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3.

Joris Rijkaard war ein geduldiger Mann. Deshalb konnte er bereits seit dreißig Minuten in diesem kleinen Café an der Prinsengracht auf seinen Informanten warten, ohne unruhig zu werden. Im Gegensatz zu Martijn Westing, der in der Rechercheabteilung des Amsterdamer Polizeikorps arbeitete, war er zeitlich unabhängig. Aber Martijn würde kommen, sobald er sich dort unauffällig entfernen konnte. Joris Rijkaard kannte ihn bereits seit Jahren, fast könnte man sagen, dass sie eine Art Freundschaft verband, und Martijn versorgte ihn gegen gute Bezahlung hin und wieder mit dem, was sich bei der Kripo gerade Wichtiges abspielte. Für Joris Rijkaard war er einer der wichtigsten Informanten, denn Joris war ein Spürhund, ein moderner Fährtenleser, dessen Hauptaufgabe es war, für seinen Chef Gabriel Schoster Leute aufzuspüren, die entweder verschwunden oder untergetaucht waren. Und natürlich brauchte ein guter Spürhund gute Informanten – solche wie Martijn. Wenn man es so sehen wollte, war Joris ein privater Ermittler im Dienste des Drogenkartells von Gabriel Schoster. Er war es schließlich auch gewesen, der vor wenigen Tagen den flüchtigen Hendrik Mulders aufgespürt und die Information an Martijn Westing weitergegeben hatte. Manchmal lief es bezüglich der Informationen auch genau in die andere Richtung, wenn es im Interesse seines Auftraggebers lag. Am Ende konnten die Beamten der internationalen Ermittlungsgruppe Mulders und dessen Komplizen Enrico Waldner in einer alten Fabrikhalle nahe Amsterdam festnehmen und die Geisel, die die beiden auf einem Autobahnrastplatz entführt hatten, befreien. Die junge Frau blieb bei der Befreiungsaktion wie durch ein Wunder unverletzt.

Sein Chef, Gabriel Schoster, besaß mehrere Nachtclubs, die er zur Tarnung seines Drogenhandels betrieb. Dabei achtete der Mann besonders darauf, immer im Hintergrund zu bleiben. Die Clubs wurden stets von sogenannten Geschäftsführern geleitet, die offiziell auch als Inhaber fungierten, doch im Hintergrund zog Schoster die Fäden und führte seine „Unternehmen“ mit harter Hand. Wer ihm in die Quere kam oder aus der Reihe tanzte, riskierte eine harte Strafe, aber auch nur dann, wenn Schoster gute Laune hatte. Wenn dies aber nicht der Fall war, und das war oft nicht der Fall, konnte der Betreffende auch ganz schnell mit einer Kugel im Kopf irgendwo verschwinden. Und aus genau diesem Grund wagte es nur selten jemand, ihn herauszufordern, denn es war bekannt, dass Schoster erstens oft schlechte Laune hatte und zweitens nicht lange fackelte.

Aber Joris Rijkaard hatte keinen Grund, sich zu beklagen, denn Gabriel schätzte ihn und seine hervorragende Arbeit und wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte. Schon oft hatte er Leute aufgespürt, die nur schwer zu finden waren – so wie diesen Notar, diesen Mulders. Und Schoster zahlte immer gut und pünktlich!

Und nun saß er hier bei seinem zweiten Kaffee und wartete auf Martijn Westing. Entspannt blätterte er in einer Tageszeitung, die er herrenlos auf dem Nebentisch liegend entdeckt hatte, als Westing zur Tür hereinkam. Wie immer bestellte der schon beim Hereinkommen, dieses Mal einen Kaffee und ein Schinkensandwich. Erst dann kam er zu Rijkaard an den Tisch und setzte sich. Heute sah Martijn etwas gestresst aus.

„Hallo Joris, wartest du schon lange?“

„Geht schon. Ich habe Zeit. Und, Martijn, du hast hoffentlich gute Neuigkeiten für mich?“

„Das will ich hoffen. Mulders wurde gestern aus den Krankenhaus entlassen und sitzt nun in Almere in Untersuchungshaft ein. Van der Beek und Berger waren heute Vormittag dort, um das Schwein zu vernehmen.“

„Schon etwas durchgesickert?“

„Leider nein. Dafür gibt es andere Neuigkeiten. Gerade, als die beiden zurückkamen, hat man uns gesagt, dass offenbar noch ein weiterer Kollege die Ermittlungsgruppe verstärken soll, und zwar ein Oberkommissar aus Dänemark, aus der Zentrale in Kopenhagen, wie man sagt.“

