Читать книгу Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018 - Cedric Balmore - Страница 18
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ОглавлениеAnja hatte wortlos zugehört. In ihrem Kopf schien plötzlich ein Bienenschwarm zu nisten. Das Denken fiel ihr schwer. Jetzt mussten sie aufstehen. Die Männer bezahlten die Rechnung. Es war nicht wenig, was sie auf den Tisch blättern mussten. Aber seltsamerweise störte sie es nicht, sie hielten das für selbstverständlich.
Für Anja war ein neues Leben angebrochen. Das frühere hatte sie wie ein altes Kleid von sich gestreift. Alles lag so weit zurück. Gab es noch die alte Anja? Sie kicherte vor sich hin, als sie die Stufen hinunterstolperte. Klaus musste sie stützen.
»Sieh mal, die Laternen wackeln hin und her!«
Wie aus dem Nichts hingezaubert stand plötzlich ein Taxi vor ihnen. Sie stiegen ein, und Anja kuschelte sich gemütlich in die Polsterecke. Irgendwo war Sybille, aber es war ihr egal, was sie machte. Das Blut brauste durch ihre Adern.
Klaus zog das schlanke Mädchen an sich und begann es zu küssen. Er hatte Erfahrung in diesen Dingen, und sie spürte die Erregung in sich aufsteigen. Sie erwiderte diesen Kuss und lächelte vor sich hin. Er schloss sie in seine Arme, sein Atem ging erregt, auch er war von ihr angezogen.
»Wohin fahren wir?« War das noch ihre Stimme?
»Zum Hotel, später bringe ich dich nach Hause, einverstanden?«
Irgendwo war doch etwas gewesen, dumpf fühlte sie eine Frage in sich hochsteigen. Aber sie war so müde und überließ sich lieber den Liebkosungen des Mannes.
Es war das größte und teuerste Hotel in der Stadt. Sie stiegen aus und gingen durch die Halle. Anja wunderte sich, dass um diese Zeit noch so viele Menschen unten waren. Sie kamen und gingen, niemand schien sich um die Männer zu kümmern. Der Nachtportier reichte ihnen wortlos die Schlüssel. Er hatte viel zu tun. Die Gäste mussten selbst wissen, was sie taten. Im Lift sah sie Sybille wieder. Sie hatte sich bei Peter eingehakt. Sie sah sie an, die Freundin kniff ein Auge zu.
Dicke Teppiche verschluckten jedes Geräusch auf den Gängen. Da war eine Tür, und dann war sie plötzlich mit Klaus allein. Seltsam, plötzlich erwachte sie und sah alles ganz deutlich vor sich. Sie befand sich mit einem fremden Mann in einem fremden Zimmer.
Werner! Eiskalt lief es ihr den Rücken herunter. Nein, sie wollte es nicht, sie war nicht so eine, sie musste es ihm sagen, jetzt, sofort, sie wollte nach Hause! Sie müsste schreien, wenn er sie anrühren würde.
Das Geld! Wie das Herz pochte! Wie sich die Nerven zusammenzogen! Warum fand sie nicht den Mut zu fliehen? Jetzt konnte sie es noch. Wo war der Mann überhaupt? Er war nicht im Zimmer. Sie sah die Doppelbetten, weiß und weich schimmerten sie im warmen Schein der Lampe.
Hinter ihrem Rücken ging eine Tür, und sie drehte sich um. Klaus kam aus dem Badezimmer. Er war nackt! Vollständig nackt! Wie anders er plötzlich aussah. Das Mädchen schluckte, die Augen quollen ihr bald aus den Höhlen. Ein pelziger Geschmack war in ihrem Mund. Krampfhaft umklammerte sie ihre kleine Handtasche. Ein hilfloses Lächeln schwebte auf ihren Lippen.
Wenn sie doch nicht so ein Schwindelgefühl hätte. Der Boden schwankte unter ihren Füßen. Klaus kam näher, sie sah die nackten Füße auf sich zukommen.
»Na, meine Kleine, komm!« Seine Stimme war weich und zärtlich. Er streckte seine Hände nach ihr aus. Die Handtasche fiel zu Boden. Sie fühlte nur seine erfahrenen Hände. Ein Zittern war in ihren Gliedern. Er nahm sie in seine Arme und küsste sie so lange, dass sie glaubte, zu ersticken. Die Sinne schwanden ihr. Sie fühlte nur noch das heiße Begehren des Mannes, mehr nicht. Und das Feuer sprang auf sie über.
