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Dresdner Mannschaftsstützen
ОглавлениеDie Formulierungen verraten, dass es bei den Dresdnern in dieser Zeit sportlich nicht sonderlich gut lief. Den Erfolg von 1934 in der Gauliga Sachsen konnten sie vorerst nicht wiederholen: 1934/35 und 1935/36 wurde der Verein Zweiter, 1936/37 und 1937/38 gar nur Vierter. Die Mannschaft spielte oft stark, aber zu unstet, vor allem, nachdem ihr langjähriger Mittelläufer Georg Köhler endgültig aufgehört hatte. Er war ein Spielmacher alter Schule gewesen, offensiv ausgerichtet, in seiner Spielweise vergleichbar mit dem legendären Hans Kalb vom Nürnberger »Club«, der seine Laufbahn bereits 1933 beendet hatte. Wie Kalb mochte sich auch Köhler nicht mit der defensiven Rolle als »Stopper« abfinden, die dem Spieler mit der Nummer fünf im modernen W-M-System zugedacht war. Es dauerte lange, bis die Dresdner diese Position stark besetzen konnten. »Schorsch« Köhler selbst war es, der als DSC-Trainer 1938 den 19-jährigen Walter Dzur holte. Das Talent erwies sich als entscheidender Stabilisator in der Defensive und als wichtiger Baustein für die anschließenden Erfolge in Meisterschaft und Pokal.
Einen konstanten Rückhalt bildete über viele Spielzeiten dagegen Torhüter Willibald Kreß. Sein Mitspieler und Trainer Köhler nannte ihn einen »Jahrhundert-Fußballer, der keinerlei Angst kannte und den Stürmern lehrte, was Verzweiflung ist«. Nachdem die Dresdner Zuschauer 1934 Real Madrid beim Gastspiel im Ostragehege gesehen hatten, befanden sie, ihr Torhüter sei nicht weniger stark als der »Königliche«, und tauften Kreß den »Dresdner Zamora«.
Kreß schulte seine Reflexe gelegentlich auch als Handball-Torhüter; zugleich bevorzugte er eine recht modern anmutende Interpretation seiner Rolle im Tor. In der Tradition des legendären Heiner Stuhlfauth versuchte er, gefährliche Situationen frühzeitig zu antizipieren und durch Herauslaufen zu unterbinden. Helmut Schön sah ihn »praktisch als elften Feldspieler« – wobei im Unterschied zu den heutigen Ausflügen eines Manuel Neuer das damalige »Herauslaufen« sich auf den Strafraum begrenzte.
Während die Mannschaft vor Dzurs Ankunft mit dem defensiven »M« ihre Probleme hatte, funktionierte das offensive »W« umso besser. Mit wechselnden Flügelpartnern ließen sich mal Schön, mal Hofmann als Halbstürmer zurückhängen, während der jeweils andere als Mittelstürmer agierte. Ihr Zusammenspiel klappte offensichtlich reibungslos, zumal es auch persönlich zwischen ihnen stimmte. Bei allen Lobeshymnen, die über ihn niedergingen, war Schön nicht der Mann, die Autorität des Älteren infrage zu stellen. Nicht umsonst nannte er ihn den »Wegbereiter meiner Laufbahn«. Richard Hofmann wiederum war offenbar keiner, der Schön dessen Talent und Erfolge missgönnte. Noch im Alter schwärmte er vom jugendlichen Elan seines Sturmpartners, als er 1973 dem »Kicker« (nostalgisch leicht verklärend) erzählte: Schön »war ein Rastelli, drei Mann hat er ausgespielt und sich noch mit dem Tormann unterhalten, in welche Ecke er den Ball zaubern sollte«.
Das gute Einvernehmen zwischen den drei prominentesten DSC-Akteuren Kreß, Hofmann und Schön zeigte sich auch in den Trainings-Sondereinheiten, die das Trio sich freiwillig auferlegte. Helmut Schön in einem Buchbeitrag von 1960: »Nur allzu gut kann ich mich noch daran erinnern, daß unser Platzwart mehrfach ungeduldig wurde, wenn Richard Hofmann, Willibald Kreß und ich lange nach Beendigung des offiziellen Trainings immer noch köpften, passten und schossen und unsere Übungen kein Ende nehmen wollten.« Und über die Kooperation während des Spiels: »Richard machte mir mit seinem feinen und doch kraftvollen Spiele den Weg frei, und ich konnte oftmals Lorbeer ernten, der eigentlich ihm gebührt hätte.«
Die Zuschauer mochten Schöns Künste, auch wenn sie sich manchmal die vielzitierte Erkenntnis zuraunten: »E dierekter Lewe is es ja nich.« Denn in Spielen, bei denen der Gegner zwei Verteidiger auf ihn ansetzte, die ihn eng deckten, konnte Schön auch schon mal abtauchen. Er war nun mal kein kompakter Reißer wie Hofmann. Meist aber konnte er glänzen. Der »Kicker« ließ sich 1964 erzählen, dass bei Schöns Kabinettstückchen »die Leute im Ostragehege anerkennend die Luft durch die Zähne zogen: ›Guggemada, de Scheen‹«.
Regionale und überregionale Zeitungen nahmen Anteil an den Leidensgeschichten, die ihm das Knie eintrug, und beobachteten interessiert seine körperliche Entwicklung. »Diese neueste Aufnahme zeigt, dass der schlanke Bursche etwas kräftiger geworden ist«, stellte im August 1937 der »Fußball« fest. Helmut Schön war mittlerweile fast 22 Jahre alt und hatte an Muskulatur deutlich zugelegt. Ein Körpergewicht von 78 Kilo maß die Zeitung dem Spieler zu, was »in gutem Verhältnis zu seiner Größe von 1,85 m« stehe (korrekt waren: 1,86 m), und urteilte: »Gewiß wirkt Schön noch schlank, doch sein gut trainierter Körper ist von beachtlicher Härte.«
Das Foto, das der »Fußball« kommentierte, war bei einem Freundschaftsspiel des Dresdner SC gegen Bayern München entstanden, den Deutschen Meister von 1932. Die Münchner waren mit ihren Stammspielern um Goldbrunner, Bergmaier und Simetsreiter angereist, doch im Ostragehege erlebten sie eine beschämende 0:6-Niederlage. Verantwortlich dafür war vor allem Helmut Schön, der nach monatelanger Verletzungspause schrittweise wieder zu alter Hochform gefunden hatte. Der »Fußball« beschrieb seinen Auftritt: »Der lange Schön vom DSC. gestaltete diesen Kampf zu einem persönlichen Triumph. Nicht allein seine fünf Tore, sondern die feine Art seiner Spielauffassung und kunstvolle Ballbehandlung stempelten ihn zur markantesten Erscheinung auf dem Spielfeld.«