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2. »Wie liest man?«
ОглавлениеJa, Sie können lesen, aber was lesen Sie? Twitter? SMS? Spiegel Bestseller? Göthe? Wenn Letzteres, könnten Sie dieses Kapitel überspringen, doch auch in diesem Fall werden Sie interessante Ansätze finden. Wenn Vorletztes, sollten Sie wissen, wie man liest. Doch wagen Sie sich weiter! Trauen Sie sich etwas! Dabei empfehle ich Reclam-Versionen, diese kosten quasi nichts und decken ein weites Spektrum an klassischer, wissenschaftlicher und philosophischer Literatur ab. Viele Titel lassen sich auch im Internet über das Projekt Gutenberg auf Spiegel Online (www.gutenberg.spiegel.de) kostenlos lesen. Kafka, Heine, Schiller, Hesse oder auch Plato. Auch »Der goldene Esel« von Apuleius ist sehr zu empfehlen, wenn auch fast 2000 Jahre alt. Doch ich möchte Sie ermuntern, eigenständig auf die Suche zu gehen, da es gerade in der Weltliteratur unglaublich viel zu entdecken gibt und auch der Autor dieses Textes sich bisher nur einem Bruchteil widmen konnte. Was macht es jedoch für einen Sinn, als ambitionierter Autor zur Inspiration Bestseller zu lesen, die vor 2 Jahren verkauft wurden? Gleichermaßen macht es für den lernenden Maler wenig Sinn, sich ausschließlich dem zeitgenössischen Geschehen zu widmen und darin Inspiration zu suchen, was gerade aktuell im Trend ist. Anstatt dessen erscheint es doch sinnvoller sich mit Werken zu beschäftigen, die bereits den Test der Zeit überwinden konnten und daher der Klassik.
Sich an der aktuellen Bestseller-Liste zu orientieren, führt dazu, dass Sie dem Zeitgeist konstant hinterherhängen. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass Sie sich in die Gefangenschaft des
»Das ist gut. So will ich das machen. Meins ist nicht gut« begeben und dann lesen Sie auf Empfehlung den Platz 1 der nächsten Woche »Wow, das ist gut, das wollte ich auch immer schreiben.«
Interessanterweise hängen Sie damit Ihrem eigenen Ideal hinterher und schreiben die Geschichten anderer neu, anstatt Ihre eigene zu schreiben. Gleichermaßen werden Sie auf diese Art & Weise nichts Innovatives schreiben, da es konstant etwas Zeitgenössisches kopiert, ergo es interessiert auch keinen Verlag und Sie denken: »Die Geschichten der Anderen sind besser, als meine.«
Und dies trifft durchaus zu, da Sie eben nicht Ihre eigene Geschichte schreiben, sondern die Ideen der anderen adaptieren. Dies ist gleichermaßen nicht verkehrt. Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie das Rad (das Wort) neu erfinden. Es hängt jedoch mit der Vielzahl der adaptierten Ideen aus unterschiedlichen Quellen ab, die daraufhin Ihren eigenen Stil prägen und mit denen Sie die Art & Weise, wie Sie Ihre Geschichte erzählen bereichern. Es handelt sich schlichtweg um guten Input, der im ersten Kapitel, bezogen auf die nicht existierende Schreibblockade, erwähnt wurde.
Um auf das Lesen zurückzukommen, ist es so, tun Sie es nicht, ist es schwieriger damit anzufangen. Tun Sie es regelmäßig, werden auch schwierigere Texte, leichter verständlich und leichter zu lesen.
Kurzum:
»Je weniger du liest, umso schwerer fällt es dir zu lesen, umso weniger liest du.«
Wie möchten Sie denn Ihr eigenes Buch lesen, wenn Sie bei 10-Seitigen Textdokumenten bereits den Drang zur Ablenkung verspüren? Und wenn Sie dann an Ihrer Geschichte arbeiten, ergibt sich schnell der Trugschluss, dass diese nicht gut sei, weil Ihnen das Lesen schwerfällt. Zudem bin ich bisher noch auf keinen guten Autor gestoßen, der sich nicht auch die Kunst des Lesens zu eigen gemacht hat und dabei stellt man erstaunlicherweise fest, dass auch diese Autoren nicht bei null angefangen haben, sondern Vorbilder hatten. Vorbilder, deren Ideen & Stile sie inspirierten, die sie adaptierten, um Ihre Werke zu verfassen. Das Bildnis der Muse, die einen küsst, ist schön, jedoch, je nach Interpretation, fern von der Wirklichkeit. Sie erschaffen sich die Muse durch das, was Sie aufnehmen, wie ein Schwamm, der daraufhin nur einem kurzen Druck bedarf, einem sogenannten »Trigger« (englisch für: Anstoß, Auslöser), um die Idee hervorzubringen oder dem Bildnis des Schwammes entsprechend manchmal auch hervorzuwringen.
Dazu kommt eine zweite These:
»Je mehr du liest, um so schneller liest du, um so mehr kannst du lesen.«
Das heißt schlichtweg, je öfter Sie lesen, umso leichter fällt es Ihnen.
Daher mag die Überschrift dieses Kapitels vielleicht ein Schmunzeln aufgrund der Simplizität hervorrufen. Doch handelt es sich beim Lesen, um keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Fertigkeit, die geschult werden muss. Es ist kein passiver Prozess, was fälschlicherweise dem Medium Film häufig zugeordnet wird, jedoch noch aktiver als eben dieses, da die Bilder in Ihrem Kopf entstehen.