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Zweifacher Pokalsieger

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Spätestens mit Beginn der Saison 1940/41 galt die Mannschaft des Dresdner SC den Zeitungen als »die Elf Helmut Schöns«, eine Zuschreibung, die zuvor meist noch Richard Hofmann oder beiden gemeinsam gegolten hatte. Doch Hofmann war inzwischen 34 Jahre alt, Schön dagegen mit seinen 25 Jahren im besten Alter. Seine Länderspielerfahrungen und seine Spielintelligenz hatten ihn zur Führungspersönlichkeit reifen lassen, die sich für Fragen von Taktik und Training interessierte. Nach 1945 würde er einen fast nahtlosen Übergang ins Amt eines Spielertrainers finden.

Es wäre interessant zu wissen, wie die Absprachen zwischen dem in der Presse selten erwähnten Trainer Georg Köhler (mit dem Schön vor 1935 ja noch zusammengespielt hatte), dem souveränen Senior Hofmann und dem gewitzten Spielmacher Schön abliefen. Köhlers Präsenz war eingeschränkt, weil er, anders als das Duo Hofmann/Schön, Kriegsdienst leisten musste. Vorstellbar ist, dass Helmut Schön damals ein fruchtbares Kommunikationsmodell zwischen Trainer und Führungsspielern erlebte, das er selber dann als Bundestrainer praktizieren würde: ein Modell, in dem der Trainer zwar die Verantwortung und letztendlichen Entscheidungen trägt, in dem die Kommunikation aber weitgehend gleichberechtigt abläuft.

Schöns allgegenwärtige Präsenz auf dem Platz wird in den Presseberichten zum Pokalfinale 1940 deutlich. Wenn sie hier zitiert werden, dann nicht, um ein weiteres Mal lange Loblieder auf den Spieler Schön zu singen, sondern weil seine Spielweise darin anschaulich dargestellt wird. Im »Fußball« war zu lesen: »Führer in diesem Angriff ist nicht [der nominelle Mittelstürmer, d.A.] Machate, sondern Schön, der auch ständig die Verbindung mit den Außenläufern, ja, mit der eigentlichen Abwehr aufrecht erhält. Es war auch heute keine Seltenheit, daß der lange Helmut im eigenen Strafraum auftauchte: besonders bei Eckbällen des Gegners macht er sich auf diese Weise sehr nützlich. Wenn er dann, den Ball gefühlvoll am Fuß, nach vorne eilt, mit unnachahmlicher Eleganz einen oder zwei Nürnberger umspielte und den Ball genau dahin zirkelte, wo er für den Gegner am gefährlichsten wurde, dann jubelten die Massen, weil es eben doch nichts Begeisternderes gibt als solch vollendete Beherrschung von Ball und Körper im schnellsten Lauf und unter dem härtesten Einsatz des Gegners! […] Neben einem solchen Klassespieler muß das Außenstürmerdasein eine Wonne sein.«

Ähnlich sah ihn im gleichen Spiel der »Kicker«: »Die verhängnisvolle Neigung zum blendreichen Einzelspiel, die ihn den Platz in der Nationalmannschaft kostete, ist überwunden. Schön spielt, denkt, kämpft wieder für die Mannschaft. Und schon entfaltete sich in diesem gereiften Spiel seine vielbewunderte Kunst des ›unsichtbaren‹ Abspiels aus dem Fußgelenk in schnellem Zick-Zack-Lauf, seine unvergleichliche Spielübersicht, seine Denkgewandtheit und der Zauber seiner Klein-Klein-Technik.«

Angesichts der Lobpreisungen ist zu ahnen, dass der DSC das Finale siegreich bestritten hatte. Der nach dem Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten benannte Vereinspokal – kurz: Tschammer-Pokal – wurde seinerzeit übers Jahr ausgespielt, mit dem Endspiel im Dezember. Die Dresdner hatten sich im Halbfinale erneut mit Rapid Wien messen müssen, dieses Mal allerdings auf dem heimischen Terrain des Ostrageheges. Das 3:1-Resultat wirkt eindeutiger, als es im Spiel zuging. Schön verletzte sich schon in der 20. Minute bei einem Zusammenprall am Kopf und spielte nur benommen weiter. In der Pause wurde die Wunde genäht, und er konnte erst verspätet wieder auf den Platz, wo seine Elf dann prompt wieder überlegener spielte und die beiden entscheidenden Treffer erzielte.

Im Finale wartete am 1. Dezember Altmeister 1. FC Nürnberg, der gewöhnlich in den gleichen Farben spielte wie die Dresdner: rotes Hemd, schwarze Hosen. Eine Regelung für diesen Fall gab es seinerzeit noch nicht, also verständigten sich die Teams auf einen Kompromiss: Die »Clubberer« durften ihre roten Hemden tragen (aber weiße Hosen), die Dresdner ihre schwarzen Hosen (aber weiße Hemden). Allerdings überlisteten sie die Nürnberger, indem sie sich unter die weißen Hemden noch die gewohnten roten anzogen.

