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Um die Deutsche Meisterschaft
ОглавлениеSchöns erste Trophäe, gewonnen im Dezember 1933, trägt keinen schönen Titel. Es handelte sich um den »Mutschmann-Pokal«, vom Reichsstatthalter ausgelobt für eine Art sächsischer Pokalrunde. Im Finale, das in Anwesenheit Mutschmanns im Ostragehege stattfand, beendete der DSC mit einem glatten 6:1 den Siegeszug der zweitklassigen Dresdner Sportfreunde, die zuvor überraschend VfB Leipzig und Polizei Chemnitz ausgeschaltet hatten. Schön spielte Mittelstürmer und musste anschließend mithelfen, des Statthalters protzigen Pokal wegzuschleppen, der laut »Fußball« »in seiner Form lebhaft an den heißumkämpften ›Pokal der Arbeit‹, den Pokal unseres sportverständigen und sportbegeisterten Führers«, erinnerte.
Der DSC gewann in Schöns Debüt-Saison 1933/34 auch die Gauliga Sachsen und war damit qualifiziert für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft, die in vier Vorrundengruppen ausgetragen wurde. Der DSC musste gegen Borussia Fulda, 1. FC Nürnberg und Wacker Halle antreten. Im ersten Spiel gegen Fulda wurde Schön noch geschont, doch er war dabei, als es im April zum Altmeister 1. FC Nürnberg ging. Der »Fußball«, der in Süddeutschland seine größte Lesergemeinde hatte, kündigte ihn dem Publikum als Attraktion an: »Nürnberg wird sich über den Mann, wenn er nur seine Normalform mitbringt, sehr wundern.« Mittelstürmer Schön erreichte mehr als seine Normalform und erzielte beim 2:1-Sieg gleich beide Dresdner Tore. Seine Treffer waren »Glanzleistungen an Ballführung und Situationsbeherrschung«, wie der »Fußball« urteilte. Auch der »Deutsche Fußballsport«, amtliches Organ des DFB, lobte ihn: »Besonders ihr junger Mittelstürmer ließ die früheren Besetzungssorgen im Sturm vermissen. Er schoss zwei sehr schöne Tore.«
Spätestens dieses Endrundenspiel bedeutete wohl den endgültigen Durchbruch für den Youngster. Noch mehr als drei Jahrzehnte später, im Mai 1968, erinnerte sich Torhüter Willibald Kreß bei einer öffentlichen Veranstaltung an Schöns damaligen Auftritt: »Wir hatten Stürmer-Sorgen. Es blieb uns nichts anders übrig, als auf die Jugendmannschaft zurückzugreifen. Da gab’s so einen langen, schlaksigen Kerl – den ließen wir kommen. Und dieser lange Bursche ließ zweimal die gesamte Nürnberger Hintermannschaft stehen, spielte auch noch Torwart Köhl aus und spazierte mit dem Ball ins Tor. Das war beinahe unverschämt.«
Dank seiner beiden Treffer konnte Gymnasiast Schön auch sein Taschengeld aufbessern. Der Wirt des DSC-Vereinslokals hatte für jedes Tor dem jeweiligen Schützen 20 Mark versprochen. Da es nur einen Torschützen gab, wollte der gute Mann auch nur 20 Mark zahlen, doch Richard Hofmann, so erzählte es Schön, sorgte »für klare Verhältnisse«, und der Schüler war um 40 Mark reicher.
Trotz des überraschenden Auswärtssieges reichte es in der Endrunde 1934 nicht zum Gruppengewinn. Die Nürnberger konnten sich durch einen Sieg im Rückspiel knapp durchsetzen; nur aufgrund eines besseren Torquotienten erreichten sie das Halbfinale. (Die heute gültige Tordifferenz hätte für den DSC gesprochen.) Auch dort kam der »Club« weiter, doch im Endspiel verlor er gegen die kommende Übermannschaft, den FC Schalke 04, der damals seinen ersten nationalen Titel holte. Die Dresdner trösteten sich im Ostragehege mit einem Freundschaftsspiel gegen Real Madrid, das mit seiner Torhüterlegende Ricardo Zamora anreiste. Schön, Hofmann, Kreß und Co. bekamen beim 0:3 eine Lehrstunde erteilt.
Im Verlauf einer einzigen Spielzeit war Schön vom Nachwuchstalent nicht nur zum Stammspieler aufgestiegen, sondern gleich zu einem der Leistungsträger und Stars des Dresdner SC. Der »Fußball« glaubte sogar, der »ungemein begabte Mittelstürmer Schön« sei derzeit »der bedeutendste D.S.C.ler«. Eine atemberaubende Karriere – schließlich ging er noch immer aufs Gymnasium und war noch immer einer, der respektvoll zu den älteren Teamkollegen aufsah. Den »Fußball«, der in München erschien, las der junge Mann anscheinend nicht – in seiner Kladde gibt es jedenfalls keine Ausschnitte daraus. So verpasste er womöglich auch die Ausgabe vom 18. Dezember 1934, in der die Fachzeitschrift ihm ein persönliches Porträt widmete – eine Ehre, die selten vorkam.
»Sachsens Olympiakandidat Helmuth Schön zählt bestimmt zu den jüngsten Stars des deutschen Fußballreiches«, begann der ausführliche Artikel (in dem Schöns Vorname, wie künftig noch oft, falsch geschrieben wurde). Im Rückblick auf dessen Werdegang wurde betont, Schön sei kein »Gezogener«, also kein von einem anderen Verein Verpflichteter, »wie so viele andere Größen der Gegenwart«. Es folgte eine Aufzählung der »hervorragenden technischen Anlagen dieses Jungen. […] Es zeichnen ihn in allererster Linie vollendete Körperbeherrschung, Täuschungsvermögen, sichere Ballführung, uneigennützige Ballabgabe und ein grundgesunder Schuß aus allen ›Lebenslagen‹ aus. […] Persönlich ein überaus bescheidener, frischer, nicht angekränkelter Junge, so steht Schön in den Reihen der Olympiakandidaten des Reiches.«
So liest sich die Ouvertüre zu einer großen Karriere.