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1. Gesetzliche Gebühren

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Der Rechtsanwalt kann nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) folgende Gebühren (ohne Zuschlag)[2] in Strafsachen erhalten:

stets eine Grundgebühr gemäß Nr. 4100 f. VV RVG. Mit der Grundgebühr soll der Arbeitsaufwand abgegolten werden, der mit der erstmaligen Einarbeitung in den Rechtsfall entsteht. Von der Grundgebühr umfasst ist das erste Gespräch mit dem Mandanten, die Beschaffung der erforderlichen Informationen, insbesondere die erste Akteneinsicht sowie sämtliche übrige Tätigkeiten, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats anfallen, etwa Telefonate mit Polizei und Staatsanwaltschaft.[3] Die Grundgebühr entsteht nur einmal, unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt die erstmalige Einarbeitung erfolgt.[4] Die Beschränkung „nur einmal“ ist jedoch personenbezogen zu verstehen, sie ist nicht verfahrensbezogen mit der Folge, dass die Grundgebühr in einem Verfahren überhaupt nur einmal entstehen könnte.[5] Der Betragsrahmen ist unabhängig von der Ordnung des Gerichts, bei dem der Rechtsfall anhängig ist oder wird. Vielmehr sind bei der Bemessung der Gebührenhöhe die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen, etwa die Dauer des Mandantengesprächs oder der Umfang der Akten.

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im vorbereitenden Verfahren: – eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 f. VV RVG. Die Verfahrensgebühr entsteht neben der Grundgebühr im vorbereitenden Verfahren, das mit der Einleitung einer strafrechtlichen Untersuchung beginnt und mit der Einstellung des Verfahrens oder der Überleitung in das gerichtliche Verfahren endet. Es handelt sich mithin um den Zeitraum bis zum Eingang der Anklageschrift, dem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht oder im beschleunigten Verfahren bis zum Vortrag der Anklage, wenn diese nur mündlich erhoben wird. Die Verfahrensgebühr entsteht „für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“. Die Verfahrensgebühr umfasst mithin die gesamte Grundtätigkeit[6] des Rechtsanwalts im vorbereitenden Verfahren, sofern sie nicht durch die Grundgebühr der Nr. 4100 VV RVG abgegolten ist oder besondere Gebühren wie die Terminsgebühr vorgesehen sind. – eine oder mehrere Terminsgebühren gemäß Nr. 4102 f. VV RVG. Für die Teilnahme an bestimmten Terminen außerhalb der Hauptverhandlung erhält der Rechtsanwalt grundsätzlich eine gesonderte Terminsgebühr. Diese Gebühr umfasst u.a. die Teilnahme an Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft oder eine Strafverfolgungsbehörde, die Teilnahme an Terminen vor dem Gericht im vorbereitenden Verfahren sowie an Verhandlungsterminen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs oder an Sühneterminen nach § 380 StPO.[7] Die Terminsgebühr entsteht im vorbereitenden Verfahren und in jedem Rechtszug für die Teilnahme an bis zu drei Terminen nur einmal. Finden mehrere Termine an einem Tag statt, gelten diese als ein Termin.

