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Es ernst meinen
ОглавлениеMit dem höheren Budget kam auch Wladimir Aschurkow an Bord, ein Manager aus der Finanzwelt, der einen ganz anderen Hintergrund hatte als die Anwälte und Politikwissenschaftler, die Nawalny bis dahin unterstützt hatten. Aschurkow sollte als Generaldirektor eine Hauptrolle in der Geschäftsführung des FBK spielen. Als er 2012 in den Medien erwähnt wurde, stellte die russische Presse den zweiundvierzigjährigen Investmentbanker als eine Art Wunderkind mit einer Biographie voller Superlative vor.
Er wurde 1972 in eine Familie der sowjetischen Intelligenzija geboren. Seine Eltern waren Solschenizyn lesende Ingenieure aus dem militärisch-industriellen Sektor. Er ging auf eine der besten Schulen Moskaus, wo er auch Englisch und Deutsch lernte. Danach studierte er an einer der besten Universitäten Russlands, dem Moskauer Institut für Physik und Technologie – der Alma Mater mehrerer Nobelpreisträger. Und schließlich wechselte er auf die Wharton Business School, wo er 1996 einen MBA-Abschluss machte.
Aschurkow arbeitete im Bereich Finanzen für die Investmentbank »Renaissance Capital«, den Hafen von Sankt Petersburg und schließlich für die »Alfa Group«, wo er Direktor für Gruppen-Portfoliomanagement war und etwa eine Million US-Dollar im Jahr verdiente.[180] Als eine der größten russischen Investmentgruppen befindet sich die Alfa Group in Besitz des Oligarchen Michail Fridman. Im Jahr 2012 nannte die russische Ausgabe von Forbes ihn den sechstreichsten Geschäftsmann Russlands, mit einem Reinvermögen von mehr als 13 Milliarden US-Dollar.[181]
Aschurkow erzählte Journalisten, dass er zwar immer an Politik interessiert gewesen sei und liberalen Parteien nahestehe, jedoch selbst nie wirklich in die Politik gehen wollte. Doch habe sich das geändert, als er begann, Nawalnys Blog zu lesen. Aschurkow bot Nawalny seine Dienste an, vor allem seine Expertise in Finanzen und Unternehmensführung.[182]
Bevor er sich der liberalen Opposition annäherte, hatte Aschurkow bei den Präsidentschaftswahlen 2004 für Putin gestimmt. Doch war Aschurkow enttäuscht, weil der Staat nicht in die Infrastruktur investierte – und sich die »Korruption als Regierungsform« etablierte. Die endgültige Enttäuschung war mit der Finanzkrise von 2008 erreicht, als, wie Aschurkow sagte, »manuelle Eingriffe« durch die Behörden die »wirtschaftlichen Mechanismen« ersetzten.[183]
Nawalny beschrieb Aschurkow als Repräsentanten einer Gruppe, von der er glaubte, dass sie in der Zukunft entscheidend sein werde – erfolgreiche Geschäftsleute, die im Ausland hätten leben können, wenn sie dies gewollt hätten. Doch diese Leute wollten es »möglich machen, normal und gut in Russland zu leben«. Leute wie Aschurkow, dachte Nawalny –
»lehnen die gegenwärtige Ideologie der Gauner im Kreml und von ›Einiges Russland‹ ab: Dass Russland eine Grauzone darstellt, in der man Geld verdient … während man sich die Zeit gut und sicher in Europa vertreibt, wohin man auch seine Kinder schickt, um sie vor den kulturlosen Russen zu schützen … Er ist einfach einer der Ersten, die das in der Öffentlichkeit aussprechen, und nicht nur auf den Bürofluren. Deshalb ist er ein großartiger Kerl.«[184]
Aschurkows Chef Fridman war da anderer Meinung. Aschurkow musste sich zwischen der Politik und der Geschäftswelt entscheiden.[185] Das ist die Realität in Russland, wo Opposition und Geschäft einfach unvereinbar sind.[186] Aschurkow gab seine Stelle bei Alfa auf – wie es schien, ohne großes Bedauern.