Читать книгу Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi - Ben Westphal - Страница 25
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Auf einer Fußgängerbrücke, die unmittelbar hinter der spanisch-französischen Grenze verläuft, stehen zwei kleine Kinder mit ihrem Vater und begrüßen freudig jeden Sattelzug, der jeweils mit einem lauten Brüllen aus Motorenrauschen und Fahrtwind auf seine Art und Weise antwortet.
Auch Pawel Kaminski entdeckt die Kinder auf der Brücke und winkt ihnen freudig zu. Sie müssen sofort ihrem Vater davon erzählen, dass der Lasterfahrer ihnen zugewunken hat. Die Kinder sind gleich noch motivierter, die nächsten Laster mit in der Luft schwingenden Armen in Frankreich zu begrüßen.
Aber nicht nur die Mädchen erfreuen sich über die freundliche Geste, sondern auch Pawel steht für die nächsten Kilometer ein Lächeln auf den Lippen. Er stand damals mit seinen Kindern Piotr und Marek auf der Autobahnbrücke in Stellingen und begrüßte die Fernzüge, erklärte ihnen anhand der Kennzeichen, der Anhänger und ihrer Beschriftung immer wieder aus welchen Ländern oder Städten sie kommen und was sie geladen haben könnten.
Die Herzen der Kinder schlugen damals noch für ihren Vater und dessen Beruf. Heute sind sie volljährig, mitten im Studium und gehen ihrer eigenen Wege. Dennoch ist Pawel stolz, dass er ihnen diese Möglichkeiten bieten konnte. Auch wenn er dafür nur wenig zu Hause war und viel Zeit auf den Straßen Europas verbrachte. Jede Mark und jeden Euro hat er in die Zukunft seiner Kinder gesteckt. Er verzichtete auf allen Luxus zu ihren Gunsten. So konnten sie in einer guten Wohngegend aufwachsen, sich auf ihre Schule konzentrieren und brauchten nicht selber jobben, um sich Wünsche zu erfüllen. Bald werden sie Arzt und Lehrer sein und dann werden sie die finanzielle Hilfe ihres Vaters nicht mehr benötigen. Pawel will dann endlich kürzertreten. Weniger Touren fahren, nicht mehr durch ganz Europa, am liebsten so, dass er jeden Abend seine Frau zu Gesicht bekommen kann. Auch wenn sie sich wenig sehen, so ist ihre Liebe zueinander so stark wie am ersten Tag.
Vor Pawel zieht in diesem Moment ein Streifenwagen der französischen Polizei und reißt ihn aus den nostalgischen Erinnerungen. Der weiße Wagen mit den blau-gelben Streifen drängt sich zwischen Pawel und den vor ihm befindlichen Sattelzug. Er hat das Blaulicht aktiviert und reduziert die Geschwindigkeit.
Zwischen den blinkenden Blaulichtern erscheint SUIVEZ-MOI. Pawel kann es nicht lesen, denn auch dem Französischen ist er nicht mächtig. Dennoch ist er sich sicher, dass es dieselbe Bedeutung hat, wie bei den Streifenwagen in Deutschland. In Deutschland kennt er es nur zu gut vom Zoll oder der Polizei angehalten zu werden. Vor allem seitdem so strikt auf die Lenkzeiten geachtet wird.
Aber Pawel nimmt es leicht. In Frankreich ist er tatsächlich noch nie angehalten worden und das ist sicherlich mal eine interessante Erfahrung. Auch wenn er noch keine Ahnung hat, wie sie sich verständigen sollen, denn die Franzosen werden sicherlich auch kein Deutsch sprechen können.
Ein Straßenschild kündigt einen Parkplatz in fünfhundert Metern an. Dann werden sie wohl mit ihm von der Autobahn fahren, um die Tachoscheibe und die Frachtpapiere zu kontrollieren.
Pawel folgt geduldig dem Streifenwagen und setzt noch vor ihm den Blinker, um zu zeigen, dass er sämtlichen Anweisungen folgen wird und sie völlig beruhigt sein können.
Doch der Streifenwagen vor ihm setzt keinen Blinker und so schaltet auch er ihn wieder aus. Verwundert fährt er dem Streifenwagen hinterher bis zur nächsten Autobahnabfahrt kurz vor Perpignan. Über die Ausfahrt fahren sie in Kolonne bis zu einer Mautstation. Pawel sieht, dass inzwischen auch hinter ihm eine Polizeistreife mit Blaulicht fährt.
«Die spinnen doch die Franzosen. Warum machen die hier so einen Aufriss um eine kleine Kontrolle?», fragt sich Pawel selber.
Der Streifenwagen biegt in eine Straße, die von einem Verbotsschild gekennzeichnet ist und an der Mautstation vorbeiführt. Pawel folgt dem Streifenwagen und nach einer Kurve kommen sie neben einem Gebäude zum Stehen.
Vor dem Haus warten bereits mehrere Polizeibeamte in Einsatzanzügen. Einer sitzt auf einem Gabelstapler und fährt in Richtung der Ladeklappe.
Pawel stellt den Motor ab und staunt über das emsige Treiben, das er so nun wahrlich nicht erwartet hatte.
Ein Mann mit langen dunklen Haaren kommt auf die Fahrerkabine zugelaufen. Er trägt in der Mitte einen Scheitel und hat die Haare hinter die Ohren geklemmt.
An seinem linken Oberarm befestigt er gerade noch eine orangefarbene Armbinde, auf der Police geschrieben steht.
«Na, jetzt bin ich aber mal gespannt», sagt Pawel vor sich her und öffnet die Fahrertür.
«Bonjour.» begrüßt ihn der französische Beamte. «Mein Name ist Capitaine Lebrédonchel von der Gendarmerie Perpignan. Wir werden Ihr Fahrzeug auf Drogen durchsuchen. Ich bitte Sie auszusteigen und so lange dort drüben in dem hellen Gebäude zu warten. Ich werde dann wieder zu Ihnen kommen», führt er mit leicht französischem Akzent fort.
Pawel weiß nicht so recht, ob er sich mehr über den in perfektem Deutsch sprechenden Franzosen oder diese offensive Kontrolle wundern soll. Stattdessen geht er folgsam zu dem ihm angewiesenen Platz, um darauf zu warten, dass ihm irgendjemand diesen Aufstand erklärt.