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KAPITEL 2 Höhenflug und harter Boden 1935 bis 1941: Die Zeit bei der Nationalmannschaft
ОглавлениеVor den Osterferien, mit denen seinerzeit das Schuljahr endete, bestand Helmut Schön 1935 am Bischöflichen St.-Benno-Gymnasium die Abiturprüfung. Das Zeugnis wies überwiegend gute Noten aus. »Sehr gut« hieß es in Religion, Französisch, Englisch und Geschichte; »genügend« gab’s in Mathematik, Chemie und Zeichnen, im Turnen erstaunlicherweise nur ein »Gut«. Auch als Schüler an der realgymnasialen, also neusprachlichen Abteilung hatte er das damals obligatorische Latein gelernt; an das eine oder andere lateinische Zitat erinnerte er sich später gerne.
Warum Schön unmittelbar nach dem Abitur eine Lehre bei der Sächsischen Staatsbank absolvierte, erschließt sich nicht so recht; echtes berufliches Interesse war es wohl nicht. Möglicherweise gewährte die Bank dem Sportler, der inzwischen lokale Prominenz erlangt hatte, besonders günstige Arbeitsbedingungen. Er sei »wie eine zoologische Attraktion« zwischen den Abteilungen herumgereicht worden, erzählte Schön in seiner Autobiografie. Gelernt habe er fast nichts, auch wenn er am Ende das Diplom als Bankkaufmann erhielt. Sein Gehalt wuchs während der drei Lehrjahre von 28 auf 58 Mark.
Vom Fußball leben konnte ein Gauligaspieler jedenfalls nicht. Schön berichtete, er habe pro Spiel eine Entschädigung von fünf Mark erhalten und für eine Trainingsteilnahme drei Mark, wobei zwei- bis dreimal die Woche trainiert wurde. Allerdings gab es das Geld nicht in bar, sondern als Essensgutschein für das Vereinskasino. Den konnte er sich manchmal vom Wirt auszahlen lassen.
In der Presse hielt die Begeisterung über Schöns Fußballkünste an. Der »Kampf«, eine regionale »Illustrierte Sport-Wochenschrift«, rühmte seine »unnachahmlich elegante Art«, als der Dresdner SC im Oktober 1934 den VfB Leipzig 7:2 schlug; fünf Treffer stammten von Schön, damals noch Abiturient. Die Zeitung setzte ein Foto des Jungen auf die Titelseite. Man diskutierte, wann mit der ersten Berufung zur Nationalelf zu rechnen sei.
Zunächst allerdings musste Helmut Schön erste Rückschläge verkraften. Im Dezember 1934, bald nach der Gala gegen Leipzig, zog er sich eine nicht näher bezeichnete Verletzung zu, für deren Behandlung er sich in ein Sanatorium begeben musste. Als er auf den Platz zurückgekehrt war, verlor er bald seinen Sturmpartner. Die Werbeaufnahme, für die Richard Hofmann eineinhalb Jahre zuvor mit der »Bulgaria Sport« in der Hand posiert hatte, trug diesem nun eine Sperre »auf Dauer« ein, sprich: für immer. Das Verfahren gegen Hofmann, das zunächst zu versanden schien, mündete in eine absurd drakonische Strafmaßnahme, verhängt durch die ideologischen Gralshüter des Amateurismus an der DFB-Spitze, die offenbar demonstrieren wollten, dass sie zum Durchgreifen entschlossen waren. Immerhin traf es mit »König Richard« einen der populärsten Fußballer im Deutschen Reich. Und einen der erfolgreichsten Nationalspieler: Mit seinen damals 24 Toren in 25 Länderspielen war er mit Abstand der beste Torschütze der Nationalelf; der zweitbeste kam lediglich auf 14 Treffer.
Im Nationaltrikot sollte Hofmann nicht mehr auflaufen, auch wenn beim Länderspiel gegen die Tschechoslowakei Ende Mai 1935 im Dresdner Ostragehege 65.000 Zuschauer »Hofmann frei« skandierten, während der DFB-Fachamtsleiter Felix Linnemann peinlich berührt auf der Tribüne saß; die Zeitungen berichteten ganz offen darüber. Die unbefristete generelle Spielsperre wurde allerdings wieder aufgehoben. Nach eineinhalb Jahren, im Oktober 1936, durfte Hofmann wieder für den Dresdner SC spielen. 25.000 Zuschauer erlebten sein Comeback gegen den Planitzer SC im Ostragehege. »Heut strömten sie alle herbei, um Richard Hofmann bei seinem ersten Auftreten zu sehen«, berichtete der »Fußball« und bescheinigte ihm »eine recht verheißungsvolle Partie«: »Richard Hofmann erwies sich immer noch als der stärkste Stürmer der Dresdner Rotschwarzen.« Diese Zuschreibung fiel insofern eindeutig aus, als in diesem Spiel, wie die Zeitung beklagte, mit Helmut Schön »einer der begabtesten Spieler, die je beim DSC. waren«, wieder einmal verletzt ausgefallen war.