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2. (Keine) Äußerung zur Sache?

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Erst wenn der Akteninhalt erarbeitet wurde, kann der Anwalt entscheiden, wie die Verteidigung zu führen ist. Mit dem Mandanten ist dann der Akteninhalt zu erörtern und abzuklären, ob er über seinen Verteidiger eine Äußerung zu den Akten gibt oder von seinem Recht, sich nicht zur Sache zu äußern (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) Gebrauch macht.

Dem Verteidiger sollte in diesem Moment bewusst sein, dass er – gemeinsam mit seinem Mandanten – eine fundamentale Weichenstellung trifft, die für das gesamte weitere Verfahren Bedeutung hat. Letztlich kommt es für die Entscheidung – auch in Verkehrsstrafsachen – auf die Umstände des Einzelfalles an.[19] Lässt sich absehen – etwa im Fall einer Trunkenheitsfahrt – dass die Verteidigung eher strafmindernde Zielsetzungen hat, kann eine gut vorbereitete Einlassung den Fall aus der anonymen Masse gleichgelagerter Fälle herausholen und evtl. zu dem erwünschten Ergebnis führen. Etwas anderes kann z.B. im Fall einer Trunkenheitsfahrt gelten, bei der die Ermittlung des Mandanten als Fahrzeugführer zweifelhaft ist. Hier dürfte Schweigen – jedenfalls vorläufig – das probate Verteidigungsmittel sein. Dies kann auch dann gelten, wenn der Mandant nicht der Fahrzeugführer war, dies aber nicht glaubhaft belegen kann. Denn eine Äußerung des Mandanten zur Sache sollte (als Faustregel) erst dann erfolgen, wenn der Verteidiger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, damit etwas für den Mandanten zu erreichen.[20]

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Hat der Mandant vor Akteneinsicht Ausführungen zu Protokoll gegeben, die sich als mit der Aktenlage nicht vereinbar herausstellen, kann es vorkommen, dass der Mandant den Verteidiger drängt, seine Einlassung dem Akteninhalt nachträglich anzupassen. Der Anwalt sollte sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, dass der Vortrag von Tatsachen, die nach seiner Überzeugung unwahr sind, standesrechtliche und strafrechtliche (§ 258 StGB) Folgen haben kann („Lügeverbot“).[21] In diesem Zusammenhang erscheint es auch notwendig darauf hinzuweisen, dass gelegentlich die Mandanten von ihrem Anwalt die beste Ausrede erfahren wollen. Solche Ansinnen muss der Verteidiger grundsätzlich zurückweisen.

Recht instruktiv ist in diesem Zusammenhang eine verkehrsstrafrechtlich relevante Entscheidung des Ehrengerichts Hamburg:[22] In einer monatlich erscheinenden Broschüre hatte ein Kollege in einem Artikel mit der Überschrift „Alkohol am Steuer“ u.a. Folgendes ausgeführt: „Kommt es zur Kontrolle durch die Polizei, werden Sie meist mit der Frage konfrontiert, ob Sie Alkohol getrunken haben. Die meisten machen den Fehler, wenn sie etwas getrunken haben, eine geringe Menge anzugeben. Denken Sie daran: Sie sind nicht verpflichtet, wahrheitsgemäß gegenüber der Polizei anzugeben, Sie hätten Alkohol getrunken. Sie dürfen vielmehr sagen, Sie hätten nichts getrunken. Wenn Sie nämlich zugeben, ein oder zwei Bier getrunken zu haben, ist die Gefahr, dass Sie in die vielgerühmte Tüte pusten müssen, viel größer, als wenn Sie glaubhaft erklärt haben, nichts getrunken zu haben …“. Das Ehrengericht stellte sich auf den Standpunkt, dass der Anwalt zwar einen Täter dahingehend belehren darf, dass er keine Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage habe, er dürfe aber als Anwalt nicht eine für den Täter günstige unwahre Einlassung veranlassen.

Die herrschende Ansicht zieht auch bei der Strafbarkeit des Verteidigers gem. § 258 StGB diese Grenze. Das Erfinden von unwahren Einlassungen kann eine Strafvereitelung darstellen.[23]

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Praxishinweis

Unmittelbarer Handlungsbedarf besteht, wenn der Verteidiger nach Akteneinsicht feststellt, dass die (früheren) Angaben des Mandanten – etwa am Unfallort – nicht alle entlastenden Gesichtspunkte enthalten. Derartige Lücken sollten zeitnah durch eine ergänzende Einlassung und/oder eine Verteidigungsschrift geschlossen werden. Gerade in Führerscheinsachen kann ein zu langes Zuwarten des Verteidigers bezüglich des Einführens entlastender Gesichtspunkte haftungsrelevant sein.

Verteidigung im Verkehrsstrafrecht

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