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im gerichtlichen Verfahren: – eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4106 f. VV RVG (Amtsgericht), 4112 f. VV RVG (Strafkammer), 4118 f. VV RVG (OLG, Schwurgericht u.a.), 4124 f. VV RVG (Berufung), 4130 f. VV RVG (Revision). Abgegolten ist mit der Verfahrensgebühr die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts außerhalb der mündlichen Verhandlung, soweit dafür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Insbesondere werden erfasst die Informationsaufnahme, der allgemeine Schriftverkehr mit Auftraggeber, Ermittlungsbehörden und Gericht, Besprechungen mit Verfahrensbeteiligten, Vorbereitung der Hauptverhandlungstermine, Tätigkeit im Rahmen einer beabsichtigten Einstellung des Verfahrens, z.B. nach § 153a StPO sowie die Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln, soweit es sich nicht um Berufungs- oder Revisionsbegründungen handelt. – eine Terminsgebühr pro Hauptverhandlungstag gemäß Nr. 4108 ff. VV RVG (Amtsgericht), 4114 ff. VV RVG (Strafkammer), 4120 ff. VV RVG (OLG, Schwurgericht u.a.), 4126 ff. VV RVG (Berufung) sowie 4132 ff. VV RVG (Revision). Der Rechtsanwalt erhält eine Terminsgebühr für die Teilnahme an einem Hauptverhandlungstermin. Finden während des gerichtlichen Verfahrens noch andere „gerichtliche Termine“ statt, wie z.B. eine Haftprüfung oder eine kommissarische Vernehmung, entsteht dafür eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4102 VV RVG.[8] Erscheint der Rechtsanwalt zu einem anberaumten Termin, der aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet, fällt dennoch die Terminsgebühr an. Dies gilt nicht, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder Verlegung des Termins informiert worden ist.[9] Das RVG hat des Weiteren die gebührenrechtliche Unterscheidung zwischen dem ersten Hauptverhandlungstermin und den Fortsetzungsterminen aufgegeben. Der Rechtsanwalt erhält für jeden Verhandlungstag die Terminsgebühr in gleicher Höhe bzw. nach dem gleichen Gebührenrahmen.[10] Für längere Hauptverhandlungen erhält der Rechtsanwalt eine Zusatzgebühr, die 50 % der regulären Gebühr entspricht, wenn die Verhandlung mehr als fünf bis höchstens acht Stunden dauert oder in Höhe einer Gebühr für einen weiteren Verhandlungstag, wenn die Verhandlung länger als acht Stunden dauert.[11] Zur Berechnung des sog. „Längenzuschlags“ ist auf den in der Terminsladung bestimmten Zeitpunkt der Hauptverhandlung und nicht auf den tatsächlichen Beginn der Sitzung abzustellen. Dies gilt nicht, wenn der verspätete Beginn nachweislich auf Umständen beruht, die der Rechtsanwalt zu vertreten hat.[12] Verhandlungspausen verkürzen die Dauer der Hauptverhandlungen in der Regel nicht. Gleiches gilt auch für eine Mittagspause, sofern sie eine Stunde nicht überschreitet.[13]

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ggf. mehrere Geschäfts- und Terminsgebühren im Wiederaufnahmeverfahren gemäß Nr. 4136 bis 4140 VV RVG.

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diverse Zusatzgebühren, u.a. – Befriedungsgebühr gemäß Nr. 4141 VV RVG. Diese zusätzliche Verfahrensgebühr entsteht, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Voraussetzung für die Entstehung der Gebühr ist, dass – das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird oder – das Gericht beschließt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen oder – sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme des Einspruchs gegen einen Strafbefehl, der Berufung oder Revision erledigt, sofern bereits für die Hauptverhandlung terminiert ist und die Rücknahme früher als zwei Wochen vor Beginn des für die Hauptverhandlung vorgesehenen Tages erfolgt. Der Grad der anwaltlichen Mitwirkung ist unerheblich. Irrelevant ist auch, in welchem Verfahrensabschnitt die Mitwirkung erbracht wird.[14] Die Gebührenhöhe bemisst sich nach der Instanz, in der die Hauptverhandlung entbehrlich geworden ist.

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Praxishinweis

Die Befriedigungsgebühr gemäß Nr. 4141 RVG entsteht nach Ansicht vieler Rechtsschutzversicherer nicht, wenn das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, sich aber bei der Verwaltungsbehörde noch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren anschließt, weil dann das jeweilige Verfahren noch nicht endgültig erledigt sei. Diese Ansicht widerspricht der Regelung des § 17 Nr. 10 RVG und auch der Rechtsprechung.[15]

Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen gemäß Nr. 4142 VV RVG. Bei der Bearbeitung von Verkehrsstrafsachen wird gelegentlich die Einziehung des Tatfahrzeugs beantragt. Die Gebühr bemisst sich nach dem Gegenstandswert, für die konkrete Berechnung gilt § 13 RVG.

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Praxishinweis

Nr. 4142 VV RVG gilt nicht (entsprechend) für Tätigkeiten, die sich auf ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis erstrecken.[16]

Verfahrensgebühr bei vermögensrechtlichen Ansprüchen des Verletzten oder seines Erben gemäß Nr. 4143 f. VV RVG. Die Tätigkeit muss sich auf Ansprüche, die im Adhäsionsverfahren nach den §§ 403 ff. StPO geltend gemacht werden, beziehen. Dabei ist es unerheblich, ob der Rechtsanwalt diese Ansprüche – wie der Verteidiger – abwehrt oder ob er sie – wie der Vertreter des Verletzten – aktiv geltend macht. Die Gebühr berechnet sich nach dem Gegenstandswert, d.h. dem Wert des geltend gemachten bzw. abgewehrten, nicht des letztlich zuerkannten Anspruchs.[17]

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Praxishinweis

Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis und Fahrverbot war der Gesetzgeber der BRAGO der Auffassung, dass bei nicht ausreichendem Gebührenrahmen eine Erhöhung des Gebührenrahmens um 25 % gerechtfertigt sei. Diese Fälle will das RVG nunmehr über § 14 RVG geregelt wissen.[18] Droht eine Fahrerlaubnisentziehung, liegt eine maßgeblich gesteigerte „Bedeutung der Angelegenheit“ im Sinne des § 14 RVG vor.[19]

