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Vom Detail zum ganzen Bild

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Bei dem Schreiben einer Geschichte mit der genialen Szene anzufangen und von da zurückzuarbeiten, scheint ein beliebter Ansatz und wird ebenso häufig in Büchern empfohlen, dergestalt, dass erst die Eckpunkte der Geschichte gefunden werden sollen, um das Skelett nicht linear, sondern Stück für Stück zu (re)konstruieren, wie es Archäologen mit den Knochen von Dinosauriern tun. Nun existierte das Skelett bereits einmal vollständig und lässt anhand von bereits bekannten biophysikalischen Abläufen Rückschlüsse zu. Dies lässt selbstverständlich Parallelen zum Geschichtenerzählen zu, in der Form, dass, wenn unser Protagonist sich an einem Ort befindet, er auf irgendeine Art & Weise dorthin gelangt sein muss. Jedoch sucht der Autor in diesem Ansatz nach einer Erklärung, einer Zweck-Handlung, einem Lückenfüller bzw. einem Rückschluss. Dadurch beraubt er sich selbst der Möglichkeit einer interessanten Entwicklung auf dem Hinweg zu dieser Szene und greift, wie die Archäologen, auf bereits bekannte Muster zurück. Für den Leser jedoch bedeutet dies im Normalfall mehrere Seiten Langeweile. Da, wie im Vortrag von John Cleese erwähnt, der Mensch in diesem Szenario dazu tendiert schnell eine Entscheidung zu treffen, nicht, weil es die beste Entscheidung ist, sondern, um das Unwohlsein loszuwerden.

Nun halten die kreativsten Menschen dieses Unwohlsein länger aus, doch warum sollten Sie sich überhaupt in diese Gefahr begeben, die Ausrede der Schreibblockade zu provozieren, weil Sie mitten in Ihrer Geschichte anfangen wollen? Machen Sie es sich nicht schwerer, als es ist!

Denn auf diese Herangehensweise hat der Autor bereits den Kopf, den Rumpf und die Füße des Skelettes und möchte nun auf eine innovative Art & Weise den Rest füllen. Jedoch ergeben sich ihm dazu nicht viele Optionen, da er nun einmal irgendwie von den Füßen zum Rumpf kommen muss. Außer Beinen bleibt ihm da nicht mehr viel übrig. Und so steht der Autor häufig vor der Frage »Was muss passieren, damit mein Protagonist dahin kommt?«, anstatt vor der Frage »Wo geht mein Protagonist hin, wohin führt diese Reise?«, was eine weitaus spannendere Fragestellung darstellt.

Sowie eine Reise ohne Ziel das Potenzial bietet, auf dem Weg bereits jede Menge zu entdecken. Denn Sie kennen das Phänomen, das, wenn ein Ziel feststeht, der Hinweg schlichtweg so schnell wie möglich absolviert werden soll und sich dadurch zieht, da man endlich ankommen möchte.

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