Читать книгу Status – Lust – Identitaet - Bernd Floßmann - Страница 10
Macht, Gender und Sprache
ОглавлениеMotivationsbücher werden von Pädagogen genauso gern gelesen wie von Führungskräften in Politik und Wirtschaft. Offensichtlich besteht hier ein ähnliches Problem: Wie kann ich dafür sorgen, dass andere Menschen tun was ich möchte? Im Wort »möchte« steckt »Macht«, noch in der Möglichkeitsform, als Wunsch. Dieser Wunsch kann auch so ausgedrückt werden: »Wie kann ich meinen Wunsch nach Macht realisieren?«
Herrschaft wird nicht nur über körperliche Gewalt ausgeübt, Herrschaft beginnt schon bei der Sprache, verbaler Gewalt. Die Macht der Worte und die Macht der Faust koexistiert, machmal in einem Menschen vereint, manchmal auf verschiedene Menschengruppen verteilt. Krieger und Priester, Legislative, Judikative und Exekutive, Papst und König, Wissenschaft und Politik sind verschiedene Agenten der Gewaltausübung. Und es gibt die Gegengewalt von Seiten der Beherrschten: Die Opposition, die Renitenz, die Verweigerung, den Dienst nach Vorschrift, den Streik, die Revolution.
Dass es die Möglichkeit der Herrschaft von oben nach unten gibt, glauben die meisten Menschen sicher zu wissen, dass es eine Herrschaft von unten nach oben gibt, erstaunt immer wieder. Unten und Oben sind Kategorien von Hierarchien. Herrschaft und Knechtschaft sind Kategorien von Beziehungen.
»Herrschaft« bedeutet gemeinhin Machtausübung. »Frauschaft« gibt es nur als seltene Bezeichnung für ein weibliches Team. Das Thema der Nutzung männlicher oder weiblicher Sprachformen in einem Dokument ist ein Thema der Macht und der Herrschaft. Die Reduzierung des Menschen auf den gesunden weißen, reichen Mann ist erst spät entstanden. Männlich kommt ursprünglich von Mensch15, nicht von Mann.
Schon die Benutzung von »Sie« oder »Du« entscheidet über die angestrebte Distanz. Die Kenntnis und die Benutzung von Vorname, Titel oder Nachname entscheidet über die Anerkennung von Status. Die Kombination des Pronomens mit dem Vornamen oder dem Nachnamen sagt etwas aus über die realen oder gewünschten Machtverhältnisse:
•Du und Vorname - Vertrautheit, Brüderlichkeit, Zuneigung
•Sie und Vorname - die Dienstbotenanrede, Distanz und Abwertung
•Sie und Titel und Nachname - Distanz und Hochachtung.
Die Okkupation von Rechten, welche sich aus dem Menschsein ergeben, durch gesunde weiße reiche Männer unter Ausschluss des ganzen Reichtums der anderen Geschlechter wie Frauen, Lesben, Schwule, Transsexuelle, Intersexuelle, Androgyne, Zwitter, ist nur eine Seite des Ausschlusses von Macht durch den Ausschluss aus der Sprache und historisch spät entstanden. In einigen Gesellschaften sind diese Abweichler von der Vorstellung der Zweigeschlechtlichkeit schon immer Bestandteil der Gesellschaft als Muxe in Juchitan (Mexiko), Hijra in Indien oder Katoy in Thailand. Dieser Ausschluss von der Macht galt und gilt historisch auch Kindern, Alten, Armen, Kranken, Ausländern, Farbigen, Behinderten, Andersgläubigen und den Leuten aus dem Nachbardorf und korrespondiert bis heute mit dem Ausschluss von Bildung auf Grund von Reichtum, Herkunft oder Wohnort.
Integration würde bedeuten, diese Personengruppen als Fremde anzuerkennen, welche eingegliedert werden können, sollen oder müssen. Wer »Integration« sagt, erkennt »Fremde« an. Deswegen werden auch inklusive Schulen statt Integration gefordert, denn wer »inklusiv« sagt, erkennt »Ungetrenntheit« an.
Wenn in diesem Text nur Frauen oder andere Geschlechter gemeint sind, werden sie auch als solche bezeichnet, wenn Menschen im allgemeinen gemeint sind, werden die menschlichen Formen benutzt.