„Aus Kopenhagen? Was haben denn die Dänen damit zu tun?“

„Es gibt mehr als eindeutige Hinweise darauf, dass die Verbindungen zwischen Steelmans Leuten und den Dänen um diesen Mortensen doch sehr viel enger gewesen waren, als zunächst vermutet wurde. Und offenbar war Hendrik Mulders auf dem Weg nach Kopenhagen, bevor man ihn aufgespürt und verhaftet hat. Der wollte weg von hier, Joris.“

„Ja, ich dachte es mir schon. Das wäre der einzig logische Rückschluss. Weshalb sonst sollte gerade hier in Amsterdam und ausgerechnet vor Mulders Wohnung einer von Mortensens Lastern auftauchen? Die sollten ihn unauffällig von hier nach Kopenhagen schaffen. Weiß man schon, wer der dänische Oberkommissar ist?“

„Ein gewisser Aksel Abrahamsen. Er soll mit seinem Partner schon seit einiger Zeit hinter Mortensen her sein. Bisher konnten sie dem Mistkerl noch nichts nachweisen.“

„Und wann soll dieser Abrahamsen hier eintreffen?“

„Ab Montag ist der schon dabei, so habe ich es gehört.“

„Nun, mir ist nur noch nicht klar, weshalb die Dänen einen ihrer Männer für eure Ermittlungsgruppe abstellen, wenn dieser Mortensen doch in Kopenhagen sitzt.“

„Weshalb die Entscheidung so getroffen wurde, weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass Aksel Abrahamsen ein scharfer Hund ist und er schon seit mehr als zwei Jahren hinter diesem Frederik Mortensen her ist wie der Teufel hinter einer armen Seele. Er und sein Chef Poulsen vermuten schon seit längerer Zeit, dass Mortensen illegal Waffen und Drogen verschiebt. Aber irgendeinen Grund muss es ja geben, dass Abrahamsen genau jetzt zu dieser Ermittlungsgruppe geholt wurde.“

„Schon möglich.“ Joris Rijkaard wusste in diesem Augenblick nicht, inwiefern diese Informationen noch wichtig für ihn werden könnten. Aber er war es gewohnt, alles was er zugetragen bekam, in seinem Kopf abzuspeichern und es bei Bedarf abzurufen. Sein Gedächtnis war hervorragend, und schon manches Mal hatte er aus der hinteren Ecke seines Gedankenspeichers zur richtigen Zeit die genau passende Information abgerufen. Das machte ihn aus, und aus diesem Grund hörte er auch jetzt aufmerksam auf das, was Martijn zu berichten hatte. Man konnte ja nie wissen …

„Ich habe noch etwas erfahren, was dir und Schoster nicht so sehr gefallen wird. Berger und die neue Kollegin Kramer wollen kommende Woche nach Heinsberg fahren, um Erkundigungen über Gabriel Schoster einzuholen.“

„Verdammt! Weshalb das?“ Joris Rijkaard war alles andere als begeistert von dieser Information. Das würde seinem Chef tatsächlich nicht gefallen. Der mochte es nicht, wenn man in seiner Vergangenheit herumschnüffelte. „Woher kommt das plötzliche Interesse an Gabriel Schoster?“

„Drogen.“

„Ich habe es geahnt, dass dieser Drogendeal mit den Esten für ihn nur Probleme bringt. Aber auf mich wollte er nicht hören! Es ist doch wegen des Deals mit den Esten, oder?“

„Natürlich. Wir suchen jetzt intensiv nach Arto Kraana, der unter dem falschen Namen Daan van de Heijden hier in den Niederlanden und auch drüben in Deutschland Waffen verschoben hat, gemeinsam mit Steelmans. Und mit dem hat sich dein Chef nun eingelassen. Es wird langsam eng, Joris.“

„Verdammter Mist aber auch!“, fluchte Joris Rijkaard. Er hatte ein ungutes Gefühl bei dem, was er gerade gehört hatte. Es wäre auch weiterhin gut ohne die Esten gelaufen. Man hatte sie bisher in Ruhe gelassen, weil sie nicht groß aufgefallen waren, aber nun musste Gabriel unbedingt bei den großen Fischen mitmischen – das konnte nicht gutgehen!

In auffallender Eile verabschiedete er sich von Martijn.

Er musste dringend telefonieren …

Dunkel ist die Finsternis

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