Der »Trick« wirkte, vor 60.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion gewannen die Dresdner mit ihrem hochgelobten »Zauberer« Schön nach Verlängerung 2:1 und damit endlich den langersehnten ersten nationalen Titel ihrer Vereinsgeschichte. Im Tor stand der bewährte Kreß, in der Abwehr ließen Karl Miller und der Ur-Dresdner Heinz Hempel – schon sein Vater spielte für den DSC – die Nürnberger Stürmer nicht zur Entfaltung kommen. Walter Dzur agierte wie eine Art moderner »Sechser«: Er sicherte »das berühmte Dresdner Bollwerk« (»Fußball«) und belebte zugleich das Angriffsspiel mit Steilpässen. Von der DSC-Stammelf fehlten Heiner Kugler sowie (vermutlich verletzungsbedingt) Richard Hofmann, der durch Fritz Machate ersetzt wurde.

Als der Dresdner SC ein Jahr später seinen Pokaltitel verteidigte, waren Kugler und Hofmann wieder dabei; ansonsten trat die Elf unverändert an. Keine Selbstverständlichkeit, denn seit dem Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion – dem »Unternehmen Barbarossa« – hatte die Zahl der Kriegsabstellungen noch einmal beträchtlich zugenommen, und nur ganz wenige DSC-Spieler waren wie Schön noch vom Kriegsdienst befreit.

1941 mussten sich die Dresdner im Halbfinale erneut mit einer Wiener Mannschaft auseinandersetzen, dieses Mal mit Admira, die sie im Ostragehege vor 28.000 Zuschauern mit 4:2 besiegten. Schön spielte von Verletzungen gehandicapt. Die Wiener hatten statt im gewohnten Weiß im Schalker Königsblau auflaufen müssen, weil bei dieser Partie Szenen für den Film »Das große Spiel« gedreht wurden und das Drehbuch es so erforderte. Der Streifen um Liebes- und Ballspiele wurde ein Kassenschlager.

Im Endspiel traf der DSC Anfang November auf den wahrhaftigen Angstgegner Schalke 04, eine Aussicht, die Helmut Schön nach eigener Erinnerung »bedrückte«. Doch dieses Mal schlug man Szepan, Kuzorra und Co. mit deren eigenen Mitteln: Die Dresdner spielten »schalkerisch«. »Sie ›zauberten‹ und ›kreiselten‹«, begeisterte sich die Berliner »Fußballwoche« für die DSC-Stürmer. Helmut Schöns Leistung wurde unterschiedlich beurteilt. Wie erwähnt, fand ihn F. Richard im »Fußball« »zu weich, zu schwach«, räumte aber ein: »Andere fanden gerade in diesem Spiel seine Aufbau-Arbeit ganz hervorragend.« Damit war auch ein Kollege im eigenen Blatt gemeint, der geschrieben hatte: »Schön war ein Mannschaftsspieler, wie er im Buche steht, ohne jeden egoistischen Ehrgeiz. […] In der zweiten Hälfte opferte er sich buchstäblich in der Abwehr auf.« Auch dem »Kicker« zufolge »imponiert uns an Schöns technisch glitzerndem Spiel, daß er wieder ganz im Wirken für die Mannschaft aufgeht, kein Effekthaschen, kein Einzelspiel, alles für den DSC«.

Bereits in der achten Minute hatte Kugler einen Hofmann-Steilpass zur 1:0-Führung verwandelt. Ihre drückende Überlegenheit konnten die Dresdner zunächst nicht in weitere Tore ummünzen, stattdessen erzielte Kuzorra nach kurzem Dribbling bald nach der Pause den Ausgleich. Doch schon zwei Minuten später holte Carstens mit einer feinen Einzelleistung die Führung zurück; bei diesem 2:1 blieb es.

Den Pokalsieg zu wiederholen, war in diesem – allerdings noch recht jungen – Wettbewerb zuvor noch keinem Verein gelungen. Dazwischen lag für Schön auch noch der Gewinn des seinerzeit recht populären Reichsbundpokals, den Auswahlmannschaften der verschiedenen Gaue austrugen. Sachsen gewann das Endspiel in Chemnitz vor 30.000 Zuschauern mit 2:0 gegen Bayern. Die sächsische Auswahl bestand faktisch aus einer um Ernst Willimowski erweiterten DSC-Mannschaft; der gebürtige Schlesier stürmte in der Mitte, Schön auf halblinks, und der Treffer zum 2:0-Endstand entsprang einer der vielen gelungenen Koproduktionen der beiden.

Zwar zählte der Dresdner SC nun seit Jahren zu den deutschen Topteams, musste aber mit dem Makel leben, im wichtigsten Wettbewerb, der Deutschen Meisterschaft, bisher gescheitert zu sein. Auch in der zurückliegenden Saison 1940/41 hatte man das Endspiel verpasst, weil das Halbfinale gegen den alten Bekannten Rapid Wien 1:2 verloren gegangen war. Dieses Mal hatte man sich auf tatsächlich neutralem Boden in Beuthen getroffen. Schön war schon angeschlagen ins Spiel gegangen, verletzte sich Mitte der ersten Halbzeit nochmals am Knie, musste einige Minuten lang behandelt werden und wäre wohl ausgewechselt worden, wenn es seinerzeit möglich gewesen wäre. Immerhin siegten die Dresdner im Spiel um den dritten Platz gegen den VfL Köln 99.

Helmut Schön

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