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Der Gentleman: Georg Köhler

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Hogan hinterließ in Dresden ein nachhaltig wirksames Erbe. Nach einem einjährigen Engagement des ehemaligen Schalke-Trainers Hans Sauerwein 1932/33 setzte man beim DSC auf Übungsleiter, die in Dresden unter Hogan gespielt hatten und von ihm geformt worden waren. Neben Richard Hofmann, der zeitweilig als Spielertrainer tätig war, wirkte vor allem der langjährige Mittelläufer und fünffache Nationalspieler Georg »Schorsch« Köhler als Vereinscoach; er führte die Mannschaft um Helmut Schön zwischen 1940 und 1944 zu ihren großen Erfolgen in Meisterschaft und Pokal.

Über den Trainer Georg Köhler ist wenig überliefert, über den Spieler und Menschen etwas mehr. Der im Februar 1900 geborene Dresdner schloss sich bereits mit neun Jahren dem DSC an. 1925 erreichte er mit ihm die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft und debütierte in der Nationalelf. Der englische Fußballpionier William Townley nannte ihn einen »begnadeten Spieler mit seltener Bescheidenheit«. Diese Charakterisierung trifft es recht gut. Köhler zeichneten Kopfballstärke und Spielübersicht aus, er »setzte Glanzpunkte, ohne vordergründig für die Ränge glänzen zu wollen« (Townley). Helmut Schön bezeichnete ihn als einen »königlichen Beherrscher des Mittelfeldes« und schilderte zugleich Köhlers außergewöhnliche Fairness und Zurückhaltung auf dem Platz: »Sein sportliches Verhalten verleitete seine Mitspieler manchmal zu der Bemerkung, dass er nach einem Tritt gegen sein rechtes Bein den Gegner eingeladen habe, auch noch das linke zu treffen.«

In seinem Buch »Fußballheimat Dresden« beschreibt Peter Salzmann den »Schorsch« Köhler als einen »aus tiefstem Herzen Humanisten und Sportler« und zitiert dessen Leitmotiv: »Wer Fußball spielt, muß zur Freundschaft fähig sein. Deshalb ist das Wort ›Gegner‹ grundfalsch; besser ist: Kontrahent.« Eine Anekdote über Köhler geht so: Bei einem Gastspiel des berühmten Vereins Peñarol Montevideo vor 40.000 im Ostragehege bekamen die Dresdner einen zweifelhaften Strafstoß zugesprochen. Köhler schob den Ball vom Elfmeterpunkt sanft in die Arme des uruguayischen Torwarts und vergab damit absichtlich eine Siegchance. Als sich seine Mitspieler empörten, erklärte der »Schorsch« ungerührt: »Der Elfmeter war unberechtigt.«

Mit seinem Mannschaftskameraden Richard Hofmann pflegte Köhler in höflicher Form und »per Sie« während des Spiels Fehler zu erörtern. Als Trainer stand er dann mit Anzug und Krawatte am Spielfeldrand. Nicht nur dieses Outfit hatte er von seinem Vorgänger Hogan übernommen, sondern auch die Zusammenarbeit mit Leichtathletiktrainer Woldemar Gerschler. Helmut Schön schrieb 1970, er habe dem »großen Sportsmann und beliebten Kameraden« Köhler »sehr viel zu verdanken«. Mag sein, dass er damit die Titel meinte, die er als Spieler unter dem Trainer Köhler gewann. Möglicherweise aber stärker noch dessen Vorbildfunktion in Sachen Fairness.

Über unsportliches Verhalten Helmut Schöns als Spieler ist praktisch nichts bekannt. Er selber reklamierte für sich, sich an die zentrale Verszeile des alten DSC-Vereinsliedes zu halten: »Im Glück stets bescheiden, im Unglück aber stark.« Die einzig bekannte Anekdote, die eine Unfairness Schöns auf dem Platz dokumentiert, stammte von ihm selbst: Als 19-Jähriger sei er bei einem Meisterschaftsspiel in Chemnitz vom gegnerischen Mittelläufer »etwas unsanft, aber doch korrekt« zu Fall gebracht worden. »Ich schrie, als hätte ich ein verrostetes Messer im Rücken, und sauste in gekonntem Gleitflug in den Strafraum, mit der Absicht, einen Strafstoß herauszuschinden.« Doch der Schiedsrichter fiel auf die Schwalbe nicht herein und lachte den Missetäter aus. Der beschämte Schön verkniff sich fortan solche Schauspielerei.

In diesem Fall war ein Schiedsrichter der »Lehrmeister«. Doch hat wohl vor allem der höfliche »Schorsch«, zu Schöns aktiver Zeit die graue Eminenz der DSC-Fußballer, bei solchen Lernprozessen als Vorbild gedient. Vielleicht hat er durch sein Gentleman-Verhalten dazu beigetragen, dass der Spieler wie der spätere Bundestrainer Schön sportliche Fairness predigte und verkörperte. Vergessen hat ihn Schön jedenfalls nicht. Im Februar 1960, in seiner Zeit als Herbergers Assistenztrainer, schickte er Köhler zu dessen 60. Geburtstag ein Päckchen und im Namen des DFB ein Glückwunschtelegramm nach Dresden.

Helmut Schön

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