Читать книгу Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi - Ben Westphal - Страница 22
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«Wenn Sie sich ruhig verhalten, dann setzen wir Sie jetzt auf das Sofa. Haben Sie mich verstanden?», fragt Scotty langsam und deutlich den glatzköpfigen Mann, der vor ihr auf dem Boden liegt.
«Ich bin hier nur zu Besuch. Ich weiß gar nicht, was Sie überhaupt von mir wollen», antwortet der Mann. «Ich habe nichts getan. Was wollen Sie mir hier vorwerfen? Auf einer Couch hocken und mit einer Konsole spielen?»
«Ihnen wird vorerst gar nichts vorgeworfen. Sie sind zunächst einmal Zeuge in einem Strafverfahren, müssen sich oder Angehörige hier auch nicht belasten. Haben Sie einen Ausweis dabei?», fragt Scotty, während sie dem Mann beim Aufstehen hilft.
«Nee, hab’ ich nicht», antwortet er trotzig.
«Wie heißen Sie denn?»
«Robert Köhler.»
«Sind sie der Bruder von Florian Köhler?», will Scotty wissen.
«Ja, das bin ich. Hat er wieder einmal Scheiße gebaut? Dem ist echt nicht mehr zu helfen», erwidert Robert Köhler genervt und verdreht dabei seine Augen.
«Wir werden die Wohnung jetzt durchsuchen. Wir haben eine Anordnung auf Gefahr im Verzuge von der Staatsanwaltschaft Hamburg vorliegen», erläutert Scotty das weitere Vorgehen.
«Und was machen Sie dann in dieser Wohnung?», fragt Robert Köhler verdutzt und schaut Scotty fragend an.
«Wieso? Was meinen Sie?», stellt Scotty als Gegenfrage und betrachtet den Mann von oben bis unten.
«Na, das ist doch die Wohnung meiner Mutter. Unserer Mutter. Die Wohnung von Flo ist schräg gegenüber. Hier wohnt der seit ein paar Monaten schon nicht mehr. Der Glückskerl hat die Wohnung von einem verstorbenen Vormieter übernommen und genießt weiterhin das Hotel Mutti. Nur hat er zusätzlich seine eigenen vier Wände im selben Haus. Die Miete wird auch noch von Vater Staat bezahlt, weil mein lieber Bruder einfach nichts Gescheites mit seinem Leben anzufangen weiß. Deswegen bin ich auch hier. Meine Mutter hatte mich gebeten, mit ihm noch einmal zu sprechen. Sie kommt einfach nicht an ihn heran. Vor allem nicht seitdem er diese neuen Freunde hat» berichtet Robert Köhler verzweifelt ohne Punkt und Komma.
«Was denn für Freunde?», fragt Scotty interessiert und überlässt dem redefreudigen Bruder gleich wieder das Wort.
«Keine Ahnung. Ich weiß das nur von meiner Mutter, aber Flo soll gar nicht mehr zu Hause sein, hängt nur noch in Harburg rum. Kommt auf einmal mit teuren Designerklamotten nach Hause, obwohl er normalerweise kaum einen Euro fürs Essen überhat.»
«Okay. Danke für die Auskunft, dann entschuldigen Sie die Störung. Wir werden dann mal nach schräg gegenüber gehen», antwortet Scotty und zwinkert dem Bruder freundlich zu, der die Geste mit einem Lächeln erwidert.
In der Wohnung von Florian Köhler beobachtet Cemal die Geschehnisse soweit möglich durch den Türspion. Alle Beamten befinden sich in der Wohnung und er könnte die Gunst der Stunde jetzt nutzen.
Bei den Rammschlägen zuckte er noch zusammen. Aber nachdem die Polizeirufe erklangen und dabei niemand in die Wohnung kam, beruhigte er sich schnell wieder und begann den Rest der Wohnung so schnell es geht zu durchsuchen.
Seitdem er fertig ist, beobachtet er das Geschehen in der schräg gegenüberliegenden Wohnung. Flo hatte ihm mal erzählt, dass er mit seiner Mutter auf einem Flur wohnen würde. Dann sind die Bullen wohl in die falsche Wohnung gegangen, was für Cemal ein Glück im Unglück ist.
Ruhe ist auf dem Flur des Hauses eingekehrt. Cemal schaut noch einmal durch den Türspion und drückt langsam die Türklinke nach unten. Er will möglichst lautlos auf den Flur gelangen, um unbemerkt das Haus verlassen zu können.
Cemal öffnet langsam die Tür und zuckt bei dem leisen Quietschen der Scharniere merklich zusammen. Er hält kurz inne. Geht einen Schritt aus der Tür und zieht die Tür langsam hinter sich zu. Kurz bevor sie komplett schließt, steckt er den Schlüssel ins Schloss und will die Türzunge öffnen, um jedes verräterische Geräusch zu vermeiden.
Doch genau in diesem Moment hört er ein metallisches Scharren auf dem Boden hinter der Tür von Flos Mutter. Schnellstmöglich reißt Cemal die Tür auf und geht zurück in die Wohnung. Er schließt so leise wie möglich die Tür und blickt mit einem Auge durch den Spion. Er will beobachten was auf dem Flur passiert und gegebenenfalls schnellstmöglich wieder zur Couch zurückzulaufen.
Bert hält bereits wieder die Ramme in der Hand und öffnet die Tür. Er konzentriert sich auf die nächste Wohnung, die er gewaltsam öffnen muss. Er will gerade die Wohnung gefolgt von Ernie, Kuno, Blondie und Scotty verlassen, als Robert Köhler in den Flur gelaufen kommt. «Mir ist gerade eingefallen, obwohl ich weiß gar nicht, ob es für Sie überhaupt wichtig ist?» Mit nachdenklichem Blick bleibt er im Flur der Wohnung stehen und schaut Scotty erwartungsvoll entgegen.
«Das können wir erst beantworten, wenn Sie es uns erzählen», antwortet Scotty freundlich.
«Meine Mutter hatte mir nämlich erzählt, dass er seine wertvollen Klamotten immer bei ihr in der Wohnung lagert. So ganz scheint er den neuen Freunden dann wohl doch nicht zu trauen. Die Tasche liegt auf dem Schrank in unserem alten Kinderzimmer. Aber wie gesagt, es sind nur Klamotten. Ich weiß ja auch gar nicht, was ihm jetzt genau vorgeworfen wird. Ich hoffe, ich kann dabei helfen, dass er wieder aus der Klemme kommt», erzählt Robert Köhler freudig und kann die Blicke dabei kaum von Scotty nehmen.
«Da werden wir wohl mal nachschauen. Danke für den Hinweis», antwortet sie und geht in das Zimmer auf das Robert Köhler mit dem linken Arm zeigt. Bert schließt währenddessen wieder die Tür und stellt die Ramme als Notriegel davor ab.
Cemal blickt einmal zur Decke und dankt all den Göttern, die ihn gerade beschützen. Er reißt die Tür auf und wartet nun keine weitere Sekunde. So schnell er kann läuft er zum Treppenhaus und nimmt teilweise mehrere Stufen gleichzeitig. Die letzten drei Stufen springt er hinab und läuft aus dem Haus hinaus zu der am Ende der Kehre stehenden Geländelimousine. Er springt auf den Beifahrersitz und knallt die Tür zu. «Fahr, Hüseyin, fahr los.»
Hüseyin startet den Motor und fährt langsam an. «Wo ich fahren sollen?»
«Egal. Ganz egal. Erst einmal weg hier», antwortet der kreidebleiche Cemal und sinkt in den Sitz, während er mehrfach tief einatmet.