Читать книгу Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi - Ben Westphal - Страница 16
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Im Café International an der Wilstorfer Straße in Hamburg-Harburg herrscht weiterhin reges Treiben vor dem Laden.
Cemal hat sich in das zugehörige Büro auf der Rückseite des Gebäudes zurückgezogen. Zähneknirschend starrt er auf sein dunkles Smartphone und wartet auf Antworten, die er aber seit Längerem schon nicht mehr bekommen hat.
Kleine Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn und der breiten Oberlippe. Immer wieder gibt er den Sperrcode ein, um in das verschlüsselte Messengerprogramm zu gelangen. Er wartet kurz auf neue Nachrichten, aktiviert dann wieder den Sperrbildschirm und legt das Telefon zurück in eine Schublade vom Schreibtisch.
Cemal zieht aus einer auf dem Tisch liegenden, rotweißen Schachtel eine Zigarette heraus und steckt sie sich in den Mund. Es ist bereits die Dritte seitdem er den Raum betreten hat. Nervosität steigt in ihm auf, bei dem Gedanken an die anstehenden Kosten, die er zu begleichen hat. Zwei Wochen hatte er Zeit bekommen, um die Lieferung umzusetzen und den Kaufpreis zu bezahlen. Die Furche zwischen den dunklen, breiten Augenbrauen ist noch tiefer als sonst. Sein Gesichtsausdruck ist leer und der Verlust von Faruk als rechte Hand wiegt noch immer schwer. Niemand war so vorsichtig und verlässlich im Vertrieb, wie sein Freund aus Kindestagen.
Wieder holt Cemal das schwarze Smartphone aus der Schublade und gibt eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen ein. Vom Kontakt Roadrunner hat er noch immer keine Antwort erhalten. Jedes Mal muss er bei ihm warten. Faruk hatte stets sofort geantwortet.
Zumindest arbeitet Roadrunner umsonst für Cemal, um eigene Schulden bei ihm abzuarbeiten. Nachdem ihm Ware geraubt wurde, hat Cemal ihn unter Druck gesetzt, dass er dafür geradestehen muss. Der Raub geschah kurz nachdem Roadrunner das Kilogramm Marihuana von einem Freund von Cemal erhalten hatte. Cemal muss bei dem Gedanken daran leicht Schmunzeln, wie einfach er den Jungen für sich festmachen konnte, durch diesen initiierten Raub. Diese naiven Jungs lassen sich immer wieder von Begriffen wie Stolz, Ehre und Freundschaft einfangen und dann leicht ausnutzen.
Gelegentlich erhält der Junge ein wenig Taschengeld von Cemal zum Leben. Viel braucht er ja nicht. Er wohnt in einer vom Amt bezahlten Bude, hat kein Auto und keinen Führerschein. Er hat keine Arbeit, kaum Freunde und steht somit tagtäglich für kleine Jobs zur Verfügung. Außerdem hat er ein Auge auf die Bedienung von Cemal geworfen. Die machte ihm kurzzeitig schöne Augen, beachtet ihn jedoch schon länger nicht mehr.
Cemal wirft das Telefon in die Schublade und haut mit der linken Faust auf den Schreibtisch, nachdem er sieht, dass er noch immer keine Nachricht erhalten hat. In diesem Moment öffnet sich die Tür hinter ihm und zwei Männer betreten nacheinander wortlos den Raum.
Beide haben einen südost-europäischen Einschlag, aber auch hellblaue Augen. Sie machen einen unscheinbaren und gepflegten Eindruck. Die Haare sind zu Kurzhaarfrisuren geschnitten und feinsäuberlich frisiert. Sie tragen edle Lederjacken und darüber teure Designer-Herrenhandtaschen mit grün-rotem Gurt.
Sie sind von unterschiedlichem Alter, könnten beinahe Vater und Sohn sein, sehen sich dafür aber zu wenig ähnlich. Der Ältere von beiden ist Mitte vierzig und hat einen Dreitagebart. Um den Hals trägt er eine goldene Kette, die stimmig ist zur Armbanduhr. Aus der Jacke wölbt sich ein etwas dickerer Bauch, der durch einen dunklen Wollpulli jedoch kaschiert wird. Die edle Designerjeans liegt sanft auf dunklen italienischen Lederschuhen auf.
