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Das Detail als Idee
ОглавлениеDas bedeutet für den Autor, erst seine Geschichte zu schreiben, um einerseits die Idee auf Ihren Gehalt zu prüfen, aber noch viel wichtiger, erst, sobald sie einmal geschrieben steht, überarbeiten zu können. Ansonsten führt es in den seltensten Fällen über eine bloße Idee hinaus. Und ja wir sind euphorisch, wenn wir einen Gedankengang haben, der uns fasziniert, wenn wir im Alltag einen Charakter beobachten, den wir gerne in eine Geschichte verarbeiten würden. Doch mangelt es häufig eben an der Geschichte. Was wir als Sensation empfinden, bildet in den meisten Fällen nur eine Szene, manchmal sogar nur ein Foto und der Verstand spielt uns den Streich, dass wir es jetzt nur noch aufschreiben müssten, dass es quasi schon geschrieben steht und die Geschichte ja eigentlich schon fertig ist, dabei hat die Arbeit noch gar nicht begonnen.
In meiner Tätigkeit als Filmemacher geschah es so des Öfteren, dass Menschen mit einer Idee an mich herantraten. Voller Euphorie verkündeten sie: »Ich habe da diese Idee für einen Film. Es geht sich um einen Schuhputzer.«
Eine interessante Charakterwahl, jedoch war meine erste Frage »Was passiert?«
Darauf die verdutzte Antwort: »Ja nun, er putzt Schuhe und dann geschieht etwas.«
Was geschieht, ist dabei jedoch das Entscheidende für eine Geschichte. Das Skelett. Ein Bildhauer, je nachdem, mit welchem Material er arbeitet, beginnt mit einem Drahtgestell, auf das nach und nach einzelne Lagen aufgetragen werden. Wenn er mit Marmor arbeitet, bringt er den Klotz erst einmal in eine Grundform. Der Maler skizziert die Komposition und Figuren als Formen oder sogar Strichmännchen. Erst danach geht es ins Detail. Häufig wird das Detail als Idee verstanden und ich könnte nicht darüber schreiben, wenn es mir selbst nicht schon so ergangen wäre. Ein Detail, das mich in Euphorie versetzt, niedergeschrieben jedoch nur einen Satz ergibt. Denn ich sprang im Verstand von dem Detail zu einem weiteren Detail und übersprang dabei den eigentlichen Inhalt. Eben, wie beim Schach, wo man bereits den 5ten Zug plant, ohne die Grundvoraussetzung, um diesen Zug zu tätigen, zu erfüllen und dann reagiert mein Gegenüber anders und ich komme gar nicht erst zum 5ten Zug. Schachmatt. Jetzt spiel ich mit Weiß. Den Zug habe ich natürlich noch im Kopf und es wäre ein genialer Zug, aber ich muss mit dem ersten anfangen.
Ähnlich verhält es sich mit der Idee. Es geht nicht um den genialen Einfall oder die geniale Szene, sondern mehr um den Weg dahin. Dabei ist es durchaus sinnvoll, sich diesen Einfall zu notieren, schlichtweg, um ihn nicht zu vergessen, um den Zug anwenden zu können, wenn sich die Gelegenheit bietet. Doch wenn ich nicht von der Obsession mit diesem Zug loslasse, werde ich eine Partie nach der anderen verlieren.