Читать книгу Helmut Schön - Bernd-M. Beyer - Страница 30

Auftakt einer Erfolgsserie

Оглавление

Anfangs also beeinträchtigte das Kriegsgeschehen das DSC-Personal vergleichsweise wenig; vielmehr wurden ihm unverhofft wertvolle Akteure als »Gastspieler« zugeführt. Dazu zählte vor allem der bereits erwähnte Karl Miller, der eigentlich für den FC St. Pauli spielte und als Soldat 1940 nach Dresden abkommandiert wurde. In seiner Dresdner Zeit spielte der Verteidiger zwölfmal für die Nationalelf. Eine weitere wichtige Verstärkung bildete der ebenfalls aus Hamburg stammende Gustav Carstens. In seiner Heimatstadt spielte er viele Jahre an der Seite des Idols Rudi Noack im HSV-Sturm, verlor seine Stärke, als Noack von den Nazis gesperrt wurde, und fand an der Seite Schöns wieder zu alter Qualität. Auch der bis dahin als Seitenläufer für den Planitzer SC spielende Helmut Schubert kam 1940 möglicherweise kriegsbedingt zum DSC.

Schon vor Kriegsbeginn hatte der Verein indirekt von Hitlers Expansionspolitik profitiert. Nachdem der »Führer« mit Billigung der europäischen Großmächte 1938 das Sudetenland »heim ins Reich« geholt hatte, zerfiel dort der bislang professionell geführte Fußball. Der Historiker Stefan Zwicker: »Die beiden damals größten Stars, Heinrich ›Heiner‹ Schaffer und Heiner Kugler vom Teplitzer FK, im März 1938 noch tschechoslowakische Nationalspieler, wechselten zum Dresdner SC, wo sie im Sturm gemeinsam mit […] Helmut Schön spielten.« Ebenfalls 1938 kam der bereits erwähnte junge Walter Dzur aus dem zuvor tschechischen Eger nach Dresden, und 1939 schloss sich Herbert Pechan dem DSC an; er war vorher als Verteidiger wie Schaffer und Kugler beim Teplitzer FK aktiv gewesen.

Derart personell verstärkt, stand der Verein vor den größten Erfolgen seiner Geschichte. Die Saison 1938/39 begann allerdings katastrophal, mit 0:8 Punkten und 0:8 Toren nach vier Spieltagen. »Auch mit Schön – verloren«, titelte der »Kicker« ratlos. Doch danach lief es reibungslos; selbst als Mittelläufer Dzur verletzt war, konnte ihn der vielseitige Schön mit »tadellosem Abwehr- und Aufbauspiel« (»Fußball«) ersetzen. Es waren die Monate, in denen er auch in der Nationalelf großartige Auftritte hinlegte. Am Ende der Saison gewann der DSC die Gaumeisterschaft und qualifizierte sich in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft nach einem Sieg über Fortuna Düsseldorf für das Halbfinale. Noch immer ersetzte Schön den verletzten Dzur und zeigte sich gegen Düsseldorf erneut als »Meisterstratege« (»Fußball«).

Überraschend schwach war hingegen seine Leistung, als er im Halbfinale gegen Schalke 04 auf die angestammte Mittelstürmerposition zurückkehren konnte. Vor 100.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion erzielte er immerhin ein Tor per Kopf. Da es am Ende 3:3 stand, musste das Spiel wiederholt werden. Dieses Mal setzten sich Ernst Kuzorra und Co. mit 2:0 durch. Während die Schalker im Endspiel Admira Wien mit 9:0 deklassierten, trösteten sich die Dresdner mit dem dritten Platz, den sie gegen den Hamburger SV erkämpften. Zwei Treffer beim 3:2-Sieg stammten von Helmut Schön.

Die folgende Saison stand zunächst ganz im Zeichen des Kriegsbeginns. Der »Dresdner Anzeiger« erschien nach dem 1. September mit allerlei hetzerischen Schlagzeilen (»Danzig war immer deutsch!« – »England will den Krieg!«), bevor die ersten Todesanzeigen in der Zeitung auftauchten: »Im Kampf für Deutschlands Freiheit gefallen«. Der 24-jährige DSC-Stürmer Hans König hatte derweil noch Glück, als er »beim Vormarsch in Polen« an Ferse und Hüfte nur leicht verletzt wurde. Er konnte in dieser Saison sogar noch in einigen Ligaspielen mitwirken.

