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Herbergers Beobachtungen
ОглавлениеAuch Reichstrainer Sepp Herberger hatte sich Gedanken um die Verbindungen des Dresdner SC zum Militär und zur NSDAP gemacht. In einem kurzen Manuskript, das offenbar nach 1945 entstand, nannte er den DSC einen »Verein, der sich bester Beziehungen zu hochgestellten Persönlichkeiten bei Wehrmacht und Partei rühmen konnte«. Er kritisierte, dass zumindest einer der Dresdner Nationalspieler – er nannte Herbert Pohl – sich »prahlend und spöttelnd« über die »glänzenden Bedingungen« in Dresden geäußert hätte.
Und Herberger schilderte einen Vorfall, der sich bereits Ende 1939 ereignet hatte: Bei einem Pokalspiel im Ostragehege hatte er »General Mehner [gemeint ist Mehnert, d.A.], den Kommandeur des Generalkommandos in Dresden zum Nachbarn. Er war bekannt als eine dem DSC wohlgeneigte Persönlichkeit. In der Reihe hinter uns sass [ein] Mann namens Gruber, von berufswegen ›alter Kämpfer‹, der im Reichsbund für Leibesübungen zu einem hohen Sportfunktionär avanciert war (oder wenigstens so tat) und der in dieser Funktion auf allen Sportplätzen des Sportgaues Sachsen lautstark und auffällig seine Visitenkarte abgab. Er hatte offenkundlich eine recht salzige Leber … [gemeint ist wohl: Kurt Gruber, Führer im Sportgau Sachsen, war alkoholisiert, d.A.]. Ich vermag heute nicht mehr zu sagen, welcher der 22 Spieler ihn so stark beeinflusst hatte, erinnere mich aber um so besser des Augenblickes, wo sein Kopf zwischen uns beiden auftauchte und an meinen Nebenmann gewandt sagte: ›Herr Mehner, der fehlt uns noch.‹ Er machte gar kein Geheimnis aus dem, was er mitteilte. Ich hatte dabei das Gefühl, dass es dem Herrn General peinlich war, alle hatten es gehört. Gruber war in einem Normalzustand. Diese guten Beziehungen hatten offenbar über die ganze Dauer des Krieges festen und wirksamen Bestand.« Anders sei nicht zu erklären, dass der DSC zu wichtigen Begegnungen weiterhin mit seiner Stammbesetzung auflaufen konnte.
Beinahe hätte die diversen Gerüchte um Frontberufungen oder Freistellungen von DSC-Spielern nach dem Krieg sogar bewirkt, dass Sepp Herbergers Berufung zum Bundestrainer gescheitert wäre. 1949 tauchte beim – noch in Neugründung befindlichen – DFB der Brief eines ehemaligen DSC-Mitglieds auf, in dem ein harter Vorwurf erhoben wurde: Herberger habe für das Oberkommando der Wehrmacht Listen erstellt mit Spitzenspielern, die zum Fronteinsatz abgestellt werden sollten. Dies sei »uns im Dresdner Sportclub hinreichend bekannt« gewesen. Herberger habe konkret dafür gesorgt, dass Fritz Machate, der 1942 für einen Trainingskurs freigestellt worden war, diesen Kurs nach nur wenigen Tagen wieder verlassen musste. Dazu habe er wörtlich erklärt: »Ich werde schnellstens dafür sorgen, dass Machate wieder an die Front kommt!« Beim DFB war man irritiert, Herberger bangte um seine Berufung. Zufällig ergab sich eine Gelegenheit, Fritz Machate selbst zu befragen. Der sprach den ehemaligen Reichstrainer von jedem Verdacht frei: Niemals sei ihm der Gedanke gekommen, dass er durch Herberger zurück an die Front geschickt worden sei. Es handele sich »um eine ganz gemeine Denunziation«.