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Der Totengräber, der eigentlich Kurt Krüger hieß, sagte: »Stampft eine Frau mit, die ihre Tage hat, dann hält das Kraut nicht.« Es gab im Dorf keinen Stammtisch. Aber der Totengräber wäre zum Stammtisch gegangen, wenn es einen gegeben hätte. Aber weil es keinen gab, musste er sein Bier zuhause trinken, am Küchentisch. Allein. Außer wenn Johannes da war und sich zu ihm setzte.

Der Totengräber roch nach Gärung. Er roch nach Schweiß. Er roch nach Lehm. Zu Johannes sagte er: »Ich bin der größte Arbeitgeber im Dorf. Niemand hat so viele Leute unter sich wie ich.«

Als Gast lachte man über die Witze des Gastgebers. Als Gast, wenn man die Tochter des Gastgebers besuchen wollte, lachte man laut über die Witze des Gastgebers.

Die Augen des Totengräbers lagen tief in seinem Schädel. Die Frau war ihm weggestorben, einfach so, niemand wusste, warum. Vor fünf Jahren. Martina war zehn gewesen, Johannes neun. »Der HErr schenkt; der HErr nimmt; der HErr prüft.« Das sei jetzt eine Prüfung, die der HErr dem Totengräber auferlegt habe, sagte der Pfarrer. Es war seltsam, an diesem Grab zu stehen, das der Totengräber selbst ausgehoben hatte und das nach Tannenreis und Orchideen roch. Seltsam war, dass dem Totengräber die Frau einfach wegsterben konnte. Johannes hatte bis dahin geglaubt, dass die, die auf dem Gottesfeld arbeiteten, Pfarrer und Totengräber und deren Familien, selbst nicht sterben könnten.

»Gut, dass du da bist«, sagte der Totengräber. »Martina hat schon nach dir gefragt. In ein paar Minuten ist sie wieder da.« Sie waren nicht mehr zehn und neun. Sie waren nicht mehr wortlos. Sie waren nicht mehr unterwürfig. Der Totengräber Krüger war so anders als der Zahnarzt Maiwald. Gelb und braun waren die Finger des Totengräbers. Von den Reval, vom Lehm und von der Erde. Den Hosenladen seiner schwarzen Cordhosen hielten zwei dicke Sicherheitsnadeln zusammen. Johannes fühlte sich wohl beim Totengräber am Küchentisch. Da war es gemütlich, auch wenn er spürte, wie dem Totengräber die Worte ausgingen. Johannes einfach hinauf in Martinas Zimmer schicken, solange Martina noch nicht zuhause war, konnte er nicht. Der Totengräber sagte: »Auf den Straßen spüre ich die Augen, die der Martina hinterher fliegen. Sie bringt sie an den Kleidern mit nach Hause.«

Johannes lachte. Er verstand den Totengräber viel besser als den Zahnarzt.

Der Totengräber sagte: »Die Martina ist sauber. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«

Der Totengräber sagte: »Weißt du, ich wollte ihr das Malen schon verbieten, weil sie sich damit so ausstellt. Vor allen Leuten. Aber sie hat mich nur ausgelacht«, lachte der Totengräber. »›Dad‹, hat sie gesagt, ›ich bin alt genug, okay?‹ Also lasse ich sie halt machen. Ihr Lachen überrollt mich wie eine Dampfwalze. Da gehe ich ihr lieber aus dem Weg.«

Er zündete sich eine neue Reval an. »Der Stauch ist an einem Herzinfarkt gestorben. Das hat die Obduktion ergeben. Übermorgen kann er endlich beerdigt werden.«

Johannes nickte. »Wie lang ist der jetzt schon tot?«

»Zwei Wochen. Aber so ist es, wenn man allein in Urlaub reist und dann drei Tage im Pensionszimmer liegt, bevor man gefunden wird.« Der Totengräber zog an der Zigarette und hielt den Rauch in der Lunge.

Johannes wusste: Bei einem Einzelgrab ging es eins achtzig in die Tiefe, bei einem Doppelgrab zwei zwanzig. Er sagte: »Eins achtzig oder zwei zwanzig beim Stauch?«

»Da muss ich die Stauch erst noch fragen. Da unten am Bach, wo die Erde so schwer wird, wären mir eins achtzig lieber, ehrlich gesagt. Aber an einem Mittag schaffe ich das so oder so.«

Dann kam Martina nach Hause. »Schön, dass du schon da bist.« Jetzt konnten sie auf ihr Zimmer gehen. Züchtig, verschämt, neugierig. Die Natur hatte Martina wohlwollend ausgestattet. Mit Körper und Seele. Sie malte. Johannes’ Augen begleiteten sie, wie sie malte. Sie beobachteten, wie der Körper sich mit den Pinselstrichen wiegte. Die Hüften waren das Gegengewicht zur Leinwand.

Martina ließ es zu, dass Johannes sie mit den Augen berührte. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah den Vater in der Tür stehen. »Es ist schon nach zehn«, sagte er. Und Johannes sagte: »Schon so spät? Dann gehe ich jetzt lieber.«

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