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»Komm«, sagte sie zu Johannes. »Wäre Liebe nur ein Geist, dann könnten wir einander lieben«, sagte sie. »Wäre Liebe nur ein Hauch, dann könnten wir einander lieben. Wäre Liebe nur eine Farbe, dann könnten wir einander lieben.«

Martina wusste, was der HErr von ihnen verlangte. Sie wusste, wohin der HErr sie führen wollte.

Er sagte: »Selbst so, wie die Liebe ist, können wir einander lieben.«

Sie sagte: »Ich werde.«

Er sagte: »Was wirst du?«

Sie sagte: »Nichts. Ich werde. Das reicht schon.«

Er sagte: »Ich werde flüstern.«

Sie sagte: »Du Idiot.« Dann nahm sie seine Hand. Sie gingen spazieren und brachten ihre Schritte dazu, eins zu werden. Sie spürten die Gesichter des Dorfes.

Weit weg waren die Eltern.

»Die Farben«, sagte sie, »winden sich.«

»Von innen heraus.«

»Komplementär und konträr.«

Im Wohnzimmer hing bei Krügers ein Gemälde mit einem auf Wolken schwebenden und die zu IHm Kommenden segnenden JEsus in weißem Kleid. Daneben hing von Hand gestickt das Tischgebet: »Komm, Herr JEsus, sei unser Gast, und segne, was DU uns bescheret hast.« Das hatten sie von der Urgroßmutter geerbt.

Sie gingen zurück auf ihr Zimmer. Es war Mittag, und der Vater grub. Ein Wäschekorb stand leer in der Ecke. Sie sagte: »Als Kind wollte ich in einem Weidenkorb auf einem Fluss davontreiben.«

»Nichts wie weg. Wie Mose.«

»Genau.«

Langsam zog sie sich aus. Er berührte mit den Augen die Narbe unter ihrem linken Auge. Er berührte die Haut, berührte den Arm und die Stelle, wo ihr der Gummi vom Schlüpfer noch als rotes Tattoo um die Hüften wehte. Sie war eine Künstlerin, die nackt vor ihm stand. Sie streichelte mit ihren Händen überkreuz ihre Schlüsselbeine und ihre Arme. Dabei schaute sie ihn an. »Jetzt bist du dran.« Sie zog einen blau-weißen Bademantel über und legte sich aufs Bett.

Er schlüpfte aus den Schuhen. Er öffnete den Gürtel. Metall klang auf Metall. Die Gürtelschnalle machte immer dieses Geräusch.

Sie sagte: »Nein, zuerst das Hemd.«

»Warum?«

»Weil das dramatischer wirkt.« Sie nahm eine Orange vom Nachttisch und begann, sie zu schälen. Es roch nach Weihnachten.

Er zog das Hemd, dann das Unterhemd aus. Er tanzte, als höre er Musik. Er hörte Musik. Er hörte das erste der Brandenburgischen Konzerte. Langsam. Die Flöten, die atmeten.

Sie sagte: »Das mit dem Tanzen machst du gut.«

Er war nackt vor ihr. Er tanzte weiter. Er konnte nicht ruhig stehen.

Sie sagte: »Komm, setz dich.« Sie biss in den Apfelsinenschnitz. Sie trank im Kauen. Dann bot sie ihm die andere Hälfte an. Er biss, er kaute, er schluckte.

Sie sagte: »Es muss einmal ernst werden.«

Er sagte: »Ist es jetzt nicht ernst?«

Ihre Augen waren die Augen einer Suchenden. Ihre Augen verstanden ihn nicht. Ihre Augen waren zuhause in Farben und Formen. So gab es keine Gegenseitigkeit. Es gab keine Antworten. Diese Welt war zu groß für zwei Fünfzehnjährige, die staunten und kauten.

Martina reichte ihm die Hälfte des nächsten Schnitzes. Ihre Finger glänzten. Am Handgelenk trug sie ein silbernes Kettchen. Das sah er, obwohl sich der Bademantel vorne großzügig öffnete. Aber die Hauptsache waren ihre Finger, die ihn fütterten. Das war ein Geschenk. Das war ein Geschmack. Auch wenn sie einander nicht verstanden.

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