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Sowohl Wahlanwalt als auch Pflichtverteidiger haben die Möglichkeit, falls durch die vorgesehenen Gebühren bzw. den Gebührenrahmen ihre im Hauptverhandlungstermin erbrachten Tätigkeiten nicht zumutbar entlohnt werden, die Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG bzw. die Gewährung einer Pauschvergütung nach § 51 RVG zu beantragen. Eine Pauschgebühr nach § 42 RVG wird vorrangig dann in Betracht kommen, wenn bereits die Bedeutung der Sache für den Angeklagten und/oder die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers überdurchschnittlich sind sowie zusätzlich ein besonderer Umfang der anwaltlichen Tätigkeit bzw. eine besondere Schwierigkeit derselben gegeben ist.[20]

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Praxishinweis

Da der Verteidiger die Gebühren nach seinem freien Ermessen innerhalb des Gebührenrahmens festlegt, empfiehlt es sich, den tatsächlich entfalteten Aufwand insbesondere dann genau zu dokumentieren, wenn beabsichtigt wird, (auch) wegen des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit die Mittelgebühr zu überschreiten. Im Honorarstreitfall kann der Verteidiger dann seinen Aufwand belegen.[21] Zudem kann der (hoffentlich nie eintretende) Vorwurf der Gebührenüberhebung (§ 352 StGB) so abgewehrt werden.

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Rechtsschutzversicherungen gegenüber werden normalerweise die Mittelgebühren in Rechnung gestellt. Angesichts nachlassender Erträge der Rechtsschutzversicherer ist es verständlich, dass sie häufig den Versuch unternehmen, die Anwaltsgebühren zu schmälern, wenn dies auch bei normalen Verkehrsstrafsachen nicht so häufig wie bei OWi-Sachen vorkommt. In jedem Fall empfiehlt es sich, dem Rechtsschutzversicherer die einzelnen Stationen der anwaltlichen Tätigkeit kurz zu skizzieren, um darzulegen, dass der Gebührenanspruch begründet ist.

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Die Überlegungen zum Vorschuss nach einer Honorarvereinbarung gelten auch gegenüber dem Rechtsschutzversicherer. Zwar besteht zwischen dem Verteidiger und der Rechtsschutzversicherung keine unmittelbare Rechtsbeziehung, jedoch hat der Versicherungsnehmer gem. § 1 Abs. 2 ARB einen Anspruch gegen seinen Versicherer auf Freistellung von der Vorschusspflicht. Fordert daher der Anwalt von seinem Mandanten einen Vorschuss an, so hat der Rechtsschutzversicherer diesen zu zahlen. Da der Rechtsschutzversicherer in Erfüllung einer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag den Vorschuss an den Anwalt überweist, kann er gezahlte Vorschüsse nicht vom Anwalt zurückverlangen, selbst dann, wenn nachträglich eine Deckungszusage widerrufen wird oder der Deckungsanspruch entfällt, etwa weil der Versicherungsnehmer wegen einer vorsätzlichen Tatbegehung verurteilt wurde. Gerade in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer Gefahr läuft, wegen eines Vorsatzdeliktes verurteilt zu werden (z.B. in den Fällen des § 142 StGB), empfiehlt es sich daher immer, einen angemessenen Vorschuss beim Rechtsschutzversicherer anzufordern.[22]

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Nicht rechtsschutzversicherte Mandanten stellen gelegentlich die Frage, ob sie keinen Anspruch auf „Prozesskostenhilfe“, d.h. einen Pflichtverteidiger haben. Obwohl im Schrifttum vereinzelt die Auffassung vertreten wird, auch bei Verkehrsdelikten, insbesondere in Fällen der fahrlässigen Tötung und immer dann, wenn der Entzug der Fahrerlaubnis drohe, könne es sich um einen Fall der notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs. 2 StPO handeln,[23] ist der Mandant dahingehend zu belehren, dass ein derartiger Antrag erfahrungsgemäß in der Praxis scheitern wird. Dies soll aber die Verteidigung nicht hindern, in geeignet erscheinenden Fällen einen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger zu stellen. Damit zwischen dem Mandanten und dem Anwalt aber klare Verhältnisse geschaffen werden, muss der Mandant ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass dann, wenn das Gericht die Beiordnung als Pflichtverteidiger ablehnt, der Mandant die Gebühren des Verteidigers selbst zahlen muss.

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