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Arroganz und Überheblichkeit der Philosophen

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Diotima wirft ihre Haare zurück und blickt trotzig: »Eine meiner wichtigsten Erfahrungen ist, dass falscher Respekt vor anderen Meinungen nicht hilft. Was im Alltag wichtig ist, die Fähigkeit zur kritiklosen Anerkennung des Existenzrechtes anderer Auffassungen, ist im wissenschaftlichen Alltag gefährlich. Hier ist an allem zu zweifeln, alles in Frage zu stellen und jeder Andere als potentieller Dummkopf oder möglicherweise im Irrtum befangen zu sehen.

So hat zum Beispiel Heidegger, der sich als Schüler von Husserl sieht, in seiner Einleitung zu den Grundproblemen der Phänomenologie Sätze geschrieben, die das grundsätzliche Husserlsche Herangehen in Frage stellen, ja sein Werk als großen Fehler entdecken.«

Aspasia schaut Diotima kritisch an: »Aber das ist doch arrogant! Wieso glaubst du, das Recht zu haben, solche Geistesgrößen zu kritisieren? Das wäre ja so, als wenn ich die Sixtinische Madonna übermale und behaupte, ich hätte eine bessere Kunst gemacht!«

Diotima lacht nur: »In der Philosophie ist das etwas ganz anderes. Einen Wissenschaftler ehren und respektieren heißt, sich auf seine oder ihre Schultern zu stellen, ihn zu treten, sich über ihn zu erheben, die Leiter wegzuwerfen im Sinne von: Du warst eine gute Leiter, aber nun brauche ich mich nicht mehr leiten lassen!

Respekt erweisen heißt in der Wissenschaft, diese Thesen als Leiter, als Schulter, als Stütz-Punkt zu akzeptieren. Das heißt nämlich auch Vertrauen und Achtung. Kein Wunder, dass Wittgenstein genau das in seinem berühmten Satz eingefordert hat!«

»Hmm«, entgegnet Aspasia, »da ist was dran. Auf die Aussagen eines schleimigen, unklaren, unsicheren oder gar verlogenen Schreibers kann sich keiner stützen. Wir würden mit unserer Denkbasis zusammenbrechen.«

Diotima strahlt: »Die Fundamente unserer Philosophien können nur mit den klaren Gedanken gebaut werden, den genialen Fehlern und Einseitigkeiten, den Irrtümern, welche entstehen, wenn jemand konsequent den falschen Weg bis zum Ende geht und uns den falschen Weg weist und damit erspart. Einen Philosophen ehren heißt, ihn zu kritisieren, ihn oder sie der Kritik würdig zu finden.«

»Die einfachste Methode«, grinst Hans, »einen Philosophen fertig zu machen, wäre also, ihn nicht zur Kenntnis zu nehmen, ihn nicht zu lesen, ihn zu ignorieren!«

Diotima nickt: »Genau das war es, worunter Nietzsche so gelitten hat: Dass zu seinen Lebzeiten kaum ein großer Denker existierte, der ihn kritisiert hat. Es gab nur eine Frau, die das konnte, Lou Andreas Salomé. Daher vielleicht sein Misstrauen und seine Abneigung gegenüber den anderen Frauen …

Hegel sagt auch, dass die Philosophie nichts für den Pöbel ist, ihrer Natur nach etwas Esoterisches8 und Heidegger ergänzt:

›Die Ansprüche und Maßstäbe des gesunden Menschenverstandes dürfen keine Geltung beanspruchen und keine Instanz darstellen bezüglich dessen, was Philosophie ist und was sie nicht ist.‹ 9

Somit«, schloss Diotima, »ist Philosophie immer respektlos.«

»Scharf geschossen«, bemerkt Hans »Aber beim Kochen ist das nicht anders. Ein Koch steht auf den Schultern der anderen Köche. Er oder sie verändert die Rezepte, probiert Neues und sucht Altes wieder zu entdecken, wenn es in Vergessenheit geraten ist. Respekt in der Entwicklung heißt nicht dogmatisch, sondern konservativ und progressiv sein. Das hat Hegel ja schon bei der Doppeldeutigkeit des deutschen Wortes ›aufheben‹ festgestellt. Aufheben heißt gleichzeitig zu bewahren und zu verändern. Das ist wie bei der Zubereitung einer Kürbissuppe. Da kann jedes Mal was Anderes rein. Diesmal habe ich Kokosmilch und gebratenen Tofu hinzugefügt. Das nächste Mal kommt vielleicht ein wenig Ingwer und Rosinen hinein. Die Basis bleibt aber der Kürbis. So haben wir mit einem Grundrezept die Chance, viele verschiedene Gerichte zu genießen.«

8 vgl. Über das Wesen der philosophischen Kritik überhaupt

9 Grundprobleme der Phänomenologie. Klostermann. 1975 S. 19

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