Читать книгу Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi - Ben Westphal - Страница 11

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Vor den Toren Barcelonas liegt der kleine und beschauliche Küstenort Castelldefels, der in Strandnähe und an seinen pittoresken Klippen mit repräsentativen Villen zeigt, dass hier die Schönen und Reichen von Barcelona am Wochenende ihre Ruhe suchen. Weiter im Landesinneren liegt das alte Stadtzentrum der kleinen Stadt. Es bietet eine Heimat für diejenigen, die sich keinen Wohnraum im Zentrum der lebendigen Mittelmeermetropole Barcelona leisten können. Steigende Mieten und die Umwandlung von Wohnraum zu Ferienwohnungen für die geldeinbringenden Touristen treiben die arbeitende Bevölkerung vor die Tore der Stadt. Direkt am Stadtzentrum liegt ein großes Industriegebiet mit Einkaufsmöglichkeiten, Fabriken, Lagerhallen und Speditionen. Es befindet sich direkt an der Autobahn, über die man in Richtung Süden nach Valencia und Malaga gelangt und nach Norden direkt auf die französische Grenze zusteuert.

Der Lärm vom durchfahrenden Verkehr dröhnt über das Gelände der Spedition Portador in dessen Lagerhallen sich durch Zubringertransporte die mit verschiedensten Gütern beladenen Paletten sammeln. Sie sollen mittels Zugmaschinen in Richtung Zentral- und Osteuropa transportiert werden.

Vor den Hallen parken Lastkraftwagen aus Skandinavien, den Niederlanden und Deutschland. Vereinzelt auch aus dem Baltikum und Polen.

Rückwärts eingeparkt stehen sie an den Hallen, wo emsige Arbeiter die Paletten mit Waschmaschinen, Fernsehern, spanischer Keramik oder anderweitigen Produkten mit surrenden elektronischen Hubwagen klappernd auf die Laster transportieren. Auf den Rampen stehen laut dirigierende Vorarbeiter, die auf ihren Klemmbrettern stets nachschauen, welche Paletten auf die jeweiligen Anhänger zu laden sind.

Bevor die Waren verladen werden, bestückt der Vorarbeiter sie mit Barcodeetiketten und scannt diese ein, um den Transport später verfolgen zu können.

Die Paletten werden an ihrem Ziel in den jeweiligen Ländern dann bei Partnerspeditionen abgeladen und erneut verladen, falls sie ihren Bestimmungsort noch nicht erreicht haben sollten.

Die bereits wärmende Frühjahrssonne brennt auf die Arbeiter nieder, lässt sie trotz der elektrischen Helfer ins Schwitzen kommen, während sie im Akkordtempo die verschiedenen Paletten in die aufgeheizten Laderäume der Aufleger fahren.

Gerade beladen sie an Luke Nummer vier eine blaue Zugmaschine mit weißem Anhänger. Auf dessen Wänden beidseitig mit orange-roter Farbe die Silhouette eines Eichhörnchens abgebildet ist.

Über die Zufahrt zum Grundstück der Spedition fahren immer wieder kleine und große Transporter, kleine Laster oder große Zugmaschinen, die zu transportierende Waren anliefern oder sich mit ihnen auf die weite Reise gen Europa machen.

Direkt gegenüber von der Spedition Portador, getrennt durch eine breite Straße, stehen auf einer weitläufigen Grünfläche drei blaue Vierzigfußcontainer aneinandergestellt. In die Stahlwände sind große Fenster geschnitten, die einen Blick auf das rege Treiben in ihnen zulassen. Die Ausschnitte sind als schattenspendende Vordächer an die Container geschweißt.

In ihnen arbeiten weiß gekleidete Köche, die durchgehend damit beschäftigt sind, Baguettebrötchen in schmackhafte Bocadillos zu verwandeln oder warme Speisen zu kochen.

Unter den vor den Kochcontainern als Sonnensegel aufgespannten, im Wind schwankenden Planen sitzen auf den verteilten Bänken die spanischen und ausländischen Lastwagenfahrer. An hellen Tischen lassen sie sich das spanische Essen schmecken. Ein letzter Genuss bevor sie wieder in ihre Fahrzeuge steigen, zum Teil für lange Zeit einsam in ihren Fahrerkabinen sitzen und alleine zu ihrem vorgegebenen Ziel fahren.

Hier tauscht man sich aus über Fahrtrouten und Baustellen, über Erlebnisse auf den Autobahnen Europas oder über jegliche Sportarten und ihre Ergebnisse.

