Читать книгу Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi - Ben Westphal - Страница 8
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Über die Stadtautobahn am Helmut-Schmidt-Airport in Hamburg fährt ein grauer Kombi mit gemütlicher Geschwindigkeit die Rampe zu den Terminals hinauf. Hinter dem Fahrzeug klettert die Sonne über die Dächer von Hamburg empor und hüllt die Glasdächer der Abflughallen in einen goldenen Schimmer.
Während Otto mit konzentriertem Blick das Lenkrad mit beiden Händen umgreift, erzählt Gerd von alten Geschichten, die er in seinen Zeiten im Polizeidienst erlebt hat. Egal, ob mit der Bereitschaftspolizei oder in verdeckten Ermittlungen, Gerd galoppiert durch die Vergangenheit und lacht immer wieder laut auf vor Seligkeit. Seine Worte überschlagen sich leicht beim Erzählen, während sich Otto an den bereits mehrfach gehörten Geschichten erfreut und Dörte auf der Rückbank vor sich hingrollt.
Im eingeschränkten Halteverbot des Terminals bringt Otto das Fahrzeug langsam zum Stehen. Noch bevor der Wagen endgültig anhält, drückt Dörte ihre Tür auf und verlässt die Rückbank fluchtartig.
Gerd schaut auf die Uhr im Armaturenbrett und lässt die Mundwinkel sinken beim Gedanken daran, dass er fast vier Stunden am Terminal verbringen muss, bis der Flieger startet. Noch bevor Otto den Zündschlüssel ziehen kann, ertönt das Klingeln der aktivierten Freisprecheinrichtung. Auf dem Display erscheint in Großbuchstaben “CHEF 2”. Das laute Klingeln schallt aus der offenen Tür im Fahrzeugfond heraus und lässt Dörte vor Schreck zusammenzucken.
«Ist das deine Frau oder Harry?», fragt Gerd neugierig, als er auf das Display schaut.
«Das is’ Harry. Meine Frau ist CHEF 1», antwortet Otto grinsend.
«Dörte, mach mal die Tür zu. Wir müssen telefonieren», ruft Gerd salopp durch die Tür zu ihr hinaus.
«Unser Flieger geht gleich, Gerhard», erwidert Dörte, während ihre Gesichtshaut bereits wieder einen rötlichen Schimmer annimmt und sie nervös und zornig auf ihre schmale Armbanduhr blickt.
«Die zwei Minuten wird der Flieger noch auf uns warten können», antwortet Gerd mit spitzbübischem Gesichtsausdruck, aber auch bestimmendem Unterton in der Stimme.
Wortlos fliegt die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss, kurz bevor Dörte mit stechenden Schritten zu den Gepäckwagen marschiert, vor denen sie stehen bleibt, und beginnt in ihrer Handtasche nach einem Geldstück zu kramen, um einen Gepäckwagen auszulösen.
«Das kann dauern. Willst du nicht langsam mal abnehmen? Nicht, dass er noch auflegt», beginnt Gerd hektisch zu drängen. Ohne eine Antwort abzuwarten, drückt Gerd auf den grünen Hörer auf dem Display und lehnt sich wieder in seinem Sitz zurück.
«Moin Otto. Harry hier. Hast du den alten Mann am Flughafen abgegeben?», begrüßt die vertraute Stimme durch die versteckten Lautsprecher des Radios.
«Der alte Mann hört zu, du Sack», erwidert Gerd, bevor Otto auch nur Luft zum Antworten holen kann.
«Gerd, mein Lieber. Drängt es dich etwa gar nicht?»
«Hör bloß auf. Ich weiß gar nicht was ich da soll. Aber da muss ich jetzt durch. Oder brauchst du mal wieder die Hilfe eines Pensionärs? Alleine kriegt ihr es ansonsten ja nicht gebacken», antwortet Gerd grinsend, während er sich langsam nach vorne lehnt und mit offenem Mund und breitem Lächeln auf eine Antwort wartet.
«Passenderweise habe ich heute einen Hinweis erhalten. Cemal Sarikaya erwartet einen Laster mit Kokain aus Spanien, versteckt in Katzenstreupackungen. Otto, ich schicke dir gleich das Kennzeichen. Kümmer dich bitte darum, sobald du wieder im Büro bist. Den lassen wir uns nicht durch die Lappen gehen», berichtet Harry Goldutt.
«Und wo ist der Laster jetzt?», fragt Otto, der Gerd mit seiner Frage zuvorkommt, dem offenbar dieselben Worte auf den Lippen brennen. Neugierig lehnt sich Gerd dem Radio noch mehr entgegen, als würde Harry Goldutt hinter dem Display sitzen, während sich Otto einmal nervös über die Lippen leckt und sich im Anschluss mit der Hand über den Mund wischt.
«Irgendwas musst du ja auch noch machen. Also, schönen Urlaub Gerd! Otto muss jetzt an die Arbeit», erwidert Harry und beendet im Anschluss das Gespräch ohne eine weitere Verabschiedung. Auf dem Display erscheint wieder ein Hamburger Radiosender und aus den Lautsprechern tönt die hektische Stimme eines Zuhörers, der gerade versucht, schnelle Antworten auf Fragen des Moderators zu geben.
Gerd hört nicht auf das, was dort gesprochen wird, blickt auf und schaut zu Otto, der seinen Blick erwidert. «Ist jetzt nicht sein Ernst, oder?»
«Ich denke schon. Ich wünsch dir eine gute Reise. Dörte ist auch erfolgreich, wie ich sehe», sagt Otto und nickt über die Schulter von Gerd hinweg, wo Dörte mit strengem Blick durch die Beifahrerscheibe in das Fahrzeuginnere blickt. «Gute Reise, Gerd. Lass was von dir hören.»
«Haltet mich auf dem Laufenden. Und wehe ich höre nicht als Erster davon, wenn ihr den Laster kriegt», antwortet Gerd und fixiert Ottos Augen, bis dieser gnädig zu nicken beginnt.
Gerd wendet sich zögernd von Otto ab und schreckt zurück vor Dörtes Gesicht, das unmittelbar vor seiner Scheibe steht und ihn stechend anblickt.
Erst als Gerd den Türöffner betätigt, weicht sie zurück, und ihre Gesichtszüge entspannen sich zügig zu einer frohlockenden Vorfreude.
Gerd steigt mit leidvollem Stöhnen aus dem tiefen Sitz aus und geht zum Kofferraum, aus dem er die Koffer auf den bereitstehenden Gepäckwagen hebt.
Kaum schließt er die Heckklappe, startet Otto bereits den Motor und fährt mit zweifachem Hupen davon.
Traurig blickt Gerd dem eleganten Dienstwagen nach. Nur zu gerne wäre er sitzengeblieben und hätte die Jagd nach dem ominösen Laster begonnen.
«Kommst du, Gerhard?», schrillt Dörtes Stimme aus der großen Drehtür, in die sie in diesem Moment bereits den Gepäckwagen hineinschiebt und hinter einer mit Werbebanner beschlagenen Glastür verschwindet.