Читать книгу Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi - Ben Westphal - Страница 14
Оглавление11
Im leichten Wind aus Nordosten schwankt eine rote Schaukel an ihren blauen Seilen, die an einem Holzgerüst befestigt sind. Der leichte Plastiksitz schwingt von alleine und lässt die Haken leise quietschen. So leise, dass man es im Wind kaum vernehmen mag.
Hinter der Schaukel liegt, am Ende des gepflegten Rasens, eine Doppelhaushälfte verklinkert mit roten Backsteinen. Die weißen Fenster sind geputzt. Die Küchenfenster werden von einer frisch beblätterten Harlekinweide verdeckt.
Von der Schaukel aus kann man im hell erleuchteten Wohnzimmer zwei Männer sehen. Einer von ihnen sitzt mit einer Lederjacke bekleidet zurückgelehnt auf dem beigen Sofa. Er schaut hinauf zu dem vor ihm stehenden Mann. Dieser redet offenbar auf ihn ein und gestikuliert dabei wild mit seinen Armen.
Er trägt keine Jacke, lediglich ein T-Shirt und eine Jogginghose. Dabei läuft er barfuß auf dem Kirschholzparkett auf und ab.
«Flo, du musst das wieder mitnehmen. Das ist keine A-Ware. Alle beschweren sich. Nur Kopfschmerzen wegen dem Stein. Der Block sieht fest aus, aber wenn man aufmacht, dann bröselt der. Die Leute geben wieder zurück, Digger. Ich habe sogar ohne Gewinn versucht zu geben, aber niemand will», beklagt sich der stehende Mann aufgeregt, reibt das gut gebräunte Gesicht mit seiner tätowierten Hand und kratzt sich im Anschluss am kahlrasierten Hinterkopf.
«Ich kann das nicht auf Menge abgeben. Vielleicht kann jemand das für euch klein, klein verkaufen, aber Digger. Das ist nicht mein Geschäft, Digger. Ihr habt A-Ware versprochen. Direktware, Digger. Das ist auf sicher gestreckt. Ich habe es gekocht. Das hat weniger als 80 Prozent. Ich habe es dir wieder verpackt. Du kannst es direkt mitnehmen.»
Der Mann dreht sich um, geht zu einem der Küchenschränke und entnimmt diesem eine rote Plastiktüte. Er legt sie vor dem ruhig abwartenden Gast auf den Wohnzimmertisch und wartet auf dessen Reaktion. Die stoische Ruhe macht ihn noch nervöser, so dass er weiterhin auf und abläuft in seinem Wohnzimmer.
Nachdem der sitzende Mann mehrfach den Bewegungen mit den Augen folgte, zieht er aus seiner Ledertasche ein Telefon und beginnt darauf zu tippen.
Er schaut zu dem glatzköpfigen Mann auf und blickt wieder auf das Handy. Er tippt etwas ein und wartet.
Nach kurzem Zögern schaut er mit seinen hellblauen Augen empor, drückt sich mit der linken Hand aus der Couch und ergreift mit der rechten Hand die Tüte.
«Wir nehmen es zurück», sagt der junge blonde Mann. Er richtet sich zu vollen zwei Metern Körpergröße auf und geht in Richtung Hauseingang. An der Eingangstür ergreift er einen schwarzen Rucksack, steckt die Plastiktüte in das große Fach, verschließt den Reisverschluss und verlässt das Haus ohne weitere Verabschiedung.
Mit aufgesetzt lockerem Gang geht Flo die Straße entlang und schlurft dabei mit den Sohlen der hellen Sneakers über die grauen Gehwegplatten. Die Hände steckt er tief in die Taschen der abgenutzten Baggyjeans. Kurz darauf zieht er aus der Jacke einen fertig gedrehten Joint und steckt sich diesen an. Mit einem tiefen Zug zieht er den süßlichen Duft in die Lungen und spürt schnell die Wirkung des Amnesia Haze in sich emporsteigen.
An der Bushaltestelle stellt Flo sich ein wenig abseits der ebenfalls wartenden Leute auf. Er zieht ein ums andere Mal an dem Joint, der ihn zunehmend entspannen lässt.
Ein wartendes Pärchen an der Haltestelle wendet sich ihm zu und betrachtet ihn von den Füßen bis zu den blonden Haarspitzen, die ihm über die abrasierten Seiten fallen. Alle anderen Fahrgäste entfernen sich ein paar Schritte. Sie stellen sich bewusst ein wenig weiter von dem jungen Mann auf, dessen blauer Dunst sie alle erreicht hat.
Das Pärchen jedoch lässt noch immer nicht den Blick von ihm abwenden. Während die Frau immer mal wieder in der Umgebung umherschaut, starrt der ältere Kerl ihn durchdringlich an.
«Was guckst denn so blöd? Zieh Leine, Alter!», harscht Flo den älteren Mann an, der sich von der aggressiven Ansprache jedoch nicht einschüchtern lässt.
«Mach du mal lieber deinen Joint aus, mein Lieber», erwidert der Mann. Er geht auf den wesentlich jüngeren Widersacher zu, der ihn verwundert anschaut.
«Sonst was, Oppa?», fragt Flo aufreizend und baut sich provozierend vor dem Mann auf.
«Sonst haben wir beide ein kleines Problem. Hier und jetzt», antwortet der Mann und weicht keinen Schritt zurück.
Flo antwortet mit einem tiefen Zug blauen Dunst, den er dem älteren Mann direkt ins Gesicht pustet.
Beide stehen lauernd gegenüber und starren sich gegenseitig in die Augen. Langsam zieht der ältere Mann eine Karte aus der Jackentasche und hält sie Flo direkt vor dessen Gesicht.
«Die Polizei, dein Freund und Helfer. Und nun machen Sie bitte den Joint aus und geben mir ihre Ausweispapiere», sagt Kuno im ruhigen Tonfall aus seinem vollbärtigen Gesicht. Er beginnt leicht dabei zu lächeln. Dabei fixiert er die entsetzten Augen von Flo. Er sieht, wie sich die eigentlich stark geweiteten Pupillen zusammenziehen und die Schultern in Fluchtrichtung zucken. Doch schon ergreift Kuno routiniert mit der linken Hand den rechten Arm von Flo. Er verdreht den Arm auf dessen Rücken, nachdem er ihn an den langen blonden Haaren packt und zu Boden reißt.
Schneller, als Flo realisieren kann, was gerade mit ihm geschieht, liegt er bereits bäuchlings auf dem Boden. Er bekommt durch die weibliche Partnerin von Kuno die Handfesseln auf dem Rücken angelegt.
«Sie sind vorläufig festgenommen wegen dem Besitz von Betäubungsmitteln. Sie müssen sich nicht zum Sachverhalt äußern und können erstmal einen Anwalt befragen», erklärt Kuno ihm, begleitet von dem metallischen Klicken der Handschellen.
«Hey, Alter. Wegen einem Joint so ein Aufriss? Das kann nicht euer Ernst sein. Das ist Eigenbedarf», erwidert Flo entsetzt. «Das kannst du nicht bringen, Alter.»
Ein langgezogenes Ratschen an seinem Rücken lässt Flo abrupt verstummen. Er legt die Stirn auf die kühle Betonplatte und hofft vergeblich darauf, dass das Unausweichliche nicht geschieht. Leises Knistern verspricht, dass die Wünsche nicht in Erfüllung gehen werden.
«Na, was haben wir denn da, mein Freund», frohlockt Kuno. «Ich denke, da werden wir wohl einen Streifenwagen für dich rufen müssen. Das kannst du gerne den Kollegen vom Rauschgiftdezernat erklären, Alter.»