An einem der Tische sitzt Pawel Kaminski, der vor sich eine große Schale mit einem Eintopf aus Kartoffeln, Paprika und Tomaten, Chorizo und mediterranen Kräutern stehen hat. Er rührt gemächlich mit einem hellen Brot durch die tiefrote, scharfe Soße. Gelegentlich beißt er aufschmatzend ein Stück von dem weichen, vollgesogenen Brot ab.

Auf der hohen Stirn, die von gräulichen, wilden Haaren umrandet ist, und auch auf der Oberlippe, stehen vereinzelte Schweißperlen, die er gelegentlich mit einem Stofftaschentuch abtupft. In die Stirn ragt ein schmaler Haarstrang hinein, dessen Spitzen feucht in den tiefen Falten kleben. Auf der Nase trägt Pawel eine Brille, die ihn seit vielen Jahren durchs Leben begleitet und seine blauen Augen mit einem dünnen grauen Stahlrahmen einfasst.

Unter der schlanken Nase lässt er sich einen schmalen Schnurrbart stehen, der kurz getrimmt ist und seitlich bis in die Mundwinkel reicht.

Der aufsteigende Dampf trägt den herrlich würzigen Geruch in seine Nase, während er die nächsten Bissen zerkaut.

Pawel sitzt etwas abseits der übrigen Gäste. Er mag die Einsamkeit, die ihm durch den Beruf des Fernfahrers täglich gegeben ist. Er scheut die Gesellschaft und genießt den Moment der Ruhe.

Immer wieder taucht er das Brot in die Soße, beißt ein Stück ab, bis der Eintopf spürbar abgekühlt ist, so dass er endlich zum Löffel greifen kann.

Ein leichter Bauchansatz drückt sich über den enggezogenen Gürtel der blauen Jeans, die lässig auf den dunklen Turnschuhen aufliegt.

Nach wenigen Minuten hat er die Schüssel leer gegessen. Er greift nach dem Bocadillo, das er sich vorsorglich für den Abend gekauft hat, und steht auf.

Sein Geschirr lässt er stehen, wischt sich noch einmal den Mund ab und wirft die benutzte Papierserviette in die Schale hinein.

Mit schnellen Schritten läuft Pawel über die Straße in die Einfahrt der Spedition und geht ein wenig langsamer, nachdem er das Gelände der Spedition Portador betreten hat.

Nach kurzer Zeit kommt er an der Luke vier an, wo er vor einer guten Stunde seine Zugmaschine geparkt hatte, um die zu transportieren Güter verladen zu lassen. Auf die Zusammenstellung der Paletten nimmt er hierbei keinen Einfluss. Er achtet nur darauf, dass er das Gesamtgewicht nicht überschreitet und die Ladefläche möglichst sinnvoll mit Europaletten genutzt wird.

Zufrieden blickt er in den Anhänger, der zwischenzeitlich voll beladen wurde. Der Vorarbeiter tritt an ihn heran und überreicht ihm das Klemmbrett mit den Ladepapieren. Pawel unterschreibt an der Stelle, die ihm der Vorarbeiter mit leichtem Brummen und einem blauen Kreuz markiert hat. Er reißt das Original für sich ab und übergibt den Durchschlag samt Klemmbrett an den Vorarbeiter.

«Gracias. Adios», sagt er mit ruhigem Tonfall. Die einzigen spanischen Worte, die er beherrscht. Seit Jahren fährt er immer wieder von Deutschland nach Spanien und zurück. Dennoch hat er es nie für nötig gehalten, sich ein paar mehr Wörter anzueignen, um sich auch hier mal verständigen zu können. Ihn freut es, dass er Polnisch und Deutsch sprechen kann. Das ist völlig ausreichend für sein Leben.

«Hasta luego», antwortet der Vorarbeiter und wendet sich von Pawel ab. Er widmet sich dem nächsten Fahrer, der eine Luke weiter steht und ebenfalls auf die entscheidenden Transportpapiere wartet.

Pawel schließt bereits die Ladetüren, um endlich aufbrechen zu können. Er steigt von der Rampe, geht zum Führerhaus, öffnet die Tür und steigt zum Sitz hinauf. Auf seinem Fernfahrerthron fühlt er sich wie ein kleiner König der Straßen Europas.

Mit lautem Brummen startet der Motor der Zugmaschine und er legt den ersten Gang ein. “Auf geht’s.” ruft er freudig und lässt die Kupplung langsam kommen. Allmählich setzt sich sein Sattelzug in Bewegung.

Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi

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