Читать книгу Status – Lust – Identitaet - Bernd Floßmann - Страница 15

Das magische Dritte

Оглавление

Renitenzfallen wie die Popanz-Technik können mit einer Technik umgangen werden, welche ich »Das magische Dritte« nenne. Das Dritte ist ein Medium für die Antagonisten. Es können Dinge, aber auch Personen sein, welche die Rolle des magischen Dritten spielen. Versuche, Lernen mit Techniken oder Dingen zu unterstützen, sind so alt wie das Lernen selbst. Schon der Sand, in den etwas geschrieben, ebenso wie der Stock mit dem geschrieben und gegebenenfalls der Lernende motiviert wurde, bildeten Techniken und Medien, mit denen die zwischen Lernenden und Lehrenden vermittelt wurde. Sicherlich hat sich die Komplexität der Mittel, die beim Lehren und Lernen angewendet werden, entwickelt, betrachtet man aber verschiedene »neue« Lernsysteme, so hat sich methodisch und insbesondere im Verhältnis von Lernenden zu Lehrenden nicht wirklich viel geändert.

Immer wieder finden wir die methodische und mediale Verkörperung der Vorstellung von einem Lehrenden und einem oder mehreren Lernenden. Der Lehrende kann und weiß etwas, der Lernende kann oder weiß etwas nicht. In dieser Vorstellung vom Prozess des Lernens fließt das Wissen und Können vom Lehrenden auf den Lernenden über. Widerstände des Lernenden werden durch Motivation (in der Regel behavioristisch auf Belohnung und Bestrafung reduziert) gemindert. Der größte Teil der Aktivität liegt in diesen Modellen beim Lehrenden, dem Geber von Informationen und der größte Teil der Passivität beim Lernenden, dem Nehmer von Informationen.

Mit dem Einsatz von Medien, neuen Lern- und Lehrtechniken, wie zum Beispiel eines Stockes oder von auf das Internet gestützter Lernsoftware verbindet sich immer wieder die Hoffnung, alle Probleme des Lernens zu lösen:

•Weniger Lehrende sollen mehr Lernende unterrichten können (Rationalisierungseffekt),

•Der Widerstand gegen die Einwirkung der Lehrenden soll verringert werden,

•Die Lernorte und Lernzeiten sollen entkoppelt werden,

•Eltern und andere Beteiligte sollen entlastet werden,

•Lernende sollen selbständig und ohne Betreuung arbeiten,

•Lernmaterialien sollen ständig verfügbar sein, unabhängig von Zeit und Raum,

•Lernen soll ohne oder mit weniger Stress möglich werden,

•Sicherheit und Routine sollen gewonnen werden,

•Individuelles Lerntempo soll möglich sein,

•Entwicklung eigener Arbeitsmethodik wird gewünscht,

•Den Lernfortschritt soll selbst eingeschätzt werden,

•Auf unterschiedliche Lerntypen und Lernniveaus soll eingegangen werden können, ohne den Aufwand zu erhöhen (Binnendifferenzierung),

•Renitenz, Widerstand und Ungehorsam sollen reduziert werden.

In der Wirklichkeit jedoch spielen Medien bestenfalls die Rolle des magischen Dritten. Dadurch dass in der Lern- und Machttopographie etwas Drittes vorhanden ist, kann Aufmerksamkeit, Wut, Fokus, Wertung von den Kommunikationspartnern abgelenkt werden. Wie die Assistentin des Zauberers, der sichtbare Feind oder noch besser der unsichtbare Feind (der Terror), der deus ex machina, die ewigen Anderen, welche schuld sind, kann das magische Dritte als Werkzeug zur aktiven Gestaltung der Lern- und Herrschaftssituation genutzt werden.

Die sozialen Kämpfe zwischen Kapital und Arbeit in Israel werden durch die ständige Bedrohung durch den »palästinensischen Terror« ausserordentlich erschwert. Die »Juden« - nicht die reale jüdische Bevölkerung, sondern eine Idee vom »Juden« war das magische Dritte, was den Nationalsozialisten und Faschisten bis heute eine gemeinsame Identität gibt und die Ausbeutungsverhältnisse verschleiert.

Jede Erzählung lebt durch einen starken Feind, deswegen sind Dämonen auch schrecklich, der Teufel gefährlich, der Geheimdienst skrupellos. Die Banalität des Bösen, wie sie im täglichen Leben begegnet, ist in der Erzählung von geringer Wirkung. Verstärkung, Übertreibung und Vergrößerung des Feindes sind Techniken, mit denen die Leistung der Helden erst richtig gewürdigt werden können.

Witze können am leichtesten über Dritte erzählt werden, noch leichter, wenn es sich bei den Dritten um Abstraktionen handelt, wie »Frauen«, »Männer«, Schwiegermütter«, »Politiker«, »Stotterer« oder »die Anderen«. Witze sind nicht möglich zwischen zwei Personen, weil eine Person immer beleidigt sein wird.

Das didaktische Einführen eines dritten Elementes in die Kommunikation, sei es als Akteur, also als Berater, Begleiter, Coach, Supervisor, sei es als passives Element wie Schuldiger, Opfer, Täter, Vertreter, Projektionsfläche, gemeinsames Problem, Medium ermöglicht die Kanalisierung von Spannung, das Verbünden und das Vermitteln.

Zwei Antagonisten an einem Papier, an einer Pinnwand, über Eck an einem Tisch können das Problem zu einem magischen Dritten machen und aus Antagonisten werden Verbündete.

Status – Lust – Identitaet

Подняться наверх