Vorerst wurde der Gauspielbetrieb abgesagt, allerdings dekretierte der Nationalsozialistische Reichsbund für Leibesübungen: »Nichts darf zerschlagen werden im deutschen Sport an Organisation, an Fäden, die von Mensch zu Mensch führen, selbst wenn der eine an der Grenze auf Wacht steht und der andere Aufgaben in der Heimat erfüllt. Hier darf und soll der Sport als bindende Kraft wirken.« Es sollte also möglichst rasch weitergehen, und tatsächlich lief nach einigen Wochen der Spielbetrieb wieder an.

Souverän wurde der Dresdner SC sächsischer Gaumeister; das Rekordergebnis von 10:1 allerdings fuhr er im Mai 1940 in einem Freundschaftsspiel ein, das für Helmut Schön ein ganz besonderes war: Er spielte gegen seinen Bruder Walter, der in den Reihen seines alten Vereins Dresdensia stand.

Enger ging es in den Gruppenspielen um die Deutsche Meisterschaft zu. Der DSC setzte sich gegen Jena, Osnabrück und Eimsbüttel durch, Helmut Schön und Hans König erzielten die meisten Tore. Das bedeutete: Halbfinale gegen Rapid Wien. Diese Spiele wurden ansonsten auf neutralem Boden ausgetragen, weshalb die Dresdner höchst verärgert darüber waren, dass als »neutraler« Platz das Wiener Praterstadion bestimmt worden war. Schön: »Da wir uns benachteiligt fühlten, entstand eine Verbissenheit, die zu dem Entschluss führte, trotz allem unsere Klasse zu beweisen.«

Die bewies vor allem Schön selbst, der nach dem 2:1-Erfolg der Dresdner vom »Fußball« in den höchsten Tönen gelobt wurde: »der beste Mann auf dem Felde«, »der Glanzpunkt auf dem Felde«; »Schön zeigte eine Leistung, die schlechthin vollendet war«. Dabei spielte für Rapid einer der ganz großen Wiener Stars, Franz »Bimbo« Binder. Doch um den kümmerte sich »wie ein Gummiball« erfolgreich der um einen Kopf kleinere, aber sehr energische Mittelläufer Dzur. Den Sieg sicherte in der Verlängerung Richard Hofmann durch einen Gewaltschuss, der erst gegen den Torpfosten prallte und dann von einem Wiener Schienbein ins Tor sprang.

Zum ersten Mal stand der DSC damit im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft. Wie ein Jahr zuvor im Halbfinale traf man in Berlin auf die seinerzeit schier übermächtigen Schalker um Szepan, Kuzorra, Tibulski und Klodt. Trotz des Krieges traten beide Mannschaften nahezu in Bestbesetzung an; bei den Dresdnern fehlte lediglich Hans König im Sturm. Es wurde ein zähes Spiel, das von starken Defensivleistungen geprägt war. Helmut Schön sah sich einer engen Bewachung durch den Schalker Mittelläufer ausgesetzt: »Zweikämpfe zwischen Tibulski und Schön kehren immer wieder. Der Schalker setzt dabei seine ganze Kraft ein, und Schön versucht vergebens, sich von ihm zu lösen. Tibulski weiß zu genau, was seiner Mannschaft drohen kann, wenn Schön das ganze Repertoire seines technisch reifen Könnens auszuspielen vermag, darum lässt er ihm keine Minute Bewegungsfreiheit« (»Fußball«).

»Spielt doch endlich Fußball«, riefen viele der 90.000 unzufriedenen Zuschauer. Ein Treffer von Ernst Kalwitzki entschied das unansehnliche Spiel schließlich zugunsten der Schalker. Die DSC-Spieler erhielten als Vizemeister dennoch eine Einladung zum Festbankett im Dresdner Rathaus. In dem Schreiben von Oberbürgermeister Dr. Hans Nieland, einem SS-Brigadeführer, wurden die Gäste angesichts kriegsbedingter Lebensmittelknappheit aufgefordert: »An Marken bitte ich mitzubringen: 100 gr Fleisch, 100 gr Brot und 20 gr Butter.«

Helmut Schön

Подняться наверх