Der Mann entkleidete sie behutsam und geschickt. Nun stand sie nur noch im Höschen vor ihm. Er nahm sie in seine Arme und trug sie zum Bett. Willenlos ließ sie alles mit sich geschehen. Er küsste ihre Augen, ihre Lippen, den Hals, die Brüste, ein Verlangen stieg in ihr hoch. Überall waren seine Lippen. Sie stöhnte lustvoll auf. Sie konnte nicht genug davon bekommen. So hatte sie es noch nie erlebt. Sie schwebte im siebten Himmel.
Klaus spürte, dass sie noch neu war im Geschäft. Sie kannte noch keine Raffinessen. Sie war noch unerfahren wie ein Kind, auf der Suche nach einem Abenteuer, um sich dabei den Männern preiszugeben. Einen Augenblick hatte er Mitleid mit dem jungen Ding. Es hätte seine Tochter sein können. Aber er bezahlte ja dafür. Warum sollte er da noch Gewissensbisse haben?
Er streifte das Höschen ab und nahm sie zärtlich und wild. Sie schrie auf, klammerte sich an ihn, stöhnte, fiel in einen tiefen Abgrund. Anja hatte jedes Gefühl für den zeitlichen Ablauf verloren.
Als sie wieder erwachte, lag der Mann ruhig an ihrer Seite. Er hatte sich auf einen Arm gestützt und rauchte. Dabei sah er ihr ins Gesicht. Sie schlug die Augen nieder und errötete. Nackt lag sie vor ihm, und er streichelte ihre zarten Brüste.
»War es schön?«
Anja blieb starr liegen. Nun war es doch geschehen! Sie wollte aufspringen und sich vor ihm verbergen. Sie schämte sich entsetzlich. Sie ertrug ihn nicht mehr, sie kam sich so niedrig vor. Mit ihren Händen bedeckte sie ihre Blöße. Als er sie wild an sich ziehen wollte, stieß sie ihn von sich.
»Lass mich!« Ihre Stimme klang spröde.
Sofort ließ er sie los. Sie sprang auf und lief ins Badezimmer. Ich muss mich reinwaschen, dachte sie, rein von dem allem da! Sie stellte sich unter die Dusche und rieb sich wie verrückt. Aber das schale Gefühl verging nicht. Kalt rieselte das Wasser über ihren Körper. Sie sah ihr Gesicht im Spiegel. Bin ich noch dieselbe? Ich muss mich doch verändert haben. Man muss es mir doch ansehen können. Nein, nichts hatte sich geändert, nichts, nur ihr Gewissen würde jetzt schlagen. Fast hätte sie geweint.
Die Kleidung lag im Schlafzimmer. Sie musste also noch einmal zu ihm hinaus und sie holen. Anja wickelte sich in das Badetuch und verließ den Raum.
Er stand am Fenster und rauchte. Er trug einen dunkelroten Bademantel. Hastig griff sie nach ihren Sachen und floh wieder ins Badezimmer. Fort, nur fort, dieser Gedanke beherrschte sie noch.
Plötzlich ging die Tür auf, und er kam herein. Sie starrte ihn an, Angst flackerte in ihren Augen.
»Nicht wahr, du machst es zum ersten Mal?«
Sie senkte den Kopf.
»Ich will fort, nach Hause.«
»Das kannst du auch, ich halte dich nicht zurück. Ich wollte dir nur sagen, du warst wunderbar. Du hast mir eine zauberhafte Stunde beschert, und ich werde lange an dich denken, wirklich. Ich sage das nicht so daher. Aber darf ich dir einen Rat geben?«
Sie zuckte mit den Schultern, schielte zur Tür.
