse auf den Schreibtisch und verließ ohne ein weiteres Wort das Büro, um seine Vorbereitungen zu treffen.

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