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a) Funktionelle Zuständigkeit des Berufungsausschusses

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Gegen alle Entscheidungen des Zulassungsausschusses können die Verfahrensbeteiligten[356] den Berufungsausschuss anrufen, § 96 Abs. 4 S. 1 SGB V. Der Zulassungsausschuss ist zum Erlass einer Abhilfeentscheidung (vgl. § 85 Abs. 1 SGG) nicht befugt.[357] Mit seiner Anrufung – § 44 Ärzte-ZV bezeichnet die Anrufung des Berufungsausschusses als „Widerspruch“ – wird der Berufungsausschuss im angerufenen Umfang funktionell ausschließlich zuständig.[358] Nach der Einlegung des Widerspruchs liegt die gesamte Verantwortung und Kompetenz für die Behandlung der gesamten streitbefangenen Zulassungssache bis zur rechtsverbindlichen Erledigung des Verfahrens ausschließlich beim Berufungsausschuss.[359]

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Bei dem Widerspruchsverfahren vor dem Berufungsausschuss handelt es sich um ein umfassendes Verfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz. Gemäß § 97 Abs. 3 S. 2 SGB V „gilt“ es als Vorverfahren i.S.v. § 78 SGG, so dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten erst durch den Widerspruchsbescheid des Berufungsausschusses eröffnet wird.[360] Gegenstand der Überprüfung durch den Berufungsausschuss ist die streitbefangene Zulassungssache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Das Verfahren vor dem Berufungsausschuss ist ein hinsichtlich der Entscheidung originäres Verwaltungsverfahren, welches die Zulassungssache umfassend und abschließend regelt.[361] Der Beschluss des Berufungsausschusses tritt an die Stelle des Beschlusses des Zulassungsausschusses und bildet den alleinigen Gegenstand eines sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens.[362] Der Berufungsausschuss entscheidet daher nicht über einen Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses, der gegebenenfalls aufzuheben wäre, sondern er trifft eine eigene Sachentscheidung.[363] Etwaige Fehler im Verfahren vor dem Zulassungsausschuss sind deshalb im sozialgerichtlichen Verfahren ohne Bedeutung. Dass der Bescheid des Zulassungsausschusses mit der Entscheidung des Berufungsausschusses rechtlich nicht mehr existent ist, hat nicht zur Folge, dass es dem Berufungsausschuss verwehrt wäre, auf die Inhalte des Bescheides des Zulassungsausschusses Bezug zu nehmen; der Bescheid des Berufungsausschusses schließt vielmehr den Bescheid des Zulassungsausschusses ein, soweit er diesen bestätigt.[364] Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung des Verfügungssatzes im Bescheid des Berufungsausschusses „Der Widerspruch … wird zurückgewiesen.“ nicht zu beanstanden.[365]

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Die Kompetenzverteilung zwischen Zulassungs- und Berufungsausschuss richtet sich danach, inwieweit die jeweilige Zulassungssache mit der Anrufung des Berufungsausschusses dort streitbefangen ist. Zur Kompetenzabgrenzung kommt es somit auf den Streitgegenstand an, der bei Anfechtungs- und Verpflichtungsansprüchen im Verwaltungsverfahren als der vom Begehren des Antragsstellers umfasste Lebenssachverhalt verstanden wird.[366] Weist der Zulassungsausschuss bspw. einen Antrag auf Sonderbedarfszulassung gemäß §§ 19 Abs. 1 Ärzte-ZV, 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V, 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie zurück und wird hiergegen Widerspruch zum Berufungsausschuss erhoben, ist Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Berufungsausschuss der Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Dementsprechend entscheidet der Berufungsausschuss auch über den Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung, obwohl zunächst eine Sonderbedarfszulassung beantragt und erst nach Anrufung des Berufungsausschusses der Gesichtspunkt eines Zulassungsanspruchs nach den allgemeinen für Vertragsärzte geltenden Zulassungsregelungen geltend gemacht wurde. Denn die zunächst beanspruchte Sonderbedarfszulassung stellt grundsätzlich kein aliud gegenüber einer bedarfsunabhängigen Zulassung dar.[367] Dass die begehrte Zulassung auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen – solche mit und ohne Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien über das Vorliegen eines Versorgungsbedarfs – gestützt werden kann, ist eine bloße Frage der Begründung des Zulassungsanspruchs und macht ein Begehren, das auf beide rechtlichen Gesichtspunkte gestützt wird, nicht zu unterschiedlichen Streitgegenständen. Dementsprechend sind Antragsänderungen im Zulassungsverfahren vom Antrag auf Sonderbedarfszulassung zum Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung stets, also auch noch im Berufungs- und Revisionsverfahren, zulässig.[368] Da es sich um denselben Streitgegenstand handelt, sind ebenso umgekehrt Antragsänderungen von der bedarfsunabhängigen Zulassung zur Sonderbedarfszulassung oder der – gegebenenfalls hilfsweise – Antrag auf Zulassung mit nur hälftigem Versorgungsauftrag zulässig.[369]

Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook

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