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14.

Der Mann mit dem Codenamen „Salamander“ saß schweigend in seinem Wagen und zündete sich eine Zigarette an. Er spürte eine gewisse Unruhe in sich. Vor einer Viertelstunde hatte er seinen Fahrgast abgesetzt und nun wartete er auf dessen Rückkehr. Aussteigen und draußen rauchen wollte er nicht. Er wollte verhindern, dass man ihn hier sah. Er hatte das Seitenfenster auf der Fahrerseite ein Stück weit geöffnet, um den Zigarettenrauch abziehen zu lassen. Die Sonne schien an diesem milden Mittwochvormittag, ein schöner Herbsttag eigentlich. Aber der Mann mit dem Codenamen „Salamander“ saß angespannt und tief in Gedanken versunken hinter dem Steuer des Wagens und grübelte vor sich hin. Vor einer Weile, nachdem sein Fahrgast den Wagen verlassen hatte, nutzte er die Gelegenheit. Endlich war er allein. Er hatte Kontakt zu seinem Verbindungsmann im Kopenhagener Polizeipräsidium aufgenommen. Seinem heiklen Auftrag entsprechend war es dem „Salamander“ gelungen, wichtige Informationen zur bevorstehenden Befreiung dieses Notars, Hendrik Mulders, an seinen Verbindungsmann zu liefern. Er hatte im Detail berichtet, wie die Befreiung Mulders ablaufen sollte. Das Einzige, was er noch nicht in Erfahrung gebracht hatte: wohin sich die Bande nach der Befreiungsaktion wenden würde. Er wusste nur, dass sie zuerst zur Scheune zurückkehren und dann auf ihre eigenen Fahrzeuge umsteigen wollten. Den Krankenwagen würden sie dort zurücklassen. So war der Plan.

Aber wohin es danach ging, dass hatten Mortensen und Faltum schön für sich behalten. Aber er würde auch das noch herausbekommen. Denn er war der verdeckte Ermittler, den die Kopenhagener Polizei eingeschleust hatte, und seine Aufgabe war es, die zwielichtigen Machenschaften des korrupten Spediteurs Frederik Mortensen aufdecken und die nötigen Beweise zu liefern, damit der miese verdammte Mistkerl endlich dingfest gemacht werden konnte. Sie waren nun endlich dran an dem Bastard! Und er, Jo, der „Salamander“, würde ihn nicht mehr vom Haken lassen!

Einen Augenblick lang musste er lächeln, als er daran dachte, wie er zu seinem äußerst merkwürdigen Codenamen gekommen war – Salamander! Wer kam schon auf solch einen Namen! Sein Verbindungsmann natürlich, der kannte ihn ja auch schon etwas länger. Und der wusste, dass er das Risiko nicht scheute.

„Ein Salamander ist ein Tier, dass den mythischen Sagen zufolge sogar im Feuer überleben kann, Jo“, hatte ihm sein Verbindungsmann erklärt. „Und du wirst ins Feuer gehen müssen, wenn wir dich bei Mortensen einschleusen. Und das sollte dir bewusst sein, wenn du dich auf den Job einlässt. Du bist der Salamander bei Mortensen, du bist dort mitten im Feuer.“

Das waren die mahnenden Worte seines Verbindungsmannes gewesen, der in diesem Fall auch sein einziger und direkter Vorgesetzter war. Ein hohes Tier im Kopenhagener Präsidium, und er unterstand nur ihm. Nur mit ihm durfte er Kontakt aufnehmen, zu seiner eigenen Sicherheit. Man hatte ihm die Entscheidung überlassen, ob er sich in dieses Feuer begeben wollte, das Risiko tragen wollte, und er hatte ohne Zögern zugestimmt, denn es war sein Job. Seitdem war er der verdeckte Ermittler mit dem Codenamen „Salamander“. Er hatte sich fest vorgenommen, diesen Schweinehund Mortensen ans Messer zu liefern.

Sein Verbindungsmann würde aus den gelieferten Informationen schon die richtigen Rückschlüsse ziehen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Allerdings hatte er noch keine weiteren Anweisungen erhalten, wie er sich nun verhalten sollte. Würden sie nun zuschlagen und den Kerl festsetzen? Er sollte weiterhin beobachten und Informationen sammeln. Denn noch kannten sie nicht den Fluchtplan. Man würde ihn dann rechtzeitig über das weitere Vorgehen informieren.