Der Jüngere hat eine schlanke, fast schon athletische Figur und das Gesicht ist glattrasiert. Sein stechender Blick fällt auf Cemal herab wie ein überreifer Apfel auf den Rasen. Im Mundwinkel steckt ihm ein Zahnstocher, auf dem er gelegentlich herumkaut. Unter der Jacke trägt er ein blau-weiß gestreiftes Hemd, das er feinsäuberlich in die Stoffhose gesteckt hat. Auch er trägt teure italienische Designerschuhe, allerdings in hellbraun.
Der Jüngere nimmt den Zahnstocher aus dem Mundwinkel. Er kaut noch zwei Mal mit leerem Mund und neigt den Kopf leicht zur Seite, so dass es einmal in dessen Hals knackt.
«Cemal. Du weißt warum wir hier sind?»
«Ja, klar. Aber…», versucht sich Cemal zu erklären.
«Wo bleibt das Geld?», wird Cemal sogleich vom Jüngeren unterbrochen. Der einen weiteren Schritt an Cemal herantritt und ihn mit den Augen fixiert.
Cemal holt tief Luft und beginnt sich zu verteidigen. «Eure Qualität wird…»
«Tschschsch…», zischt der Jüngere wieder dazwischen. «Wenn wir A-Ware liefern, dann ist es A-Ware. Du hast einen guten Preis bekommen und eine weitere Woche Zeit. Mein Lieber, hast du nicht gesagt, du schaffst es? Jetzt wollen wir unser Geld haben.»
«Eine erste Zahlung ist auf dem Weg nach Spanien. Ich habe den Geldkurier gestellt, den ihr dringend gebraucht habt. Der fehlt mir aktuell hier vor Ort zum Abverkauf. Ich brauche noch ein wenig Zeit. Ich erreiche meinen Jungen derzeit nicht. Das Meiste ist verkauft. Wir warten nur noch auf die Gelder», erwidert Cemal mit einer Mischung aus Wagemut und Skepsis in der Stimme.
«50 Kilogramm wolltest du pro Woche umsetzen. Ohne Probleme hast du mir versprochen. In ein, zwei Tagen kommt die nächste Lieferung. Dann erwarten wir den Rest von dir oder du wirst lernen, dass bei Geld die Freundschaft aufhört», sagt der Jüngere trotz der Drohung mit aufgesetzt freundlichem Tonfall.
«Ich kann euch den Rest der letzten Lieferung auch zurückgeben, wenn ihr …», versucht Cemal anzubieten.
«Tschschsch…wir wollen unsere jung aufkeimende Partnerschaft doch nicht bereits in ihren Anfängen gefährden, mein Lieber. Oder? Spätestens morgen Abend zahlst du das Geld und kriegst dann neue Ware. Wir sind da sehr verlässlich.» Freundlich und bestimmt nickt der Jüngere Cemal noch einmal zu und verlässt im Anschluss den Raum. Der Ältere folgt ihm, nachdem er Cemal mit finsteren Augen betrachtet und schließt hinter sich die Tür.
«Fuck! Digger, fuck!», faucht Cemal und fegt mit dem Handrücken die vor ihm stehende Espressotasse gegen die Wand. Sie zersplittert an dem hellen Putz und hinterlässt mit ihrem restlichen Inhalt einen unansehnlichen Fleck.
Cemal holt das Smartphone aus der Schublade und steckt es in die Hosentasche. Er reißt die Tür auf und geht in den Gastraum vom Café. Dort nickt er einem auf dem Barhocker an der Theke sitzenden Südländer auffordernd zu und verlässt anschließend den Raum.
«Was die wollten?», fragt der noch, aber Cemal hat bereits den Laden verlassen und geht auf seine weiße Geländelimousine zu, vor der er auf den älteren Mann wartet.
«Beeil dich. Wir haben zu tun», fordert Cemal den älteren Südländer auf sich schneller zu bewegen. Dieser öffnet zwischenzeitlich per Fernbedienung die Türen und besteigt kurz darauf ebenfalls das Fahrzeug.
Der Motor wird unter lautem Aufbrummen angelassen und das Auto setzt sich kurz darauf mit hoher Beschleunigung in Bewegung.