Читать книгу Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018 - Cedric Balmore - Страница 27

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Gitta war wütend, und wenn sie wütend war, kochte sie vor Zorn und schimpfte wie ein Rohrspatz. Sie hatte eigentlich gar keinen Grund, aber sie konnte sich maßlos aufregen, wenn die Kerle nur so herumstanden und sie anglotzten und sich nicht entschließen konnten. Seher gab es immer eine ganze Menge. Sie standen im sicheren Abstand von den Mädchen entfernt und grinsten sie blöde an. Sie wollten nur mal sehen, wie so eine Verworfene aussah und weiter nichts. Konnten dann in der Stammkneipe oder bei der Arbeit damit renommieren: Mensch, habe gestern eine Nutte gesehen.

Anja war es egal. Sie stand gleichgültig, an die Laterne gelehnt und sah in den nachtblauen Himmel.

»Damit gewinnst du doch nichts. Reg’ dich doch endlich ab! Sie haben doch noch ihren Spaß daran. Mach’ es so wie Lola! Die tut so, als sähe sie die Kerle gar nicht.«

»Mann, du bist gut. Meinste, ich stehe hier umsonst. Die vermiesen einem die ganze Kundschaft. Mensch, die können mich alle kreuzweise. Besonders der Dicke da drüben. Macht sich doch bald vor Aufregung in die Hosen. Möchte bloß wissen, was die davon haben. Sollen schon endlich kommen und mir ihre Möpse geben. Hab’ es verdammt nötig. Mein Loddel hat mal wieder über die Stränge gehauen und eine Stange voll Schulden am Hals hängen. Nichts wie anschaffen die ganze Nacht, und der Kerl verschludert es. Und dabei wollten wir uns eine kleine Wohnung einrichten. Hab es satt, ewig auf dem Gammelzimmer zu hocken.«

»Warum gibst du ihm überhaupt das Geld, Gitta? Könntest doch schon reich sein.«

Das Mädchen riss die Augen auf.

»Bist du so naiv, oder was ist? Wie soll man denn ohne Loddel bestehen? Und außerdem ist er schick. Die anderen beneiden mich alle um meinen Bubi. Frag’ mal die Lola! Die hat so einen windschiefen Macker, die würd’ sich alle Finger nach meinem Eddi lecken. Aber so lange ich noch das lange Geld mache, steht er auf mich. Darum brauch’ ich doch auch die Flöhe. Gleich geh’ ich ’rüber und schrei sie an!« Die Dirne warf wütende Blicke zu den Männern hinüber. Endlich gingen sie fort. War ihnen vielleicht wohl zu dumm, oder ihre Frauen im Lokal hatten etwas gemerkt und machten jetzt auf wild.

Der Parkplatz lag wie ausgestorben da.

»Du selbst musst doch alles Geld Fred geben«, sagte Gitta und steckte sich eine Zigarette an.

»Ich werde ja auch dazu gezwungen. Aber du hast mir doch selbst gesagt, dass du freiwillig auf den Strich gehst.« Plötzlich kam in Anja alles wieder hoch.

»Du, ich möchte abhauen, ich halt es nicht mehr aus. Jedes Mal, wenn ich zu so einem Kerl in den Wagen steige, dann kommt es mir hoch, könnte mich übergeben. Ich kann einfach nicht mehr.«

»Das mit dem Abhauen, das lass man ruhig sein, wenn dir dein Leben und deine Schönheit lieb sind! Die sind schneller hinter dir her, als du denkst. Du hast noch nicht mal piep gemacht, und schon haben sie dich. Und dann dein Mann!«

Anja stand teilnahmslos neben der Dirne.

»Manchmal ist mir alles egal, alles, Werner, mein Leben, alles. Ich möchte Schluss machen, einfach Schluss. Das ist doch kein Leben mehr, verstehst du das denn nicht?«

»Nee«, sagte Gitta.

Lola kam zurück. Sie stieg aus dem Wagen des Freiers und schlug die Tür hinter sich zu. Er schien noch auf etwas zu warten. Aber sobald eine Dirne ihr Geschäft erledigt hatte, war der Freier Luft für sie. Sie hatte ihn in demselben Augenblick abgeschrieben, wo sie das Geld in der Tasche hatte. Und je schneller sie fertig wurde, umso besser für das Geschäft. Dann konnte sie wieder auf neuen Kundenfang gehen.

»Los, hau ab! Hab’ alles getan für dein Geld. Los, schlag’ dich in die Büsche!«

Der Mann hatte endlich begriffen, startete und fuhr langsam zur Autobahn.

»Die Kerle sind doch blöd. Wollen die etwa noch, dass wir rührselig werden? Und das alles für fünfzig Miese? Der kann mich mal. Wollte doch tatsächlich, dass ich mich ausziehe für sage und schreibe fünfzig Märker. Musste schon drauflegen.«

Anja schwieg. Eine Nutte sprach nur immer verächtlich von ihrer Tätigkeit. Liebe gab es für sie nicht, auch den Loddel liebte sie nicht. Sie hatte ihn wohl auf ihre Art gern, aber wenn ein Besserer, Schickerer kam, mit dem man Staat machen konnte, dann wechselte sie sofort, ohne mit der Wimper zu zucken. Oft wurden die Nutten aber auch unter den Loddels verschachert. Dann kam es vor, dass sie gegen Morgen plötzlich von einem anderen abgeholt und ausgebeutet wurden.

Ein schwerer Wagen kam langsam die Auffahrt entlang.

»Lola, Arbeit!« Gitta warf die Zigarette weg und stellte sich in Pose. Das eine Bein ein wenig vor, wippte sie mit dem superkurzen Röckchen und lächelte.

Anja ekelte das alles an. Sie konnte es nicht, nie würde sie sich anbieten, nie im Leben, und Fred konnte sie noch so sehr verprügeln.

Der Wagen fuhr vorbei.

»Scheiße!«, sagte Lola und lehnte sich zurück. Der Wagen drehte unten und kam wieder zurück. Wieder das alte Spiel. Er hielt.

»Na, Süßer, wie ist es mit uns zwei?«

Gitta kam näher, lehnte sich in das offene Seitenfenster und ließ ihre großen Brüste spielerisch auf und ab wackeln. Das war auch so ein Trick von ihr. Die meisten waren dann schon ganz hin, und alles andere ging im Nu! Der Fahrer, ein älterer Herr, schüttelte den Kopf.

»Hau ab, ich will dich nicht!«

Gitta wollte ausfallend werden, aber er schnitt ihr einfach das Wort ab.

»Die Kleine drüben, los, sie soll zu mir kommen! Ich will sie! Zieh Leine, Alte!«

»Los, Anja, er meint dich, komm schon! Hast mal wieder Dusel. Möcht’ mal wissen, was die Kerle an dir gefressen haben. Tust nichts, und sahnst alles ab.«

»Ich?«, sagte Anja erschrocken.

»Los, steig’ ein!«

Nein, dachte sie innerlich, nicht schon wieder. Ich will nicht mehr! Wie aus dem Nichts stand plötzlich Fred auf dem Parkplatz. Wie in Trance ging sie auf den Wagen zu und stieg ein.

Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018

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