»Lass davon ab, Anja, tu es nicht wieder! Diesmal hast du mich getroffen, und ich meine es nur gut mit dir. Ich werde dich nicht mehr wiedersehen, und was war, das wirst du schnell vergessen. Mach es deiner Freundin nicht nach! Du weißt nicht, wohin das führen kann. Du wirst in den Abgrund gleiten, wenn du nicht zurückkehrst. Ungestraft kommt ihr nicht davon. Merke dir meine Worte! Geh in dein altes Leben zurück, bleib brav! Das süße Leben, es sieht so schillernd und verlockend aus, aber das ist alles nur Fassade, mehr nicht. Was dahintersteckt, Mädchen, will ich dir nicht sagen, ich will dich nicht erschrecken.«
Sie sah ihn groß an. Sie spürte, er meinte es wirklich ehrlich mit ihr. Er hatte eine so ernste Stimme. Langsam ging er durch den Raum, kam wieder zurück, blieb vor ihr stehen und steckte ihr zwei blaue Scheine in den Büstenhalter. Sie wollte aufschreien, das Geld auf die Erde werfen. Wenn sie Geld nahm, dann war sie doch eine Nutte! Ohne Geld war man nur eine Geliebte. Aber sie brauchte ja das Geld. Es brannte auf ihrer Haut.
Tränen schimmerten in ihren Augen, als sie aufsah.
»Ich ... ich war in einer Notlage«, stammelte sie.
»Das sagen sie alle!«, sagte er leise. »Versprichst du mir, es nicht wieder zu tun?«
»Ich glaube, ich war verrückt, der Alkohol, das alles, ja, ich war verrückt. Jetzt schäme ich mich entsetzlich. Was müssen Sie nur von mir denken?«
»Ich denke nur, dass du noch umkehren kannst, und dass du an meine Worte denken wirst!«
»Ja, das werde ich. Ich will sowieso nicht mehr mitmachen. Ich mag es nicht!«
»Brav!«
Sie ging zur Tür.
»Soll ich dich nach Hause bringen?«
Anja lächelte. »Danke, aber ich möchte lieber allein gehen. Es ist besser so. Vielen Dank!«
Er fasste sie bei den Schultern und küsste ihre Stirn.
»Ich habe zu danken.«
Sie verließ das Zimmer, betrat den Lift und schwebte nach unten. In diesen Stunden war sie reif geworden. Ganz anders fühlte sie sich. Sie hatte ein Erlebnis gehabt, aber das war es nicht. Sie dachte an den Mann zurück.
In der Halle traf sie auf Sybille. Sie saß in einer Ecke und schien auf sie gewartet zu haben.
»Ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht wiederkommen. Na, wie war es denn?«
»Ich möchte nach Hause, ich bin müde.«
»Natürlich, aber komm, erzähl doch mal! Hattest du auch so ein komisches Gefühl? Ich meine, als ich es das erste Mal tat, war es so, und dann war alles so einfach. Damals hatte ich einen tollen Kerl. Die ganze Nacht hatten wir es getrieben. Oder hat er vielleicht Sonderwünsche gehabt?« Sie sah sie lauernd von der Seite an.
Anja ging schweigend durch die nachtstillen Straßen. Der Gang tat ihr wohl. Das Gerede der Freundin perlte wie Wasser an ihr ab.
»Warum schweigst du?«
»Ich habe Kopfschmerzen, verzeih mir!«
»Du bist gut, da musst du es aber toll getrieben haben. Na ja, wir hatten auch unseren Spaß. Hab’ ich dir nicht gesagt, wie leicht man Geld verdienen kann? Du hast es doch bekommen, oder?«
»Ja, er hat es mir gegeben.«
»Mein Gott, Anja, gesprächig bist du auch nicht.«
»Ich sagte dir doch, dass ich Kopfschmerzen habe!«
Es ging schon auf sechs Uhr zu, als sie endlich ihre Wohnungen erreicht hatten. Sie ging mit in die Wohnung der Freundin. Sie musste sich ja noch umziehen. Erst als sie wieder ihre alte Kleidung anhatte, fühlte sie sich sicher und wohl. Sie war in das bürgerliche Leben zurückgekehrt. Der Abend und die Nacht zogen in Bildern an ihr vorüber. War es nicht nur ein Traum gewesen?
»Wie ist es, machst du morgen wieder mit?«
Anja mochte nicht sofort nein sagen. Langsam stand sie auf.
»Ich glaube, ich gehe jetzt ’rüber. Ich bin hundemüde.«
Sybille gähnte ungeniert.
»Ich werde mich jetzt auch erst mal für eine Weile aufs Ohr legen. Mann, haben wir ein Glück, dass unsere Männer so viel auswärts arbeiten. So können sie uns nicht kontrollieren.«
Anja schloss ihre Wohnungstür auf. Für ein paar Minuten lehnte sie sich dagegen. Es war schon so hell, dass sie kein Licht zu machen brauchte.
Langsam ging sie durch den Flur.
Und dann hörte sie die Stimme!