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a) Allgemeines

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Weitere Ausnahmen vom Grundsatz des Beihilfenverbots in Art. 107 Abs. 1 AEUV werden in Art. 107 Abs. 3 Buchst. a)–e) AEUV geregelt. Anders als bei den Ausnahmen des Art. 107 Abs. 2 AEUV kommt der Kommission bei diesen Ausnahmen auch ein weites Ermessen auf der Rechtsfolgenseite zu, welches nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. Während die Ausübung des Ermessens der Kommission über viele Jahre hin eher uneinheitlich erfolgte, wurden i.R. zweier Initiativen zum Beihilfenrecht, dem more economic approach aus dem Jahr 2005 (State Aid Action Plan, COM[2005]107 final) und der state aid modernisation (SAM) aus dem Jahr 2012 (MT COM[2012]209 final), detaillierte Prüfkriterien zur Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Binnenmarkt erarbeitet, um eine einheitliche und effiziente Beihilfenkontrolle zu gewährleisten.

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Die Kommission prüft seither, ob eine staatliche Beihilfe (1) einem genau definierten Ziel von gemeinsamem Interesse dient, ob sie (2) erforderlich ist, also eine wesentliche Verbesserung bezogen auf das verfolgte Ziel herbeiführt, welche der Markt nicht herbeiführen könnte, ob (3) die Beihilfe angemessen ist, also der Beihilfenbetrag auf das erforderliche Minimum beschränkt ist, ob (4) das gewählte Beihilfeninstrument in seiner konkreten Ausformung (z.B. Darlehen, Steuererleichterungen) geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, ob (5) die Beihilfe einen Anreizeffekt dergestalt besitzt, den Beihilfeempfänger zu einer Verhaltensänderung und zur Aufnahme zusätzlicher Tätigkeiten zu veranlassen, welche dieser ohne die Beihilfe nicht oder nicht so vornähme, und ob (6) die Gewährung der Beihilfe transparent erfolgt, indem der interessierten Öffentlichkeit einfacher Zugang zu Informationen über die gewährte Beihilfe ermöglicht wird. Liegen all diese Voraussetzungen kumulativ vor, so prüft die Kommission abschließend, ob (7) die positiven Folgen der geplanten Beihilfe die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb und Handel überwiegen.

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In vielen Bereichen hat die Kommission ihre Ermessensausübung mittlerweile durch Leitlinien und Empfehlungen konkretisiert. Sie haben zwar keinen verbindlichen Charakter, jedoch binden sie das Ermessen der Kommission und entfalten faktisch eine Normativakten gleichkommende Bindungswirkung. Die Praxis der Leitlinien und Empfehlungen hat für Mitgliedstaaten und Beihilfeempfänger den Vorteil, dass mit der dadurch geschaffenen Ermessenskonkretisierung eine erhöhte Rechtssicherheit einhergeht. Zugleich ist sie aber auch nachteilig, weil in den Bereichen, in denen solche Rechtsakte bestehen, keine direkte Vereinbarkeitsprüfung anhand der Ausnahmetatbestände des Art. 107 Abs. 3 AEUV vorgenommen werden kann und der Rechtsschutz verkürzt wird.

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