Jo, der „Salamander“, saß hinter dem Steuer und angelte eine weitere Zigarette aus seiner Packung. Gerne hätte er auf der Fahrt hierher mit seinem Fahrgast gesprochen, doch das war einfach zu gefährlich gewesen – für ihn und für den Fahrgast. Also hatte er geschwiegen und kein einziges Wort an den Mann gerichtet. Und auch der hatte nichts gesagt. Er hatte während der ganzen Zeit nur schweigend und mit unbeweglicher Miene neben ihm gesessen und immerzu nach vorne durch die Windschutzscheibe gestarrt. Merkwürdiger Kerl, dachte Jo. Aber er konnte den Mann gut verstehen.

Und nun saß er hier und wartete. Die Sonne war vor wenigen Minuten hinter einer dunklen Regenwolke verschwunden und es hatte leicht zu nieseln begonnen. Etwas Wind war von Westen her aufgekommen. Das Wetter änderte sich hier schnell. Er hatte das Seitenfenster unten gelassen und spürte die frische Brise und die feinen Regentropfen, die sein Gesicht berührten. Er musste vorsichtig sein, denn sein Job war um einiges gefährlicher geworden, seit man wusste, dass es im Präsidium diesen verfluchten Maulwurf gab, der Frederik Mortensen jedes Mal gewarnt hatte, wenn gegen den Spediteur irgendwelche Maßnahmen oder auch Aktionen in Gang gebracht worden waren. Dieser Verräter war natürlich durch ihn, den „Salamander“, jetzt ebenfalls in Gefahr geraten. Er wusste, dass es einen „Verdeckten“ bei Mortensen gab, und Jo wunderte sich, dass er noch nicht aufgeflogen war, dass er noch nicht verraten worden war und Mortensen in den eigenen Reihen noch nicht nach ihm gesucht hatte. Auf was wartete der Maulwurf? Am naheliegendsten erschien ihm da die Vermutung, dass auch der Kerl wie alle anderen seine Identität nicht kannte, weil man sie so gut geheim gehalten hatte.

Jo kannte mal einen Kollegen, noch aus seiner Zeit, als er bei der Kripo in Odense tätig war, im Drogendezernat. Dieser miese Scheißkerl verprügelte ständig seine Frau. Jedes Mal, wenn er die Hand hob, duckte sie sich vorsichtshalber weg. Eines Tages hatte sich dieser Widerling bei einem Einsatz selbst in den Fuß geschossen, weil er auf einer Treppe gestolpert war. Damals dachte Jo noch, hätte er sich doch besser zwischen die Augen geschossen, dann hätte seine Frau jetzt ihre Ruhe! Aber im Vergleich zu diesem Maulwurf war der prügelnde Kollege noch ausgesprochen harmlos. Denn dieser elende Mistkerl spielte mit dem Leben seiner Kollegen!

Sie hatten begonnen, sich gegenseitig zu jagen. Jo wusste, dass nicht viel Zeit blieb, um den Kerl ausfindig zu machen und ihn zu entlarven, denn je länger dies dauerte, umso größer wurde Tag für Tag die Gefahr, in der er sich selbst befand, die der Maulwurf mehr Zeit hatte, ihn zu finden. Der Verräter würde alle Hebel in Bewegung setzen, um seine Identität aufzudecken und ihn dann an Mortensen zu verraten. Nur dadurch konnte er sich selbst aus der Schusslinie bringen. Aber wie sollte er an ihn rankommen? Wer wusste, wer dieser Maulwurf war? Mit Sicherheit gab es zwei Personen, die ihn kannten: Frederik Mortensen selbst und auch dessen rechte Hand, Simon Faltum, der ihn mindestens zweimal persönlich getroffen hatte!

An Simon Faltum kam er besser ran. Ihm musste er eine Falle stellen, ihn dazu bringen, einen Fehler zu machen. Er wusste nur noch nicht, wie er das anstellen sollte. Er hatte nur eine Chance, wenn er das Spiel mitspielte, um nicht aufzufallen. Nur so konnte er weitere Informationen, die ihnen noch fehlten, nach Kopenhagen geben.

Als er nun aufblickte, sah er, wie sein Fahrgast mit wehendem Mantel gerade über den Parkplatz in Richtung des Wagens kam. Sein Gesicht war immer noch wie aus Stein gemeißelt – unbeweglich. Nichts deutete darauf hin, was in seinem Kopf vor sich ging. Er öffnete die Beifahrertür und stieg ohne ein Wort ein. Lediglich ein kurzes Kopfnicken, mehr nicht. Dann starrte er, wie er es auch schon auf der Hinfahrt getan hatte, nur noch geradeaus durch die Windschutzscheibe.

Der „Salamander“ startete den Motor und lenkte den Wagen vom Parkplatz zurück auf die Straße.

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